Menü öffnen

Energie-Effizienz und Umweltbildung erfolgreich verknüpft

(Foto: © Köpfchen statt Kohle)
(Foto: © Köpfchen statt Kohle)

In Berlin zieht ein besonderes Projekt Bilanz: Im Bezirk Pankow verbindet „Köpfchen statt Kohle“ Energieeinsparung an Schulen mit praktischem und forschendem Lernen von Kindern. Dabei werden nicht nur Aufgaben erfüllt, für die es kein Personal gibt, sondern oft auch andere Energiethemen berührt.

13.06.2016 – „Wir hätten vor sechs Jahren nie gedacht, was alles möglich wäre, wenn man die Verbesserung der Energieeffizienz in die Hände von Schülern und Lehrkräften legt“, sagt Christine Keil. Keil ist die Jugend- und Baustadträtin des Berliner Bezirks Pankow und zusammen mit der Schulstadträtin für das Projekt „Köpfchen statt Kohle“ verantwortlich. Bei diesem 2010 begonnenen Projekt werden Kinder und Jugendliche zu „Energiemanagern“ gemacht. Sie lernen in Wahlkursen (die an manchen Schulen schon zum Wahlpflichtbereich gehören) etwas über Energieproduktion und Heizungssysteme und machen sogar eine kleine Prüfung – vor allem aber werden sie an der eigenen Schule aktiv.

Heizungen sind oft nicht richtig eingestellt oder kaputt. Fenster und Wände sind manchmal nicht richtig dicht. Um all das festzustellen oder zu korrigieren bräuchte es viel mehr Personal, das den Hausmeistern hilft. Da es dieses viele Personal wohl nie geben wird, werden die Schülerinnen und Schüler aktiv. Sie lernen, Heizungsventile zu überprüfen, Heizzeiten für unterschiedliche Räume individuell per Computer einzustellen und Fotos mit einer Wärmebildkamera zu machen, die dann Wärmelecks an Fenstern und Wänden sichtbar machen. Auch Stromverschwendungen gehen sie nach. Oft führt die Arbeit der „Energiemanager“ dazu, dass an die Bezirksverwaltung Anträge für Neuanschaffungen oder Reparaturen geschickt werden.

Bei „Köpfchen statt Kohle“ haben Kinder und Jugendliche schon unglaubliche Energieverschwendungen aufgespürt, wie energiezukunft schon 2015 berichtet hat. Dabei machen sie nicht nur Arbeiten, für die es kein Personal gibt, sondern sie lernen auch mit Spaß. Der praktische Ansatz dürfte einen größeren Lerneffekt haben als rein theoretische Umweltbildung.

Zu diesem Ansatz kam es, weil das vielerorts angewandte 50-50-Modell unbefriedigend war, erzählt Christine Keil. Beim 50-50-Modell bekommen die Schulen die Hälfte der jeweiligen Einsparungen ausbezahlt. „Das hat sich aber nicht bewährt“, sagt Keil, die von 2002 bis 2006 Pankows Schulstadträtin war und sich damals schon mit dem Thema Energiesparen an Schulen beschäftigte. „Erstens sind die Einsparungen schwer zu messen – Was nimmt man als Ausgangsbasis? – und zweitens haben die Schulen unterschiedliche Möglichkeiten, überhaupt erfolgreich zu sein. Wenn die Fenster undicht sind, oder die Heizungsanlage falsch eingestellt ist, dann können die Schüler das ja nicht beeinflussen. Das Bezirksamt hat deshalb entschieden, die technische und die pädagogische Seite zu trennen.“

Die pädagogische Betreuung macht die Beratungsfirma Stratum. Alleine das kostet den Bezirk 58.000 Euro pro Jahr. Mit diesem Geld kann Stratum zwar nur an 17 der 68 Schulen des Bezirks die Kurse durchführen, eine Ausweitung des Programms ist aber laut Keil derzeit finanziell nicht möglich. Die technischen Arbeiten übernimmt eine andere Firma. Sie beseitigt auch Missstände, die die Kinder und Jugendlichen an ihren Schulen festgestellt haben.

