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Die Meinung
15. August 2016

Heizkosten sparen in der Karibik

Das Grünbuch zur Energieeffizienz des Bundeswirtschaftsministeriums ist seit Freitag raus – und was steht drin? Efficiency First – will sagen, dass Energie sparen vor der Nutzung Erneuerbarer Energien steht. Nach der vermasselten EEG-Novelle nun der scheinbare Ausweg um die Klimaziele doch noch zu erreichen?

Nicole AlléChefredaktion energiezukunft

Nicole AlléChefredaktion energiezukunft

15.08.2016 – Ins gar nicht so entspannte und vor allem viel zu kühle Sommerloch fällt nun das Grünbuch Energieeffizienz des BMWi. In diesem Jahr hat sich Gabriel die Stärkung der Energieeffizienz vorgenommen und das mit interpretationsbedürftigen Plakaten illustriert. „Effizient ist, an den Heizkosten zu sparen. Nicht an den Reisekosten“ heißt es da beispielsweise. Das gibt Rätsel auf. Im Winter Heizung aus und dafür im Flieger mit subventioniertem Kerosin ab in die Karibik? Oder mit KfW-Mitteln das Haus warmedämmen und die in den folgenden Jahren eingesparten Heizkosten ins Reise-Sparkässle?

Das Grünbuch zur Energieeffizienz braucht die Bundesregierung, da ihre bisherigen Maßnahmen für das Erreichen der Klimaschutzziele nicht ausreichen und durch die für die Energiewende kontraproduktiven Reformen zum EEG weiter untergraben wurden. Jetzt also soll es vor allem ums Sparen gehen, nachdem man den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Bürgerenergie und damit auch die dezentrale Energiewende mit einer EEG-Rückwärtsrolle erstmal zum Erliegen gebracht hat.

Erst im Juli haben die Umweltverbände DUH und BUND die Bundesregierung bei der EU-Kommission angezeigt, dass diese die Energieeffizienzrichtlinie nicht richtig umsetze. Mit dem Grünbuch hat das BMWi nun auf 36 Seiten einen Energie-Fahrplan erstellt. Mit den bisherigen Maßnahmen allein können die ambitionierten Klimaziele nicht erreicht werden, heißt es darin. Daher sei die Devise nun Energie sparen oder effizienter nutzen. „Mit dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz haben wir für Programme zur Förderung der Energieeffizienz insgesamt 17 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2016 bis 2020 bereit gestellt – und damit erstmalig der Energieeffizienz die zentrale Rolle zugewiesen, die sie verdient. Das ist ein großer Erfolg“, lobt sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel in einer aktuellen Pressemitteilung selbst. „Energie, die wir einsparen, müssen wir nicht erzeugen, speichern, transportieren und bezahlen.“ Damit der Strom aus Wind- und Solaranlagen nicht ineffizient zum Einsatz komme, solle nun „Vorrang für Energieeffizienz“ gelten. Der Einsatz von erneuerbar erzeugtem Strom im Wärme- und Verkehrssektor als auch in der Industrie dürfe „nicht als zielgerichtetes Instrument zur Abnahme von „Überschussstrom“ missverstanden werden.“

Das mit dem Sparen ist so eine Sache, wo doch die Politik des Wirtschaftsministers bislang die Energieverschwendung auch noch belohnt: Die Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen ist bislang keine Bedingung für Unternehmen, um Rabatte auf Energiepreise zu erhalten. Auf Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung wohl auch nicht vor, daran irgendetwas zu ändern, das geht aus der Antwort auf deren Kleine Anfrage „Energieeffizienzanforderungen für Unternehmen zur Beantragung der Befreiung von Teilen der Energiekosten" hervor, berichtet die Pressestelle der Grünen. Nach echten Energieeffizienzmaßnahmen in den letzten Jahren muss man vergeblich suchen, im Gegenteil: Die lange und bis heute vergeblich geforderte steuerliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung wurde erneut unter den Teppich gekehrt und die Novelle für das Gesetz zur Kraft-Wärmekopplung zu lange verschleppt, beklagen die Grünen.

