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Nachgefragt
15. Mai 2017

„Das gesamte System Elektromobilität entwickeln“

Seit 2010 laufen die Fäden in Sachen Elektromobilität in Baden-Württemberg bei der Landesagentur e-mobil BW zusammen. Geschäftsführer Franz Loogen spricht über Erfolge, Herausforderungen und Aufgabenschwerpunkte. Stuttgart verfügt über die dichteste Ladeinfrastruktur einer Kommune in Deutschland.

Franz Loogen ist Geschäftsführer bei der Landesagentur e-mobil BW.  (Foto: hcn)
Franz Loogen ist Geschäftsführer bei der Landesagentur e-mobil BW. (Foto: hcn)

15.05.2017 – Herr Loogen, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer prägen die baden-württembergische Wirtschaft wie kaum ein anderes Bundesland. Ist dies eher eine Hürde oder Chance für die Umstellung auf Elektromobilität?

Ganz klar eine Chance! Das große Know-how und das Wissen unserer Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind extrem wertvoll, um Innovationen für die Elektromobilität voranzutreiben. Aus vielen Projekten, die wir betreut haben, und geführten Gesprächen wird deutlich, dass die Unternehmen den Wandel engagiert angehen und ihre Kompetenzen zunehmend auch auf elektromobile Lösungen anwenden. Viele haben bereits ihr Portfolio erweitert. Nehmen Sie das Beispiel Mahle: Vor wenigen Jahren noch allein vom Kolben abhängig, hat sich das Unternehmen – teils auch durch Zukäufe – fit für die Elektromobilität gemacht und hat beispielsweise mit intelligenten Lösungen für Heizen und Kühlen wichtige Themen von E-Fahrzeugen im Sortiment.

Wo steht die Elektromobilität heute im Südwesten? Welche Wegstrecke hat das Land hierbei noch vor sich?

Es konnte schon einiges erreicht werden. Förderprogramme des Bundes wie der „Spitzenclusterwettbewerb“ und das „Schaufenster Elektromobilität“ haben wichtige Impulse gesetzt, um die Elektromobilität sichtbar voranzutreiben. Stuttgart hat mit über 500 öffentlichen Ladepunkten die dichteste Ladeinfrastruktur einer Kommune in Deutschland. Vom Hybridbus im Linienverkehr über elektrische Flugzeugschlepper auf dem Vorfeld bis hin zum emissionsfreiem Lieferverkehr und die Einbindung ins Energiesystem wurden verschiedenste Anwendungen der Elektromobilität in der Praxis erforscht und die Alltagstauglichkeit unter Beweis gestellt. Um der Elektromobilität Made in Baden-Württemberg weltweit zum Durchbruch zu verhelfen, müssen wir weit über Fragen des reinen Fahrzeuges hinausdenken. Es geht darum, das gesamte System Elektromobilität zu entwickeln und die richtigen Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle marktfähig zu machen.

Welche Aufgaben nimmt die e-mobil BW hierbei vor allem wahr?

Die e-mobil BW gestaltet als Innovationsagentur des Landes Baden-Württemberg aktiv die Etablierung des Systems Elektromobilität. Sie unterstützt die Energiewende und treibt im Netzwerk mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand die Industrialisierung und Markteinführung zukunftsfähiger Mobilitätslösungen voran. Wir sind eine unabhängige GmbH, die jedoch zu 100 Prozent vom Land finanziert ist, und arbeiten sechs Landesministerien zu. Das zeigt: Elektromobilität ist ein Querschnittsthema, das viele Lebensbereiche beeinflusst. Eine wichtige Funktion, die wir wahrnehmen ist es, möglichst viele Förderprojekte für Baden-Württemberg im Bereich E-Mobilität zu initiieren. Hierzu prüfen wir laufend Ausschreibungen auf Bundes- und auch EU-Ebene. Wir machen Partner aus unserem Netzwerk darauf aufmerksam, helfen bei der Antragsstellung und bei der Zusammenstellung von Konsortien, um Projekte auf den Weg zu bringen. Einen großen Mehrwert den wir bieten können, ist unsere neutralen Informationsangebote, gerade auch für kleinere Akteure und Institutionen.

Ist hierbei die Netzwerkarbeit zentral?

