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Sonne im Griff: Solarstrom optimal nutzen

Auf Wohnhäusern produzierter Solarstrom kann, in Batterien oder Elektroautos zwischengespeichert, Stromsenken im Netz ausgleichen und damit die Netzausbaukosten zu senken. (Foto: <a href=" https://flic.kr/p/oSNPqX" target="_blank">© wallheater / flickr.
Auf Wohnhäusern produzierter Solarstrom kann, in Batterien oder Elektroautos zwischengespeichert, Stromsenken im Netz ausgleichen und damit die Netzausbaukosten zu senken. (Foto: © wallheater / flickr.com , CC BY 2.0)

Der Ausbau der Photovoltaik ließe sich problemlos ohne Gefahr für das Stromnetz fortsetzen – indem Solaranlagen stärker mit Batteriespeichern, Elektromobilen und Wärmepumpen gekoppelt werden. Die Heimspeicher könnten so eine Schlüsselrolle bei der Zwischenspeicherung von Solarstrom einnehmen.

18.10.2016 – Mit Batteriespeichern, die mit Photovoltaikanlagen kombiniert werden, können Hausbesitzer lediglich ihren solaren Eigenverbrauch steigern. Um die Stabilität des Stromnetzes sicherzustellen, sind die Geräte dagegen ungeeignet. Diese weit verbreitete Annahme muss offensichtlich revidiert werden: Nach einer Studie der Marktforschungsfirma Prognos ließen sich durch den Einsatz von Solarbatterien allein in Süddeutschland, der Region mit den bundesweit meisten Photovoltaik-anlagen, die Netzausbaukosten um mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr reduzieren. Denn danach bringen Speicher mittlerweile die technischen Voraussetzungen mit, Wetter- und Verbrauchsdaten automatisch abzugleichen und die Solarenergie netzoptimiert einzuspeisen. Dadurch könnten Einspeisespitzen zur Mittagszeit vermieden und der Bedarf für den sonst notwendigen Netzausbau signifikant gesenkt werden, heißt es in der Studie.

Für die Branche ist das eine gute Nachricht. Denn zum einen kann sie damit widerlegen, dass ein starker Solarausbau mit überbordenden Kosten verbunden ist. Zum anderen bieten solare Kleinspeicher eine relativ einfache technische Möglichkeit, die Photovoltaik flexibel an die Situation im Netz anzupassen: Herrscht ein Stromüberangebot, halten die Akkus den Sonnenstrom solange zurück, bis dieser benötigt wird.

Damit muss sich die Solarindustrie vorerst keine großen Gedanken über die Entwicklung alternativer, aufwendiger Speichermethoden wie etwa der Power-to-Gas-Technik machen, bei der Stromüberschüsse mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt werden. „Szenarien zeigen: Selbst wenn bei steigendem Photovoltaikanteil künftig mehr Solarstrom zwischengespeichert werden muss, lässt sich das Problem in den Griff kriegen. Home Storage kann dabei eine Schlüsselrolle spielen“, sagt der Wissenschaftler Raphael Niepelt vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln.

Die Anbieter von Heimspeichern entwickeln deshalb Geschäftsmodelle, die über den reinen privaten Eigenverbrauch hinausgehen und einen breiten Einsatz ihrer Technik ermöglichen. Wer Solarstrom vom eigenen Dach direkt selbst nutzt, erreicht ohne Zwischenspeicherung eine Eigenverbrauchsquote von etwa 30 Prozent. Mit einem Kellerspeicher sind 70 bis 80 Prozent möglich.

Die Leipziger Firma Senec hat nun nach eigenen Angaben ein Konzept entwickelt, das 100 Prozent Autarkie ermöglicht. Hierfür verknüpft es seine Heimakkus in 500 Haushalten virtuell. Den Solarstrom, den der Betreiber nicht selbst verbraucht oder in seinen Speicher lädt, übergibt er der „Senec Cloud“, die gewissermaßen als übergeordneter Zwischenspeicher fungiert und den Strom zu einem anderen Zeitpunkt zurückliefert. Wer innerhalb eines Jahres bilanziell weniger Strom verbraucht, als er eingespeist hat, bekommt diesen in der Höhe abgerechnet, in der dafür ohne Cloud die gängige solare Einspeisevergütung gezahlt würde – also aktuell rund zwölf Cent pro Kilowattstunde. Wer mehr verbraucht als er eingespeist hat, zahlt 29 Cent. Das entspricht etwa den gängigen Tarifen für Haushaltsstrom aus der Steckdose.

