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Hitze – Hunger – Krieg?

Bäume
Kriegerische Auseinandersetzungen, gefördert durch den Klimawandel sind schon jetzt relevant und werden mehr werden. (Bild: MabelAmber / pixabay)

Militärische Krisengebiete entstehen oft dort wo die Folgen des Klimawandels am härtesten zu spüren sind. Klimawandel raubt Lebensgrundlagen und – so die These – heizt damit gewaltsame Konflikte an. Ein genauer Blick enthüllt mehr Kontext und die Verstärkungswirkung politischer Handlungsstrategien.

14.11.2016 – Wer ermordete Ekaru Loruman? Mit dieser Frage beginnt das 2011 erschienene Buch Tropic of Chaos (2013 auf Deutsch „Im Wendekreis des Chaos“), in dem der amerikanische Investigativjournalist Christian Parenti der Frage nachgeht, inwieweit Klimawandel und gewaltsame Konflikte miteinander verwoben sind. Loruman war ein kenianischer Kleinbauer, der während einer Dürreperiode von seinen Nachbarn getötet wurde, um seine Rinder zu stehlen. Parenti kommt zu dem Schluss, dass der Klimawandel in die Reihe der Verdächtigen einzureihen sei. Ebenso wie er mexikanische Jugendliche in den Drogenhandel treibt oder in Afghanistan die Taliban unterstützt. Der Autor spricht gar von „Klimakriegen“, die bald weltweite Wellen von Unruhen und Gewalt entfesseln würden. Belegt wird diese Horrorvision mit eindrucksvollen Reportagen aus den Gebieten zwischen den Wendekreisen, in die der Autor selbst gereist ist.

Klimawandel als Bedrohung der inneren Sicherheit

Mit seinen Befürchtungen steht Parenti nicht allein. Schon 2003 beauftragte das Pentagon eine Studie zum Thema Klimawandel und internationale Sicherheit. Ein Jahr später warnte Sir David King, wissenschaftlicher Chefberater der britischen Regierung, dass der Klimawandel eine gröβere Sicherheitsgefahr für die Weltgemeinschaft darstelle als der internationale Terrorismus. Eine Gruppe pensionierter amerikanischer Generäle veröffentlichte 2007 ein Papier, in dem sie den Klimawandel als eine direkte Gefahr für U.S. Sicherheitsinteressen darstellten. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) machte 2007 den Klimawandel teilweise für den Darfur-Konflikt verantwortlich. Auch der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnte 2009 vor durch den Klimawandel verursachten Aufständen und selbst der Weltklimarat IPCC erörtert diese Wahrscheinlichkeit 2014 in seinem jüngsten Bericht.

Das Argument ist dabei intuitiv: Klimawandel geht einher mit erhöhten Temperaturen, veränderten Niederschlagsbedingungen und extremen Wetterereignissen. Diese gefährden Erträge in der Landwirtschaft und die dadurch entstehende Ressourcenverknappung führt zu Konflikten, die schlieβlich auch gewaltsam ausgetragen werden.

Hitzewut oder Rohstoffkrise?

Doch ein Blick auf wissenschaftliche Studien zum Thema zeigt ein wesentlich differenzierteres Bild. Selten sind die Ergebnisse so direkt wie in einer im März in Climatic Change veröffentlichten 57-Länder Studie, zufolge derer die Mordrate mit jedem Grad Temperaturanstieg um 6 Prozent nach oben geht. Erklärt wird dies damit, dass man bei warmem Wetter öfter drauβen und damit potenziell in Gefahr sei und dass höhere Temperaturen zu mehr Aggression führten. Mit ihrem breiten Verständnis von Gewalt und ihrer globalen Perspektive ähnelt die Studie einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2013, die ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass höhere Temperatur und mehr Regen zu mehr Gewalt führe.

Ein Groβteil der aktuellen Studien fokussiert jedoch deutlicher den Ressourcenaspekt und findet dabei Zusammenhänge zwischen Klima und militärischen Konflikten, die sich vor allem über Vieh- und Lebensmittelpreise ausspielen. Typisch sind hier Untersuchungen in afrikanischen Ländern, die zeigen, dass Trockenheit, Preise und Konflikt eine kausale Kette bilden (können). Interessant ist dabei auch eine Betrachtung Indiens, in der die Autoren zeigten, dass ein dürrebedingter Rückgang in der Lebensmittelproduktion bestehende Konflikte intensiviere, da es für Kleinbauern weniger Hindernisse und mehr Gründe gäbe, sich einer Rebellion anzuschlieβen.

Der lange Blick lohnt

Problematisch ist an diesen Studien, dass sie meist über relativ kurze Zeiträume angelegt sind und damit eher Wettererscheinungen als Klimawandel abbilden.

Daher sind vor allem auch historische Ansätze einen Blick wert. Eine Analyse aus dem Jahr 2011 vergleicht Unruhen in den Tropen aus über 50 El Niño und La Niña Jahren und stellt fest, dass in El Niño Jahren die Wahrscheinlichkeit von Konflikten auf das Doppelte ansteigt. Im selben Jahr veröffentlichte eine andere Autorengruppe eine Studie Europas zwischen 1500 und 1800, die ebenfalls die Bedeutung des Klimas für gesellschaftliche Stabilität unterstreicht. Interessanterweise ist es hier jedoch eine Periode der Abkühlung, die mit Ressourcenverknappung und menschlicher Krise in Zusammenhang gebracht wird.

Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen

Rein zahlenmäβig halten sich die Artikel für und gegen einen direkten Zusammenhang zwischen Klima und Gewalt in etwa die Waage. So findet eine 2013 in Agricultural Economics veröffentlichte Studie keinen Zusammenhang und nennt diese Erkenntnis angesichts der politischen Aufmerksamkeit ernüchternd. Teilweise widersprechen sich die Ergebnisse auch komplett. Während die einen Studien zu wenig Regen als Problem thematisieren, finden andere Effekte für zu viel Niederschlag. Laut einer 2014 veröffentlichten Studie, die weltweit Länder über einen Zeitraum von 36 Jahre betrachtete, kam zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass gerade eine ausreichende Wassermenge konfliktbegünstigend sei.

Die unterschiedlichen Ergebnisse der Forschung sind leicht zu erklären, denn sie alle beziehen sich auf unterschiedliche geografische Regionen und Zeiträume, verwenden verschiedene Gewaltbegriffe und Konfliktdefinitionen sowie willkürliche Klimaindikatoren. Die gefundenen Zusammenhänge sind damit manchmal einfach der arbiträren Datenkodierung geschuldet, aber in keinem Fall geeignet, Vorhersagen für zukünftiges Geschehen zu treffen.

Mehr Kontext, bitte

Von Interesse ist, dass die „contra“ Studien einen weiteren Blick für Kontext zu haben scheinen. So finden sich zwar bisweilen Korrelationen, es wird jedoch herausgestellt, dass diese sehr schwach seien und es auβergewöhnlicher Umstände und weiterer Konfliktfaktoren bedürfe, sie tatsächlich zum Tragen zu bringen. Eine Studie zu Naturkatastrophen und politischer Unruhe in Indien fand beispielsweise einen Zusammenhang in Verbindung mit Alphabetisierung, der von den Autoren jedoch als verschwindend gering bewertet wurde. Eine weitere Studie belegte zwar einen durchschnittlichen Anstieg des Gewaltniveaus nach Naturkatastrophen, machte jedoch klar, dass dies kein guter Indikator sei, denn die groβe Mehrheit solcher Ereignisse bliebe gewaltfrei. Damit bestätigt sie andere Studien, die zwar Zusammenhänge zwischen Trockenheit und Konflikt finden, aber betonen, dass wirtschaftliche, politische, und geografische Konfliktursachen wesentlich wichtiger sind.

Ein bereits relativ komplexes Klima/Konflikt Modell stellte eine Forschergruppe schon 2008 vor: Klimawandel beeinflusst Migrationsbewegungen innerhalb einer Region sowie deren Wirtschaftlichkeitspotenzial. Kommen dann eine schwache Verwaltung, Ungerechtigkeit, und widrige Nachbarn hinzu, kann sich die Gesellschaft spalten und instabil werden, was dann im schlechtesten Fall zu bewaffneten Konflikten führen kann.

