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Die Meinung
20. Juni 2016

Nur gemeinsam stark und sicher: Sonne, Wind und Bioenergie

Es sind oft die zuverlässigen Arbeiter im Hintergrund, die übersehen und nicht ernst genommen werden. So auch bei der Energiewende: Kaum jemand spricht von Bioenergie – und wenn, dann will man sie abschaffen. Das ist weder realistisch noch zukunftsweisend, denn die Bioenergie stellt heute ein Drittel des erneuerbaren Stroms bereit und ist dabei verlässlich und speicherbar.

Claudius da Costa GomezGeschäftsführerFachverband Biogas e.V.

Claudius da Costa GomezGeschäftsführerFachverband Biogas e.V.
Claudius da Costa Gomez ist seit April 2000 Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V. (Bild: Fachverband Biogas e. V.)
Claudius da Costa Gomez ist seit April 2000 Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V. (Bild: Fachverband Biogas e. V.)

20.06.2016 – Die Diskussion um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und damit um die Zukunft der deutschen Energiewende ist in vollem Gange. Noch in dieser Woche wird das EEG in erster Lesung im Bundestag beraten. Die Abgeordneten sind gefordert, am bestehenden Kabinettsbeschluss Korrekturen durchzusetzen, um die Bioenergie im Erneuerbaren-Mix der Zukunft zu sichern.

Für die Bioenergienutzung sah es lange Zeit sehr schlecht aus. Die Zeichen aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) waren unmissverständlich: Keine Zukunft für die Bioenergienutzung in Deutschland. Dabei hat man nicht nur der Zubau faktisch gestoppt sondern auch das Abschalten der bestehenden Anlagen schon eingeplant. Zum Glück gab es viele, die sich dieser Meinung nicht anschließen wollten. Allen voran natürlich die vielen tausend Akteure der Bioenergiebranche, die in den letzten Wochen gemeinsam mit den anderen Erneuerbaren Energien um’s Überleben gekämpft haben. Außerdem die Ministerpräsidenten einiger Bundesländer – allen voran Horst Seehofer aus Bayern – sowie das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Landwirtschaftsminister der Länder. Aber auch zahlreiche Wissenschaftler und andere Energieexperten halten die Bioenergie für eine wichtige Komponente im Energiesystem der Zukunft. Diese Unterstützung für die Bioenergie hat  politisch Widerhall gefunden.

Gemeinsam konnte jetzt zumindest ein Teilerfolg verbucht werden. Statt der vom BMWi geforderten Höchstgrenze von 100 MW soll es jetzt ab 2017 einen Zubau von 150 MW geben, der 2020 auf 200 MW steigt. Um der Rolle der Bioenergie gerecht zu werden, ist das aber immer noch zu wenig. Hier müssen die Abgeordneten im Bundestag nachbessern, damit bestehende Anlagen auch nach Ende ihrer aktuellen EEG-Förderung eine Perspektive erhalten. Zwar werden Biogasanlagen auch in Zukunft die Kilowattstunde Strom nicht so günstig erzeugen können wie die Solaranlage auf dem Dach. Aber dafür können sie immer dann Strom ins Netz einspeisen, wenn er gebraucht wird. Und wir brauchen auch in Zukunft eine verlässliche Energieversorgung.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts IWES kommt zu dem Ergebnis, dass die konsequente Biogasnutzung im Jahr 2035 zu Kosteneinsparungen von jährlich 500 Mio. Euro im Vergleich zu einer Grundlaststromproduktion führen wird. Und das mit dem Biogasanlagenpark der heute schon existiert, also ohne Zubau. Je mehr fluktuierender Wind- und Solarstrom im Netz ist, umso wertvoller wird flexibler Biogasstrom.

Aktuell erzeugen knapp 9.000 Biogasanlagen mehr als 32 Terawattstunden Strom im Jahr. Sie sind die permanenten Arbeiter im Hintergrund,  auf die man sich zu jeder Sekunde verlassen kann. Biogasanlagen sind weniger auffällig als Windräder und Solaranlagen, die man eigentlich tagtäglich irgendwo sieht. Und sie sind auch seltener mit Spitzenleistungen in den Medien, wenn mal wieder ein Sturm über das Land zieht oder - wie im letzten Jahr - der Sommer mit Rekordwerten glänzt.

