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Die Meinung
03. Januar 2017

Quo Vadis Europäische Energiewende?

Die EU-Kommission hat Ende November ein Paket mit Gesetzesvorschlägen zur Strukturierung des europäischen Strommarkts bis 2030 vorgelegt. Das „Winterpaket“ verspricht saubere Energie für alle Bürger. Doch was steckt dahinter und welche Debatten sollte Deutschlands Energiepolitik gegenüber Brüssel und seinen Nachbarn vorantreiben?

Rebecca BertramReferentin für Europäische EnergiewendeHeinrich-Böll-Stiftung

Rebecca BertramReferentin für Europäische EnergiewendeHeinrich-Böll-Stiftung
Rebecca Bertram ist seit Oktober 2016 Referentin für eine Europäische Energiewende in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. (Foto: Heinrich-Böll-Stiftung)
Rebecca Bertram ist seit Oktober 2016 Referentin für eine Europäische Energiewende in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. (Foto: Heinrich-Böll-Stiftung)

03.01.2017 – Am 30. November 2016 stellte die Europäische Kommission ihre Energievision 2030 vor. Bis 2030 sollen europaweit 27 Prozent der Energie aus Erneuerbaren Energien kommen, und Energieeffizienzeinsparungen 30 Prozent ausmachen. Auch sollen Kapazitätsmechanismen den Neubau von Kraftwerken begünstigen (trotz einer CO2-Austoßbeschränkung). Darüber hinaus sollen den Erneuerbaren Energien den in Deutschland bislang gewährten privilegierten Zugang im Energiesystem in Zukunft verwehrt sein.

Die Vorschläge der Kommission sind wenig ambitioniert – hinkt Europa doch schon längst den USA und China bei den Investitionen in Erneuerbare Energien deutlich hinterher. Wenn Europa also – wie von Kommissions-Präsident Juncker verkündet – die weltweite Nummer Eins der Erneuerbaren werden soll, reichen die Vorschläge seiner Behörde bei weitem nicht aus. Sie sind auch ein Zeichen für die gespaltene Einstellung der Kommission zum Ausbau von Erneuerbaren Energien in Europa: während DG Energy (Generaldirektion Energie) durchaus ambitioniertere Ziele in Erwägung gezogen hätte, bremst DG Competition (Generaldirektion Wettbewerb) die Bemühungen für eine europäische Energiewende weiter aus.

Lange waren die Pläne aus Brüssel von den Mitgliedstaaten gespannt erwartet worden: Sie sind nun die Grundlage für die europäische Energiediskussion der kommenden zwei Jahre, denn der Rat und das EU-Parlament müssen den Vorschlägen der Kommission zustimmen. Die wichtigsten Knackpunkte für eine europäische Energiewende sind:
 

  • Kraftwerke mit Emissionen über 550 Gramm CO2/kwh sollen von Kapazitätsmechanismen nicht aufgefangen werden. De facto würde dies ein Ende für neue Kohlekraftwerke in der EU bedeuten – wir dürften uns daher auf eine Auseinandersetzung hierzu mit den Kohle-Staaten der EU einstellen;
  • Fehlendes Common Rule Book bedeutet, dass es innerhalb der EU keine einheitlichen Fördermechanismen gibt. Dies kann zu einem Rückgang bei den europaweiten Investitionen für Erneuerbare führen, da jeder Mitgliedstaat seine eigenen Förderregelungen einsetzen kann; und
  • Die europäischen Energie-Ziele werden nicht mehr wie bisher auf nationale Ziele heruntergebrochen. Dies ist problematisch, denn bei verfehlten Zielen wird in 2030 nicht klar sein, wessen Versäumnis dies ist.

Gleichzeitig enthält die Vision einer europäischen Energieunion eine eindeutige Weichenstellung hin zu einem kohlenstoffarmen, nachhaltigen und sicheren Energiesystem in Europa. Dass dies nicht über Nacht passieren kann, sollte jedem klar sein. Umso wichtiger ist es deshalb, dass diese Vorschläge in den kommenden zwei Jahren in den Verhandlungen im Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten nicht weiter aufgeweicht werden.

Die Vorschläge aus Brüssel zeigen vor allem eines: Es gibt in Europa in der Erneuerbaren-Politik momentan keinen ambitionierteren gemeinsamen Nenner, auf den sich die Mitgliedsstaaten hätten verständigen können. Stattdessen verfolgen die Mitgliedstaaten weiterhin ihre rein nationalen Energieinteressen – von Kohle in Polen zu Atom in Frankreich – wie kann die EU da eine sinnvolle kohärente – und ambitionierte – Energiepolitik vorschlagen?

Energiewende-Vorreiter wie Deutschland haben es in der Vergangenheit versäumt, ihre europäischen Nachbarn auf die positiven Aspekte einer Umstrukturierung der Energiesysteme in Form von Innovation und Wirtschaftswachstum hinzuweisen. So ist es bislang nicht gelungen, in Europa eine Koalition für eine europäische Energiewende zu bilden, und nun wundert man sich über das durchwachsene Resultat aus Brüssel. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, Deutschlands anfänglicher Alleingang in der Energiepolitik und die damit einhergehenden – nicht immer positiven – Auswirkungen auf die Strommärkte unserer direkten Nachbarn sei einer der Gründe für die anspruchslosen europäischen Energievorschläge gewesen.

Wenn Deutschland also in den kommenden zwei Jahren den Prozess der jeweiligen EU-Direktiven sinnvoll beeinflussen will, sollte man sich in Berlin nicht nur auf kleinteilige Streitereien zu den Fragen der Vorrangsregelung für Erneuerbare oder Kapazitätsmechanismen konzentrieren, sondern einen Schritt zurückgehen und im engen Dialog mit den EU-Mitgliedsstaaten – auch über deren Bedenken – eine neue Erzählung der gemeinsamen europäischen Energiewende zu entwickeln, in der die Vorteile einer wirtschaftlichen Modernisierung im internationalen Wettbewerb im Vordergrund stehen. Nur so kann die Energiewende in Deutschland und in Europa gelingen!

Rebecca Bertram ist seit Oktober 2016 Referentin für eine Europäische Energiewende in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin und war zuvor fünf Jahre als Programmdirektorin für die Themen Energie und Umwelt im Washingtoner Büro verantwortlich.




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