Solarstrom aus der Cloud

In eine ähnliche Richtung geht das neue Konzept des Speicherspezialisten Sonnen. Er vernetzt 2000 Akkus zu einem virtuellen Speicher, der bei Bedarf kurzfristig Energie aus dem Netz aufnehmen und wieder abgeben kann. Mit dieser Regelenergie können die Übertragungsnetzbetreiber Schwankungen in Stromerzeugung und Verbrauch ausgleichen und so das Netz stabilisieren. Im Gegenzug erhält Sonnen eine Vergütung für die Bereitstellung des Batterie-Pools. Mit dem Geld finanziert das Unternehmen eine Art Strom-Flatrate für Mitglieder der sogenannten Sonnen-Community. „Besitzer einer Sonnen-Batterie erzeugen bereits einen großen Teil ihres benötigten Stroms selbst. Wer darüber hinaus Kilowattstunden verbraucht, zahlt dafür keinen Cent mehr“, sagt Philipp Schröder, Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing bei Sonnen. Außerdem würden durch Bündelung der Sonnenbatterien die Kosten für den Netzausbau reduziert.

Auch Solaranbieter IBC Solar setzt bei der Flexibilisierung der Solarenergie auf Batteriespeicher, testet dafür allerdings auch leistungsstärkere Anlagen. „Wir sehen in Großspeichern einen zentralen Baustein der Energiewende“, sagt Projektmanager Sebastian Geier. So hat das Unternehmen zuletzt im Rahmen des Forschungsprojekts Smart Grid Solar unter Federführung des Forschungsinstituts ZAE Bayern in Hof-Epplas einen Quartiersspeicher mit 330 Kilowattstunden Speicherkapazität installiert.

Dieser soll die bei der Einspeisung des örtlich erzeugten Solarstroms auftretenden Belastungen im Niederspannungsnetz regulieren. Das Besondere an dem Standort Epplas ist, dass auf 16 Haushalte 13 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 287 Kilowatt kommen. Die Auswirkungen auf das Netz werden über intelligente Stromzähler in den Haushalten erfasst und an die Hochschule Hof weitergeleitet, wo die Daten ausgewertet werden.

Die ersten Erfahrungen sind vielversprechend: „Unser Speicher wurde so dimensioniert, dass die Einspeisespitzen oberhalb einer definierten Leistung zwischengespeichert werden. So wird ein weiterer Zubau von Photovoltaik im Niederspannungsnetz ermöglicht, ohne dass dieses ausgebaut werden muss“, sagt Geier.

Während die Unternehmen zur Austarierung der Photovoltaik auf Speicher setzen, wollen die Stadtwerke Wolfhagen hierfür zunächst das sogenannte Lastmanagement erproben. Rein rechnerisch versorgt sich die Stadt bereits seit 2015 vollständig mit Strom aus eigenen Solaranlagen und Windturbinen. Nun ist geplant, auch die tatsächliche Erzeugung auf 90 Prozent zu erhöhen und dafür Erzeugung und Verbrauch so gut wie möglich regional auszugleichen.

„Wir wollen die Rolle einer Energiezelle übernehmen“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Martin Rühl. Zu diesem Zweck haben die Stadtwerke Elektrogeräte in Haushalten mit intelligenter Steuerungselektronik ausgestattet und variable Tarife entwickelt, die Anreize für einen angebotsorientierten Stromverbrauch setzen sollen. Anhand von präzisen Wetterprognosen ermitteln die Stadtwerke, wann in den kommenden 24 Stunden viel Strom aus Wind und Sonne verfügbar ist. In Zeiten großen Stromangebots bieten sie die Energie zum günstigsten Preis an. Ein Computer berechnet die Tarife und überträgt die Daten an Optimierungsrechner in den teilnehmenden Haushalten. Dieser steuert die Haushaltsgeräte so, dass sie dann in Betrieb gehen, wenn die Kilowattstunde nur wenig kostet.

Künftig sollen in Wolfhagen stärker auch Elektromobile in das Lastmanagement eingebunden werden. Experten sehen hierin einen weiteren vielversprechenden Ansatz, um die Solarenergie zu flexibilisieren. „Es ist wichtig, Systeme zu entwickeln, die ein gesteuertes Laden von Elektrofahrzeugen ermöglichen. Diese Maßnahmen sollte man heute schon angehen“, sagt Hans-Christian Gils vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Sonnenenergie tanken

Genau hierauf zielen unter anderem der Solaranbieter Solarwatt und Autokonzern BMW ab. Solarwatt bietet als Ergänzung zu seinen Solaranlagen die von BMW entwickelte Ladestation BMW i Wallbox an, mit der Besitzer eines Elektromobils ihr Fahrzeug direkt mit selbst erzeugtem Solarstrom betanken können. So funktioniert der Ladedienst: Wird mehr Sonnenenergie produziert als im Haushalt verbraucht werden kann, belädt die Wallbox das Auto. Sie ist nicht viel größer als ein Koffer und lässt sich einfach an der Wand der Garage oder des Carports installieren. Ein intelligentes Managementsystem sorgt für den Abgleich von Hausstromversorgung und dem Ladestrom für das Elektrofahrzeug.

Es ist außerdem in der Lage, tageszeitabhängige, dynamische Stromtarife zu erkennen und so Überschüsse aus dem Netz zu ziehen. Zumindest theoretisch. Denn Voraussetzung für diese Funktion ist, dass die Stromanbieter zeitvariable Ladetarife entwickeln, die einen Anreiz zum Tanken bieten. Diese fehlen bisher. Auch die beiden verbliebenen deutschen Solarkonzerne Solarworld und SMA setzen auf die Sektorenkopplung. „In der nächsten Generation der Solartechnik geht es nicht mehr nur um die Herstellung, sondern um die intelligente Nutzung, Speicherung und Kopplung des Solarstroms, zum Beispiel mit Wärme oder Elektromobilität“, sagt Solarworld-Forschungschef Holger Neuhaus.

Das Unternehmen kooperiert deshalb unter anderem mit Batteriehersteller Sonnen. Zusammen entwickeln sie ein auf den Bedarf privater Haushalte zugeschnittenes Komplettpaket für Speicher und Photovoltaik, für das Solarworld die Module und die intelligente Lösung zur Steuerung von Verbrauch, Speicher und Umwandlung von Solarstrom in Wärme mittels Wärmepumpe liefert. Wechselrichterspezialist SMA arbeitet ebenfalls daran, Wärmepumpen in seine Systeme zu integrieren, die überschüssigen Solarstrom zum Heizen nutzen statt ihn in Batterien zu leiten.

Das funktioniert, indem eine in den Wechselrichter integrierte Regelung der Wärmepumpe das Signal gibt anzuspringen. Sie verwendet dann den Strom, um der Umgebung Wärme zu entziehen. Das gelingt sehr effizient: Aus einem Kilowatt elektrischer Antriebsleistung erzeugen Wärmepumpen drei bis vier Kilowatt Wärme. Was nicht sofort für die Warmwasserbereitung oder die Heizung verbraucht wird, kann in einem thermischen Speicher aufbewahrt werden.

Um das Thema zu forcieren, kooperiert SMA unter anderem mit den Heiztechnikfirmen Stiebel Eltron und Vaillant, um ihre Systeme kommunikationstechnisch aufeinander abzustimmen. Solarspitzen lassen sich auf vielen naheliegenden Wegen abfedern.

Sascha Rentzing (neue energie, Ausgabe Nr. 10/2016, S.58-61)


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