Wenn wir nicht in Netzwerken denken würden und nicht Netzwerke nutzen würden, wären wir mit unseren 16 Mitarbeitern nicht schlagkräftig genug. Wir wollen die Kräfte bündeln und durch gute Netzwerkarbeit Kräfte entfesseln. Zentral dabei sind unser beiden Cluster „Elektromobilität Süd-West“ und „Brennstoffzelle BW“, in denen mehr als 150 Akteure aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenarbeiten. Auch mit den Gemeinden und Landkreisen, regionalen Energieagenturen, Verbänden und Bürgergruppen zusammen sind wir im Austausch. Natürlich müssen wir bei dieser Bandbreite auch klar Prioritäten setzen und uns auf die Projekte mit den größten Erfolgsaussichten konzentrieren.

In welchem Umfang konnten Sie denn durch ihre Beratungsleistung schon Fördermittel für Elektromobilität in Baden-Württemberg einwerben?

Insgesamt konnte unser Netzwerk seit unserer Gründung im Jahr 2010 schon weit über 100 Millionen Euro für die Projektförderung in Baden-Württemberg gewinnen. So allein für das Spitzencluster Elektromobilität Süd-West und für das Schaufenster Elektromobilität Baden-Württemberg je 40 Millionen Euro. Doch wir schauen nicht nur auf die Millionenbeträge, sondern sind vor allem daran interessiert, unsere Partner in einem nachhaltigen Netzwerk zu begleiten.

Gibt es denn schon erste Geschäftsmodelle, die sich aus geförderten Projekten am Markt entwickelt haben?

Ein Beispiel ist die Polygo Card des VVS Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart. Sie entstand aus dem Schaufenster-Forschungsprojekt Stuttgart Services und ist seit dem Juni vergangenen Jahres am Markt. Über 200.000 Kunden nutzen bereits diese neue Mobilitätskarte, mit der auch E-Autos oder E-Bikes ausgeliehen werden können. Dazu kommt eine Bezahlfunktion an E-Ladesäulen und der Zugang zu weiteren städtischen Serviceangeboten. Auch Stadtwerke wie in Schwäbisch Gmünd, mit denen wir seit Jahren intensiv zusammenarbeiten, haben den Betrieb von Ladesäulen als Geschäftsmodell entdeckt und sind gerade dabei, entsprechende Angebote auf den Markt zu bringen.

Im vergangenen Herbst führten Sie ja zusammen mit dem Gemeindetag Baden-Württemberg gut besuchte Kommunalworkshops zur Elektromobilität durch. Haben Bürgermeister den Ball für konkrete Aktivitäten aufgegriffen?

Ja, es gibt eine Reihe von Folgeaktivitäten, die sich aus unserer Workshop-Reihe ergeben haben. So ist beispielsweise die Gemeinde Gärtringen im Landkreis Böblingen dabei, ein Mobilitätskonzept zu erstellen, das wir zusammen mit der Universität Stuttgart betreuen. Ein Schwerpunkt soll bei der verbesserten Integration von E-Mobilität und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur liegen.

Welche Projekte und Veranstaltungen stehen denn bei Ihnen in nächster Zeit an?

Im Oktober steht die EVS30 „International Electric Vehicle Symposium & Exhibition“ in Stuttgart an, zu der wir mehrere Tausend internationale Fachbesucher erwarten.

Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein.


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Eitel Heck 19.05.2017, 19:51:29

+280 Gut Antworten

In dem Artikel wird auf die Elektromobilitöt Süd-West und die Brennstoffzelle BW hingewiesen.

Aus dem Interview ist für mich nicht eindeutig erkennbar, welches konkrete Ziel der Elektromobiltät bzw. der Mobilität auf Basis Wasserstoff-Brennzellen angestrebt wird.

Welche Entwicklungsrichtung ist favorisiert?

E-Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeuge mit Wasserstoff-Brennzellen.

Die Perspektive von Elektroautos mit Lithium-Ionen-Batterien ist nicht unumstritten.

Welche Chance haben:

-E-Kraftfahrzeuge mit Solarbatterien?

-E-Kraftfahzeuge mit Flüssigkeitsbatterien?

E-Fahrzeuge mit Flashbattery-Technologie.

Batterieprinzip: Nanoteilchen werden mit speziellen organischen Verbindungen kombiniert.


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