Dass die „Energiemanager“ wichtige Arbeiten ausführen, für die es kein Personal gibt, bestreitet Christine Keil nicht. „Aber gerade das Interesse für das eigene Umfeld, für eine kleinteilige Arbeit, die jemand anderer gar nicht machen könnte, bewirkt den Effekt“, hält die Linke-Politikerin fest. „Nur weil die Schüler permanent in den Räumen sind, können sie das so präzise leisten.“
An dieser „Nutzerschnittstelle“ entscheide sich, ob eine mögliche Effizienz realisiert wird. „Wir haben zum Beispiel eine Schule komplett mit einem Informationssystem zur Raumluftqualität ausgerüstet, um Lehrkräften Anhaltspunkte für effektives Lüften zu geben. Das Ergebnis: Nach Lehrerprotesten wurde das System abgeschaltet. Ich traue mich zu sagen: Wenn das eine 'Köpfchen-statt-Kohle'-Schule gewesen wäre, wäre das nicht passiert.“

Denn mittlerweile geht es in dem Projekt auch ums richtige Lüften der Klassenräume. Wenn erst lange gar nicht und dann massiv gelüftet wird, geht viel Wärme verloren. Zu viel Kohlendioxid in der Luft beeinträchtigt zudem die Konzentrationsfähigkeit. Deshalb werden bei „Köpfchen statt Kohle“ Geräte aufgestellt, die die Kohlendioxid-Konzentration messen. „Wenn es zu viel ist, dann geben die Geräte ein Signal“, erklärt der 12-jährige Lennart von der „Grundschule unter den Bäumen“. „Dann muss man die Fenster aufmachen.“ Aber auch Lennart berichtet von renitenten Lehrkräften: „Manche Lehrer haben den Stecker rausgezogen, wenn es gestört hat, und dadurch hatte man ein unvollständiges Diagramm.“

Die Hauptursache für Energieverschwendung sind falsch eingestellte Heizungsanlagen, sagt Richard Häusler von Stratum. Zudem könne oft die Raumtemperatur gesenkt werden: „20 Grad ist eine Normtemperatur für Klassenräume, die müsste ausreichen. Zum Teil werden 22 Grad eingestellt. Wir wissen aber, dass wir mit jedem Grad sechs Prozent Heizleistung einsparen.“ Die von „Energiemanagern“ bearbeiteten Diagramme mit den Messwerten der Raumtemperatur im Tagesverlauf sorgen auch dafür, dass Heizungen früher abgeschaltet werden. „Die „Energiemanager“ sehen, wie ein Raum auskühlt und sagen dann: Die Heizung muss gar nicht so lange laufen, das Auskühlen ist kaum merklich“, erklärt Häusler. Eine wichtige Errungenschaft sind für ihn die zunehmend eingebauten Heizungen mit individueller Raumsteuerung per Computer. „Manche Schulen haben durch sie zwischen 10.000 und 20.000 Heizstunden pro Heizperiode eingespart“, hält er fest.

Von Einsparungen von rund sechs Prozent berichtet Christine Keil. „Das Projekt hat auch den Vorteil, dass alle anderen Schulen davon profitieren“, sagt sie und nennt als Beispiel das „Energiezentrum“ in der Robert-Havemann-Oberschule. In dieser Lernwerkstatt werden „Energiegewinnung und Energieverbrauch für die Kinder erlebbar gemacht“, wie die Stadträtin sagt. Auch Fortbildungen für Lehrkräfte finden dort statt. Das „Energiezentrum“ wurde 2014 bei „Klima & Co“, „Deutschlands höchstdotiertem Energiesparwettbewerb für Schulen“, mit 10.000 Euro ausgezeichnet. Auch andere Auszeichnungen hat „Köpfchen statt Kohle“ schon erhalten. Das Projekt hat Christine Keil zufolge schon über 1.000 Kinder und Jugendliche zu „Energiemanagern“ ausgebildet.

Diesen Montag ziehen Christine Keil und die Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz öffentlich und in Anwesenheit von beteiligten Kindern eine Zwischenbilanz für „Köpfchen statt Kohle“: 15 bis 17 Uhr im Raatssaal des Pankower Rathauses, Breite Straße 24a-26, 13187 Berlin. Ralf Hutter


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft