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Die Meinung
21. September 2015

Stolperstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bioenergieversorgung

Wie lassen sich Biogasanlagen betreiben, ohne Monokulturen zu fördern und die Artenvielfalt negativ zu beeinträchtigen? Die Antwort wäre theoretisch schlicht: Man nutzt Reststoffe, die ohnehin anfallen. Doch die Politik macht es Anlagenbetreibern, die nachhaltig Bioenergie erzeugen möchten, schwer.

Marie SchollerMitarbeiterin Naturstrom AG

Marie SchollerMitarbeiterin Naturstrom AG
Marie Scholler studierte Landschaftsarchitektur. Über ein Projekt zur energetischen Reststoffverwertung von Landschaftspflegematerial kam sie zu Naturstrom, wo sie sich seitdem um die Biogasanlagen des Ökostromversorgers kümmert. (Bild: Marie Scholler)
Marie Scholler studierte Landschaftsarchitektur. Über ein Projekt zur energetischen Reststoffverwertung von Landschaftspflegematerial kam sie zu Naturstrom, wo sie sich seitdem um die Biogasanlagen des Ökostromversorgers kümmert. (Bild: Marie Scholler)

21.09.2015 – In diesen Wochen ist die Ernte für den Silomais, die am meisten genutzte Pflanze der Biogasbranche, wieder in vollem Gange. Etwa ein Drittel der gesamten Maisernte wird für die Energiegewinnung aus Biomasse verwendet. Dafür gab es einige Jahre lang eine staatliche Förderung über das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Im EEG 2009 wurde die Verwendung von Mais in Biogasanlagen mit einem besonderen Bonus gefördert, so dass die Anbauflächen von 2009 bis 2012 jährlich bundesweit zunahmen. Die Gewinnung von Energie aus eigens dafür angebauter Biomasse auf Flächen, auf denen auch Nahrungsmittel angebaut werden können und die stark zunehmenden „Maismonokulturen“ wurden immer unbeliebter und schließlich zum Politikum: die Förderung der Biogasanlagen sollte gekappt werden.

Es gibt jedoch auch andere Wege der Energiegewinnung aus Biomasse. Als ich zu Naturstrom kam, war ich begeistert davon, Energie aus Reststoffen, wie  Landschaftspflegematerial zu gewinnen. Landschaftspflegematerial ist Biomasse, die nicht zum Zweck der Biomassegewinnung angebaut wird, sondern aus anderen Gründen anfällt, beispielsweise bei der Pflege von Biotopen oder Naturschutzgebieten oder, wie in der ökologischen Landwirtschaft, beim Anbau von Kleegras zur Bodenverbesserung. Dabei handelt es sich etwa um das Mahdgut von Trocken- oder Feuchtwiesen, die ohne Mahd allmählich wieder zu Wald würden. Die Kosten für das Mähen und die Entsorgung der Biomasse, die zumeist kompostiert wird, werden heutzutage von der Allgemeinheit getragen, denn der Erhalt solcher Gebiete ist im allgemeinen Interesse. Würde die Biomasse dieser Flächen wieder in Nutzungskreisläufe eingebunden, die ihr einen monetären Wert geben, so würde damit ein messbarer Gegenwert zu den Pflegekosten entstehen. Darüber hinaus wären die Kosten für die Allgemeinheit reduziert und die Pflege der Naturschutzgebiete langfristig gesichert.

Obendrein steckt in dieser Biomasse, die außerhalb der Nahrungsmittelproduktion anfällt, Energie, die beispielsweise in Biogasanlagen genutzt werden kann. Der Energiegehalt einer Tonne Landschaftspflegematerial ist zwar deutlich niedriger als der einer Tonne Mais, es entstehen aber auch keine Anbaukosten. Es muss lediglich geerntet werden. Da es im EEG 2009 nicht nur eine Förderung für nachwachsende Rohstoffe (Nawaro) gab, sondern auch für Landschaftspflegematerial, entstanden einige Biogasanlagen mit einem Substratkonzept, das auf dem Einsatz von Landschaftspflegematerial basierte.

Eine tolle Idee: Biotope werden durch Pflege in Form einer moderaten Nutzung erhalten, die Biomasse wird energetisch genutzt und es entstehen dabei weder Monokulturen noch Konkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion. Auf diesen Überlegungen basiert auch das Substratkonzept der Biogasanlage in Hallerndorf, das Naturstrom im Jahr 2011 zusammen mit vier Bio-Landwirten aus der Region errichtete und ans Netz brachte: Hier sollte der Haupteinsatzstoff ein spezielles Landschaftspflegematerial sein: Kleegras, eine Mischung aus Klee und Gras, das in der biologischen Landwirtschaft zur Bodenpflege angebaut wird.

Biologisch wirtschaftende Betriebe sind dazu verpflichtet, im Rahmen einer vielfältigen Fruchtfolge einen Teil ihrer Ackerflächen mit Kleegras einzusäen und ein bis drei Jahre lang auf dem Acker zu lassen. Während dieser Zeit filtert Klee Stickstoff aus der Luft und lagert ihn in Knöllchen an seinen Wurzeln im Boden an. Wenn der Klee abstirbt und die Wurzelknöllchen von Bodenlebewesen zersetzt werden, wird der gesammelte Stickstoff frei und steht den nächsten Ackerkulturen als Nährstoff zur Verfügung.

Der Vorteil dieser Kulturweise ist die Schonung des Bodens und die Ersparnis beim Einsatz von mineralischem Dünger, der mit einem hohen Energieeinsatz hergestellt wird. Zusätzlich ist das Risiko geringer, dass Stickstoffüberschüsse in das Grundwasser gelangen. Der Aufwuchs von Kleegras kann als Viehfutter verwendet werden. Ackerbaubetriebe, die keine Tiere halten, wenden jedoch das sogenannte „Mulchen“ an: Blätter und Stängel werden abgeschnitten und in den Boden eingepflügt. Das ist zwar nicht schlecht und hat natürlich auch eine Düngewirkung, bei der Verrottung der Biomasse werden jedoch auch klimaaktive Gase frei und es gibt eine noch bessere Nutzung, nämlich als Rohstoff zur Bioenergieerzeugung.

Dabei wird das Kleegras gemäht und in eine Biogasanlage gegeben. Nach Durchlaufen des Gärprozesses, der mit der Verdauung  einer Kuh verglichen werden kann, werden die Gärreste auf dem Acker ausgebracht. Gärrest ist ein hochwertiger biologischer Dünger, in dem die Nährstoffe in einer für Pflanzen gut verfügbaren Form vorliegen. Auf diese Art und Weise wird der Stoffkreislauf trotz Energiegewinnung und ohne Nahrungsmittelkonkurrenz geschlossen und das Prinzip der Nachhaltigkeit an dieser Stelle erfüllt.

In der Biogasanlage Hallerndorf war die Begeisterung über das Substratkonzept groß. Heute, knapp vier Jahre später, ist die Idee vor dem Aus. Was war passiert? Im August des letzten Jahres trat das EEG 2014 in Kraft, in dem die Förderung für Strom und Gas aus Biogasanlagen so stark gekürzt worden war, dass der Zubau neuer Anlagen nahezu gestoppt wurde. Auch über bereits laufenden Anlagen werden seitdem immer neue Damoklesschwerter von drohenden Vergütungskürzungen durch geänderte Bestimmungen und strengere Auflagen gehängt.

Denn leider wurden mit dem neuen Fördersystem nicht nur die Fehler des alten behoben, nämlich eine übermäßige Förderung des Einsatzes extra angebauter Rohstoffe einzukürzen, sondern die Förderung der Energiegewinnung aus Landschaftspflegematerial wurde ebenfalls stark eingeschränkt. Im EEG 2009, dem alten System, wurde jede Kilowattstunde Strom mit einer Grundvergütung gefördert. Zusätzlich gab es verschiedene Boni für bestimmte Einsatzstoffe oder Einhaltung von Auflagen, beispielsweise für den Einsatz von Landschaftspflegematerial und auch für den Einsatz von Mais. Das Resultat war eine starke Zunahme des Maisanbaus. Unter anderem um diesen wieder einzudämmen, wurde das gesamte Bonussystem mit dem EEG 2014 gestrichen und es gibt jetzt nur noch eine Grundvergütung unabhängig von der Art der eingesetzten Rohstoffe. Auch der Bonus für den Einsatz von Landschaftspflegematerial wurde gestrichen.

Da Kleegras nicht den gleichen Energiegehalt besitzt wie Mais und höhere Anforderungen an die Anlagentechnik stellt, wurde der Bonus dringend benötigt, um die Nachteile im Produktionsprozess auszugleichen. Doch nun ist der Landschaftspflegebonus nicht nur für neue Anlagen auf dem Prüfstand, sondern auch für bestehende Anlagen, denn die Definition von Landschaftspflegematerial umfasst nur noch Biomasse, die nicht extra angebaut wird.

Kleegras wird zwar gezielt angebaut, jedoch zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und im Rahmen der Fruchtfolge. Auch wenn es nicht in einer Biogasanlage genutzt würde, würde es also angebaut werden. Nur würde die oberirdisch anfallende Biomasse gemulcht werden und die dabei durch die Verrottung entstehenden klimaaktiven Gase ungehindert in die Atmosphäre entweichen.

