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Wenig Klimaschutz im Berliner Wahlkampf

Aktion des Berliner Energietischs an Brunnen
Aktion vom 17.8.16: Rekommunalisierung nicht in den Brunnen fallen lassen (Foto: Uwe Hiksch / Berliner Energietisch)

Vor der Wahl in Berlin hat der Berliner Energietisch alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien zur Energiepolitik befragt. Einig sind sich alle, dass sich Berlin langfristig zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien versorgen soll – die Maßnahmen reichen jedoch von wirkungsvoll bis unkonkret.

09.09.2016 – Bei der Befragung ging es dabei um die brandheißen Themen der Berliner Energiepolitik – etwa um die Rolle der Stadtwerke, die Rekommunalisierung der Energienetze und wie Energiearmut bekämpft werden soll. Welche Berliner Partei bekennt sich zu Schlagwörtern wie soziale Gerechtigkeit, bezahlbare Mieten – oder eben zur Energiewende? Richtig: Jede Partei steht dafür ein. Wer wissen möchte, wie sich die Parteien unterscheiden und wo das Kreuzchen in der Wahlkabine am 18. September bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus gemacht werden soll, der muss genauer nachfragen. Das hat die Initiative „Berliner Energietisch“, die von mehr als 50 parteiunabhängigen Gruppen getragen wird, in puncto Energiepolitik gemacht.

Energiewende-Ziele und -Taten klaffen weit auseinander

Alle Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses treten dafür ein, die Energieversorgung Berlins bis 2050 vollständig auf Erneuerbare Energien umzustellen – jedoch forcieren sie dieses langfristige Ziel mit unterschiedlichem Engagement. Weder SPD noch Piraten nennen hierfür konkrete Maßnahmen, die in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden könnten. Die Grünen hingegen möchten die landeseigenen Stadtwerke, die ausschließlich Erneuerbare Energien produzieren, mit mehr Eigenkapital stärken. Zudem sollen Investitionen in Anlagen mit Erneuerbaren Energien erleichtert und Mieterstrommodelle gefördert werden.

Die Linke fokussiert den Ausbau von Photovoltaik, damit das Ziel einer Energieversorgung zu 100 Prozent aus vor allem regional erzeugten Erneuerbaren Energien erreicht werden kann. Da „bis zu 25 Prozent des Berliner Stromverbrauchs von Solaranlagen auf den Dächern der Stadt produziert werden könnte“ und es momentan weniger als ein Prozent sei, sollen auf allen geeigneten öffentlichen Gebäuden Solaranlagen installiert werden, heißt es in der Antwort der Linken auf die Wahlprüfsteine. Außerdem sollen private Eigentümer für Mieterstrommodelle gewonnen, Erneuerbare Energien im Wärmesektor gefördert und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) in öffentlichen Gebäuden installiert werden. Die CDU hat auf die Wahlprüfsteine des „Berliner Energietisches“ nicht geantwortet. Im Wahlprogramm bekennt sich die Partei zwar zu dem Ziel, Berlin bis zum Jahr 2050 zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien umzustellen – konkrete Maßnahmen dafür werden aber, bis auf den Ausbau von Stromspeichern, nicht genannt.

Wahlkampfthema Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes

Ein weiterer Wahlprüfstein umfasst die Frage, ob die Berliner Energienetze rekommunalisiert und damit zurück in die öffentliche Hand gegeben werden sollen – ein seit Jahren heißdiskutiertes Thema.

Ein Volksentscheid für die Rekommunalisierung der Energieversorgung war Ende 2013 knapp gescheitert. Nun wird die neue Regierung nach der anstehenden Wahl über das Stromnetz entscheiden. Vergangene Woche hat die Genossenschaft „Bürger Energie Berlin“ im laufenden Konzessionsverfahren ein Angebot für ein Stromnetz in Bürgerhand beim Senat eingereicht.

Die Vergabe des Netzes sollte längst geschehen sein – doch sie zieht sich. Kritiker werfen dem Senat vor, den bisherigen Betreiber Vattenfall zu bevorzugen; so seien die Vergabekriterien „für Vattenfall maßgeschneidert“, bemängelt die Genossenschaft Bürger Energie Berlin. Christine Kühnel, Sprecherin des „Berliner Energietisches, kritisiert zudem SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen, der nicht „dem Wunsch von SPD Abgeordneten folgen“ würde, indem die Vergabe lange verzögert und nun kurz vor der Wahl wieder beschleunigt werde – das weise nicht in Richtung Rekommunalisierung, so Kühnel.

Denn die Abgeordneten der SPD Fraktion fordern – genau wie Linke und Piraten – die Energienetze wieder in öffentliche Hand zu bringen, heißt es in den Wahlprüfsteinen. Auch die Grünen stehen für eine Rekommunalisierung der Stromnetze; die Wärme- und Gasnetze sollten jedoch nur zurück in die öffentliche Hand gegeben werden, wenn „die Finanzierbarkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmen“. Im Wahlprogramm der CDU heißt es lediglich, das Stromnetzkonzessionsverfahren sei „zu Ende zu führen“ – von Rekommunalisierung ist keine Rede.

In Bezug auf die Rolle der Stadtwerke führen SPD, Linke und Grüne konkrete Schritte an, wie dieses gestärkt und nicht nur als Produzent sondern auch als Energiehändler fungieren könnte. Im Wahlprogramm der CDU ist zum Thema Stadtwerke keine Stellungnahme zu finden.

Energiewende na klar, und nebenbei sozial gerecht gestalten

Auf die Frage, wie die in der Stadt bestehende Energiearmut bekämpft werden solle, antworten die Grünen vage, dass die Stadtwerke Gewinne für eine „soziale Energiewende“ nutzen und eine Energieberatung anbieten könnten. Auch die SPD erwähnt lediglich, dass die Rekommunalisierung „Handlungsspielraum“ eröffne. Die Linke liefert hierbei konkrete Antworten: Die Belastung durch steigende Strompreise solle durch eine Einschränkung der Industrierabatte, eine Senkung der Stromsteuer für private Haushalte und eine soziale Tarifgestaltung gesenkt werden. Zudem tretet die Linke, genauso wie die Piraten, für ein Verbot von Strom- und Gassperren bei Privathaushalten ein, von denen in Berlin rund 17.000 Haushalte betroffen seien.

In Bezug auf eine sozialverträgliche energetische Gebäudesanierung fordert die Linke zusätzliche Förderprogramme für bestimme Quartiere mit Milieuschutz und eine Abschaffung der Modernisierungsumlage; für eine Sanierung öffentlicher Gebäude brauche es eine „Investitionsoffensive“. Auch die Grünen wollen die Förderung aufstocken und das Mietrecht reformieren. SPD, Grüne und Linke fordern eine Absicherung einer möglichst warmmietneutralen Sanierung. Damit soll nach Abschluss einer energetischen Sanierung die Warmmiete möglichst konstant gehalten werden, da die zusätzlichen Kosten mit der Einsparung an Heizenergie und Einspeisevergütung des Stroms kompensiert werden.

Woher kommt das Geld?

Abschließend bringen SPD und Opposition Vorschläge ein, wie die Energiewende in Berlin finanziert werden könne. Die Grünen sehen eine Finanzierung je nach Schwerpunktsetzung durch einen Mix an Landes-, Bundes und EU-Mitteln sowie zinsgünstigen Darlehen gegeben. Die SPD schlägt ein Engagement der Investitionsbank vor. Grüne und Linke sind sich einig, dass sich der Kauf der Energienetze über die Dauer der erteilten Konzession über die Gewinne refinanzieren könnte.

Die AfD würde die Energiewende abschaffen

In den Umfragen für die Wahl am 18. September erhält die Berliner AfD konstant 10 Prozent – in Sachen Energiepolitik lassen sich im Wahlprogramm der Fraktion folgende Forderungen finden: Ersatzlose Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie der Energieeinsparverordnung. Mehr Wettbewerb und weniger Regulierung auf dem Energiemarkt sind das Credo der AfD für eine zukunftsfähige Energieversorgung – mit einem klimaneutralen Berlin 2050 hat das nichts zu tun.

Im Wahlkampf spielt Klimaschutz kaum eine Rolle

Insgesamt schneiden SPD und Opposition im Rahmen der Wahlprüfsteine zufriedenstellend ab: „Wir freuen uns, dass unsere Forderungen von den Parteien so stark geteilt werden“, sagt Kühnel vom Berliner Energietisch. Allerdings würden Energiepolitik und Klimaschutz kaum eine Rolle im Wahlkampf spielen. „Wenn überhaupt laufen wir Gefahr, dass Energie und Soziales gegeneinander ausgespielt werden“, sagt Kühnel und verweist auf steigende Mieten durch Gebäudesanierungen. „Dass Klimaschutz immer auch sozial ist“ und die „Ärmsten sowohl in Deutschland als auch weltweit als erste leiden und kaum ausweichen können verschweigen alle Parteien“, so Kühnel. Dabei werde vor allem die Aufgabe verfehlt, die Öffentlichkeit aufzuklären. Auch dass sich Klimaschutz nicht nur langfristig rechnet sondern schon kurzfristig für viele Bürger der Stadt sowie den Landeshauhalt eine nachhaltige finanzielle Stabilität bedeutet, spielt im Wahlkampf leider kaum eine Rolle. Sophie Schmalz

Die Wahlprüfsteine zur Berliner Energiepolitik finden Sie hier 


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