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Die Meinung
28. März 2016

Gut gedacht ist nicht gut gemacht

Mehr Akzeptanz für Erneuerbare Energien durch gesetzlich verordnete Bürgerbeteiligung? Der Wille von Mecklenburg-Vorpommern ist groß, die Umsetzung leider mau.

Anatol IttenExperte für Partizipation und Konfliktmanagement 100 Prozent Erneuerbar Stiftung

Anatol IttenExperte für Partizipation und Konfliktmanagement 100 Prozent Erneuerbar Stiftung
Anatol Itten ist Experte für Partizipation und Konfliktmanagement bei der 100 Prozent Erneuerbar Stiftung in Berlin. (Foto: © A. Itten / 100 Prozent Erneuerbar Stiftung)
Anatol Itten ist Experte für Partizipation und Konfliktmanagement bei der 100 Prozent Erneuerbar Stiftung in Berlin. (Foto: © A. Itten / 100 Prozent Erneuerbar Stiftung)

28.03.2016 – Noch ist nichts in Stein gemeißelt, aber spätestens nach der öffentlichen Anhörung zum Gesetzesentwurf zur Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an Windanlagen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Januar 2016 wurde für mich deutlich, dass das Vorhaben den Terminus Bürgerbeteiligung eigentlich nicht verdient. Wenn sogar der Vertreter von Greenpeace Energy in der Anhörung die Meinung vertritt, dass sich der Konfliktausgleich innerhalb der Raumordnung „nicht daran zu richten habe, was Bürger wollen oder nicht“, dann ist klar, dass der Bürger in diesem Gesetz eigentlich nicht die primäre Rolle spielt. Er wird höchstens als abstraktes Subjekt behandelt, „dem man zeigen muss, dass es nicht nur um Kilowattstunden geht, sondern dass die regionale Wertschöpfung langfristig die Lebensqualität, trotz der Beeinträchtigungen der Windenergie verbessern kann“, so zu lesen in der Stellungnahme der Akademie für Nachhaltige Entwicklung.

Im Kern handelt es sich bei dem Gesetz um ein verpflichtendes Angebot von insgesamt 20 Prozent der Anteile einer neuen Windanlage an Anliegergemeinden und Privatpersonen im Umkreis von fünf Kilometern. Alternativ ist auch ein Sparprodukt oder eine kommunale Ausgleichszahlung möglich.

Auch wenn die meisten Energiewende-Technokraten dies nicht gerne hören, es macht einen gewaltigen Unterschied, ob Bürger nur passiv oder auch aktiv an der Energiewende vor Ort mitwirken können. Erfahrungen aus unserer Arbeit, aber auch aus vielen Windenergieprojekten in Dänemark zeigen, dass Widerstand und Proteste in der Regel geringer sind, wenn Bürger vor Ort eine Windanlage errichten, als wenn ein unbekannter Investor dies übernimmt. Umgekehrt erfahren Projekte, die stark in die lokale Bevölkerung eingebettet sind, die höchsten Zustimmungswerte auf, zeigen anderweitige Untersuchungen. Bürgerwindparks ermöglichen den Anwohnern eben auch über die Planung und Errichtung der Windanlage ein Wort mitzureden. Es liegt in der Natur ihres Zusammenschlusses bzw. in ihrer mitgliederbasierten Organisationsform, dass eine Konsultation mit den Anwohnern stattfindet, dass Pläne und Alternativen diskutiert werden und eine gemeinsame Verständigung über die Dimensionierung der Anlage vorgenommen wird. Der Effekt: Fühlen sich Bürger nicht nur gehört, sondern im besten Falle auch verstanden, ist die Bereitschaft zum Perspektivwechsel und zur Teilhabe vermutlich um einiges größer. Die Bürger werden nicht nur finanziell beteiligt, sondern auch für das Projekt mitverantwortlich.

Der Gesetzgeber in Schwerin sieht dafür aber keine Möglichkeit vor. Laut Entwurf dürfen die offerierten Anteile frühestens zwei Monate vor Inbetriebnahme der ersten Anlage ausgegeben werden. Also wenn praktisch alles in trockenen Tüchern ist. Leider blendet er aus, dass bei der Planungsphase der größte Gestaltungspielraum vorhanden ist und bei der Errichtungsphase die häufigsten Proteste zu vernehmen sind. Analysen zeigen, dass gerade dort, wo der Widerstand besonders heftig ist, Bürger am wenigsten Anteile erwerben. Warum sollte man auch in einer Situation, in der man weder mitdiskutieren noch mitwirken darf, sich seine Akzeptanz „erkaufen lassen“? Aus unserer Sicht ist das keine sinnvolle Herangehensweise für den weiteren Ausbau der Energiewende. Übrigens ist damit bereits ein Übertragungsnetzbetreiber in Schleswig-Holstein mit seiner Bürgeranleihe gescheitert.

Mecklenburg-Vorpommern könnte sich diese Erfahrung sparen. Trotzdem werden die Mitspracherechte und Mitwirkungsmöglichkeiten durch die offerierten Anteile vermutlich minimal sein. Bloß nicht zu viel Einfluss an den einfachen Bürger abgeben, der die Komplexität der Energiewelt nicht versteht, scheint die Devise zu sein.

Erstaunlicherweise liegt die Bereitschaft der Bewohner von Mecklenburg-Vorpommern zur Eigenerzeugung von Strom aber bei 83 Prozent, wie die Agentur für Erneuerbare Energien 2013 ermittelte, und zwar unabhängig ob arm oder reich. Wäre es nicht klüger, mehr aus diesem Wissen zu machen, als bloß Sparbriefe zu offerieren? Zum Beispiel mit finanzieller, rechtlicher und planerischer Unterstützung von lokalen Bürgerenergieanlagen? Oder dem Ausbau von niederschwelligen Angeboten im Energie- und Umweltengagement? Initiierung und Organisation von bottom-up Entrepreneurship in der Energiewende vor Ort, günstige Kredite für Energie-Start-ups? Wem das alles zu modern ist, wie wäre es wenigstens mit mehr Mitspracherechten? Das alles gibt es in Dänemark übrigens schon seit 2008.

Zur Info:

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns hat im Oktober 2015 einen Gesetzesentwurf zur Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an Windanlagen“ erarbeitet. Wesentliches Ziel ist es, die Akzeptanz für Windenergieanlagen zur erhöhen sowie die regionale Wertschöpfung zu steigern. Momentan befindet sich der Energieausschuss in der Beratung über die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung vom 20. Januar 2016 und in weiteren Beratungen mit den Fraktionen. Die zweite und abschließende Lesung des Entwurfs im Landtag findet voraussichtlich am 20. April 2016 statt. Danach soll eine Arbeitsgruppe zum Monitoring der Implementation und Wirkungsweise des Gesetzes eingesetzt werden.

Anatol Itten ist Experte für Partizipation und Konfliktmanagement bei der 100 Prozent Erneuerbar Stiftung in Berlin. Er promoviert an der Universität Luzern und ist zurzeit Forschungsstipendiat beim Public Mediation Programm der Universität Amsterdam.




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