Was passiert nun? Die rückwirkende Kürzung von zugesicherten Boni kann für Betriebe, die in eine Biogasanlage investiert haben, existenzbedrohend sein. Die Biogasanlage muss laufen, und zwar so wirtschaftlich und effizient wie möglich. Abgesehen davon, dass dies ohnehin das Ziel jedes Anlagenbesitzers ist, ist dies nun eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit. Also geht man auf Nummer sicher, lässt den Idealismus sein und - baut Mais an. Der ist nicht zu Unrecht so weit verbreitet, denn er ist eine robuste und zuverlässige Feldfrucht. Sind die Pflanzen einmal so groß geworden, dass sie vier oder fünf Blätter haben, erlangen sie auch die Erntereife – mit Ausnahme von ausgeprägten Trockenzeiten wie in manchen Landstrichen in diesem Sommer. Der Energiegehalt ist hoch, die Anbau- und Erntetechnik hat sich bewährt und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist das beste, das es für Biogasanlagen gibt.

Im Herbst 2014 gab es bundesweit etwa 180 Biogasanlagen von Ökobetrieben, die fast alle nach EEG 2009 gebaut wurden. Sie alle stehen jetzt vor diesem Problem. Für den Einsatz von Kleegras gibt es womöglich bald keinen Bonus mehr, der den höheren Aufwand beim Ernten und den geringeren Energiegehalt ausgleichen könnte. Also Mais anbauen?

Der ökologische Anbau von Mais ist ein Verlustgeschäft, wenn die Biomasse anschließend in einer Biogasanlage vergoren wird, da die Anbaukosten in der ökologischen Landwirtschaft allgemein höher sind und der Ertrag geringer als in der konventionellen Landwirtschaft. Die Vergütung für den Strom ist immer gleich hoch, egal ob die Einsatzstoffe biologisch oder konventionell erzeugt wurden. Wenn große Mengen an konventionellem Mais in eine Biogasanlage gefüttert werden, darf der Gärrest anschließend nicht mehr auf Bio-Äckern ausgebracht werden. Folglich kann es sogar passieren, dass landwirtschaftliche Betriebe wieder auf konventionelle Landwirtschaft umstellen und Mais anbauen. Die Konsequenzen: Erhöhter Pestizideinsatz, verstärkte Bodenerosion und Artenverarmung. Das betrifft aber nicht nur den Landwirt selbst, sondern auch den Erholungssuchenden, der dann nicht mehr zwischen wiesenartigen Kleegrasflächen spazieren geht und seinen Blick in die Ferne schweifen lassen kann, sondern der sich dann durch Tunnel von Mais bewegt. Außerdem rückt damit auch das Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, eine signifikante Erhöhung der biologisch bewirtschafteten Ackerfläche zu erreichen, in weite Ferne, wenn Bio-Landwirtschaften ihre Wirtschaftsweise aufgrund getätigter Investitionen in Biogasanlagen auf konventionelle Landwirtschaft umstellen.

In der gesellschaftlichen Diskussion, die der Gesetzesänderung vorausging, wurde wiederholt der Mais angeprangert, die „Vermaisung der Landschaft“ wurde häufig thematisiert. Im EEG 2014 wurde sein Einsatz in Biogasanlagen auf 60 Prozent eingeschränkt. Das ist weniger als vorher erlaubt war, doch leider wurde mit der Streichung des Landschaftspflegebonus sämtlichen alternativen Ideen zur Bioenergieerzeugung das Wasser abgegraben und es ist die Frage, wie lange die wenigen verbliebenen Projekte mit ihrem ökologisch hochwertigeren Konzept einen wirtschaftlichen Betrieb darstellen können.

Die 180 Biogasanlagen ökologischer Betriebe sind sicherlich nicht systemrelevant. Schade ist es aber dennoch, dass der Ansatz einer nachhaltigen Energiegewinnung aus Biomasse, der im EEG 2009 so trefflich formuliert worden war und der durch seinen ökologischen Mehrwert auch für die Allgemeinheit interessant ist, nun vor unüberwindbare wirtschaftliche Hürden gestellt wird. Im Endeffekt kann es sogar passieren, dass gerade durch diese Gesetzesänderung der Maisanbau für Biogasanlagen nochmals zunimmt, nämlich durch die ehemaligen Kleegrasäcker ehemaliger Biobetriebe, auf denen dann Mais angebaut wird, um die bereits gebauten Biogasanlagen zu finanzieren.

Marie Scholler studierte Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität München, (Weihenstephan). Über ein Projekt zur energetischen Reststoffverwertung von Landschaftspflegematerial kam sie zu Naturstrom, wo sie sich seitdem um die Biogasanlagen des Ökostromversorgers kümmert.




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