Doch jetzt soll das Energy-Efficiency-First-Prinzip ganz oben auf der Agenda stehen. Geeignetere Förderprogramme würden dazugehören, eine echte Verpflichtung zu Energieeffizienz-Standards und die tatsächlichen Integration der Energieeffizienz-Ziele in alle relevanten politischen Maßnahmen. „Ein regulatorischer Rahmen für die bessere Nutzung von industrieller oder gewerblicher Abwärme gehört ebenso dazu wie eine Reform der Energiesteuern, die auch die Klimarelevanz der einzelnen Energieträger besser berücksichtigt", fordert denn auch die Unternehmensinitiative DENEFF. In den Unternehmen schlummerten noch große erschließbare Potenziale. Vor allem müssten Verbraucher und Unternehmen endlich Planungssicherheit haben. Auch die DENEFF kritisiert, dass die Bundesregierung mit der letzten Novelle des EEG und des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes die eigenen Ziele konterkariert habe.

Doch Konzerninteressen stehen bei der Energiepolitik der Bundesregierung weiterhin im Vordergrund, indes die Zustimmung der Bevölkerung zum Ausbau Erneuerbarer Energien so groß ist wie noch nie. Die Bürger wollen mehrheitlich eine rasche Energiewende hin zu einer dezentralen, bürgernahen Energiepolitik, und sie organisieren sie längst – um die Gesetzesgrundlagen herum statt mit ihnen. Was für eine Verschwendung an positiver Energie.

Das Bundeswirtschaftsministerium startet nun die öffentliche Konsultation zum Grünbuch Energieeffizienz. Die Bürger und Unternehmen sind denn auch zur Diskussion eingeladen. In einer Online-Konsultation hätten alle interessierten BürgerInnen und alle betroffenen Kreise die Möglichkeit, bis zum 31. Oktober 2016 ihre Stellungnahmen zum BMWi-Grünbuch zu übermitteln. Dabei sind diese längst in die Debatte involviert – mit Taten statt Worten, denn die waren bislang umsonst.

Genauso wichtig wie die ökologische Energieerzeugung ist natürlich das Energiesparen. Das ließe sich in einer pluralistischen Gesellschaft aber nur schwer verordnen, hat das Umweltbundesamt nun in einer Untersuchung festgestellt. Die UBA-Studie zur Einstellung der Bundesbürger zum Energiesparen hat herausgefunden, dass insbesondere das Wohnen und die Mobilität über die persönliche CO2-Bilanz der Bundesbürger entscheiden. Und wer über mehr Geld verfügt, habe in der Regel auch eine schlechtere Ökobilanz: größere Häuser und Wohnungen, schwere Autos und mehr Fernreisen. Der Einkauf im Bioladen und energieeffiziente Haushaltsgeräte kompensieren das nicht. Doch es gebe auch ein paar positive Beispiele, und zwar die „Bewussten Durchschnittsverbraucher“ – bei denen gehe höheres Einkommen und höheres Umweltbewusstsein auch mit einem niedrigeren Gesamtenergieverbrauch einher. Sie stecken Geld in die energetische Sanierung ihrer Häuser, verzichten auf Flugreisen und kaufen Autos mit geringem CO2-Wert. Da kommt doch die aktuelle Ankündigung von VW gerade richtig, ein Elektroauto mit bis zu 600 Kilometer Reichweite auf den Markt bringen zu wollen und das zu einem Preis, der „mit gut ausgestatteten Dieselfahrzeugen“ vergleichbar sein solle. Wer in Bayern lebt kann es damit immerhin bis ins Ferienhaus in die Toscana schaffen und damit zuhause Heizkosten sparen und seine CO2-Bilanz verbessern.

Nicole Allé ist Chefredakteurin der energiezukunft und Expertin für energieeffizientes Bauen und Sanieren.




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