Auch neuere Studien sehen Konflikt und Klimawandel eher als einen Teufelskreis als eine klare Kausalkette; ein Phänomen verschärft jeweils das andere. Dies gilt vor allem für bestimmte Gesellschaftsgruppen in Entwicklungsländern, die durch ihre Abhängigkeit von der Landwirtschaft und den Ausschluss vom politischen System besonders gefährdet sind.

Aber einige Autoren argumentieren sogar komplett gegen die Klima/Konflikt These und erwarten eine durch die Herausforderung des Klimawandels verstärkte globale Kooperation und Konfliktbegrenzung.

Anpassung ist die Krux

Warum also die Bedenken von Sicherheitsseite? Wie so oft, wenn man auf gegensätzliche Meinungen stöβt, lohnt es, tiefer zu schauen. Dabei sind vor allem die Artikel ergiebig, die keine Zusammenhänge finden, vielleicht weil sie sich gezwungen sehen, ihr verworfenen Theorien erklären zu müssen.

Was an diesen Studien auffällt, ist immer wieder ihre explizite Stellungnahme zu politischen Strategien. Sie widerlegen nicht die Wechselbeziehung von Klimawandel und Ressourcenknappheit, sondern führen Anpassungsfähigkeit als zentrale Vermittlerposition ein. In ihrem Essay über den Bürgerkrieg in Syrien, der oft auch mit der vorhergehenden Trockenheit in Verbindung gebracht wird, argumentiert die Journalistin Franchesca de Châtel, dass nicht die Trockenheit per se ein Auslöser war, sondern eine Kombination aus der Unfähigkeit und dem Unwillen der Regierung, sich an neue Gegebenheiten anzupassen sowie der Misswirtschaft mit natürlichen Ressourcen.

Auch eine Studie aus dem Gaza Streifen zeigt, dass eine verminderte Anpassungsfähigkeit im Zuge von Klimakatastrophen als Problemverstärker wirkt. In der Tat gibt es eine Rückkopplung zwischen fehlender Anpassungsfähigkeit und Konflikt. Kommt es zu einem bewaffneten Konflikt, wird die Region geschwächt und ihre Anpassungsfähigkeit weiter vermindert.

Problematisch ist, dass traditionelle Anpassungsmechanismen wie strategische Migration, Weidepraktiken, oder konfliktarmes Wassermanagement oft durch politische Vorgaben oder Freihandelsabkommen beschnitten werden. Während traditionelle Konfliktlösungsansätze die wertvolle Ressource in den Mittelpunkt stellen und damit Streitigkeiten oft schnell lösen können, betonen formelle, westlich beeinflusste Ansätze oft die Schuldzuweisung und eskalieren damit den Konflikt.

Klimawandel nicht zur Kriegstreiberei machen

Sicher ist es nicht verkehrt, wenn die Angst vor Klimakriegen westliche Staaten dazu motiviert, mehr für den Klimaschutz zu tun. Nicht zufällig schürte Ban Ki-moon die Angst vor Aufständen gerade bevor die Welt in Kopenhagen zur Klimakonferenz zusammenkam. Ist die Idee vom Klimakrieg also nur ein Argument, das bisher skeptische Staaten wachrütteln soll, weil sie vielleicht für diese Art von Bedrohung empfänglicher sind?

Doch es ist Vorsicht geboten: Von Klimakriegen zu reden impliziert gleich auch militärische Einsätze, die nötig seien, um die eigenen Ressourcen zu schützen und Flüchtlinge abzuwehren. Die in Studien geführte Debatte ist sicher eine wichtige, doch sollte sichergestellt sein, dass es nicht nur eine weitere Agenda der nördlichen Hemisphäre ist, die benachteiligte Länder als Argument statt als Partner sieht. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Forschungsansätze wirklich die Probleme vor Ort sehen und nicht nur westliche Paradigmen und Ideologien widerspiegeln. Parenti tut dies in seinem lesenswerten Buch; hoffen wir, dass diese Information auch im Pentagon ankommt. Caterina Fox


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