Wenn die anderen powern hält sich die Biogasanlage zurück. Sie speichert das in den Fermentern erzeugte Gas – um es dann in Strom und Wärme umzuwandeln, wenn die Sonne untergegangen ist und der Sturm nachlässt. Das ist die heute schon von vielen Betreibern realisierte Zukunftsvision – auch wenn derzeit noch viel zu viel fossiler Strom im Markt ist, der verhindert, dass Biogas seine Vorteile voll ausspielen kann.

Hierfür sind im EEG noch zahlreiche Verbesserungen nötig. Die Bioenergiebranche hat sich dem Richtungswechsel in der Förderpolitik hin zu Ausschreibungen gestellt. Es müssen jedoch die Bedingungen stimmen, damit ein fairer Wettbewerb möglich ist: Anlagengröße und Einsatzstoffe müssen beim Zuschnitt der Ausschreibungen berücksichtigt werden! Sonst drohen gerade kleinere Anlagenbetreiber unter die Räder zu geraten. Durch die von uns vorgeschlagenen Korrekturfaktoren kann ein höheres Gebot in bestimmten Fällen ein niedrigeres ausstechen. Das ist gut für die Akteursvielfalt und für die Akzeptanz von Ausschreibungen als Förderinstrument.

Wie so oft im Leben werden die verlässlichen Arbeiter im Hintergrund gerne übersehen und unterschätzt. Aber das könnte fatale Folgen haben. Ohne Bioenergie wird die regenerative Energiewende nicht gelingen. Wir brauchen eine sichere, verlässliche, dezentrale erneuerbare Energiequelle.

Im Ausland hat man diese Vorteile längst erkannt. Die Nachfrage nach Vorträgen, Unterstützung und Kooperationen beim Aufbau eigener Verbände wächst kontinuierlich. Die mittlerweile sechs Mitarbeiter aus dem Referat Internationales beim Fachverband Biogas sind permanent unterwegs: von Brasilien über Mexiko, von Ghana bis Südafrika, von Malaysia bis Thailand – und natürlich in fast allen europäischen Staaten. Mit Indien besteht seit einem Jahr eine Verbändekooperation. Deutschland ist anerkannter Weltmarktführer im Bereich der Biogasnutzung, deutsches Know-How ist gefragt, deutsche Technik global zu finden.

Nur im Bundeswirtschaftsministerium scheint man diesen Vorteil nicht wahrhaben zu wollen. Ein sicherer, verlässlicher und dezentraler Anlagenpark ist dadurch ebenso in Gefahr wie 40.000 zukunftsweisende Arbeitsplätze.

Die ersten EEG-Anpassungen der Bundesregierung sind ein positives Zeichen – aber noch lange kein Durchbruch. Daher sind nun die Abgeordneten im Bundestag gefordert, um eine saubere regenerative Energieerzeugung aus den ländlichen Räumen auch künftig zu ermöglichen. Die hohe Akzeptanz Erneuerbarer Energien untermauert die Unterstützung, auf die sich die Parlamentarier vor Ort in ihren Wahlkreisen verlassen können.

Nach dem Studium der Agrarwissenschaften an der TU München-Weihenstephan und der TU Berlin promovierte Claudius da Costa Gomez am Institut für Tierphysiologie und Tierernährung der Georg August Universität in Göttingen. Ziel seiner Doktorarbeit war es, mikrobiologische Strategien zur Reduktion der Methanentstehung im Pansen zu entwickeln. In dieser Zeit und während seiner Tätigkeit als Postdoc an der Universität Gent gab es immer wieder Überschneidungen mit Fragestellungen zur gezielten Methanproduktion im Biogas-Fermenter. Im April 2000 übernahm er die Geschäftsführung des Fachverbandes Biogas e.V.




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