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Erneuerbare am Bosporus im Aufschwung

Aufgrund des enormen Investitionsbedarfs im Energiesektor, reichlich Sonne und Wind sowie einem ehrgeizigen Nationalen Ausbauplan gilt die Türkei als ein wichtiger Zukunftsmarkt für Erneuerbare Energien. Für dieses Jahr wird ein starkes Wachstum erwartet.

27.01.2016 – „An Wintertagen ist das leider oft so“, sagt Can Sözen, Chef des Solargroßhändlers Zenit Energji und runzelt die Stirn. Eine gelbliche Dunstglocke hängt über der Bucht von Izmir, die mit 4,1 Millionen Einwohnern drittgrößte Stadt der Türkei. „Zu viele Haushalte werfen dann noch ihre veralteten Kohleöfen an“, erzählt Sözen. An einem Tag im Januar wie heute können die Temperaturen schon mal die Nullgradgrenze erreichen und gut gedämmt sind die meisten Gebäude nicht. Doch die Stadtverwaltung setzt nun auf effizientere Baustandards, den Ausbau der Nahwärmeversorgung mit Geothermie, gibt Anreize für die verstärkte Installation von Solarkollektoren und Photovoltaikanlagen und baut das Radwegenetz sowie die S-Bahn aus. Mit einem gut besuchten Aktionstag engagierten sich jüngst auch Ingenieur-Studenten der privaten Yaser-Universität für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien.

Es tut sich also schrittweise etwas in dem Land am Bosporus. Laut dem Nationalen Aktionsplan der Türkei für Erneuerbare Energien, der im vergangenen Jahr aufgelegt wurde, soll der Strommix bis zum Jahr 2023 zu 30 Prozent erneuerbar sein. Vorgesehen sind 34 Gigawatt Wasserkraft, 20 Gigawatt Windenergie, 5 Gigawatt Photovoltaik und je 1 Gigawatt Geothermie und Biomasse. Mit einer jährlichen Sonneneinstrahlung von 2.737 Stunden, das sind 7,5 Stunden täglich, hat die Türkei das höchste Solarpotenzial in ganz Europa. Einfache Solarkollektoren für die Warmwassererzeugung sind vor allem auf dem Land sehr verbreitet, doch Photovoltaikanlagen sind noch eher selten zu sehen. Bisher sind insgesamt erst Solarstromanlagen mit einer Leistung von etwas über 300 Megawatt installiert. Doch nun rechnen Unternehmen mit einem starken Wachstum, in diesem Jahr wird ein Zubau von mindestens 500 Megawatt erwartet. Grund hierfür sind die weiter sinkenden Kosten, die fällige Zuteilung von Lizenzen für den Bau von größeren Anlagen mit mehr als einem Megawatt Leistung sowie der enorme Investitionsbedarf im Energiesektor, der bis 2023 offiziell auf 130 Milliarden US-Dollar beziffert wird.

Deutsche Solarfirmen sind am Bosporus, auch aufgrund der engen deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen, besonders stark engagiert. „Wir sehen aktuell, dass viel passiert“, sagt Stefan Müller, Vorstand des Hamburger Projektierers Enerparc. Jüngst sei eine Vereinbarung mit einem Investor getroffen worden, der sich schon Rechte und Grundstücke für Solarparks mit einer Leistung von 100 Megawatt gesichert habe. Phoenix Solar mit Hauptsitz im bayerischen Sulzemoos baut in Incesu in der Nähe von Kayseri in Zentralanatolien gemeinsam mit ihrem türkischen Partnerunternehmen Asunim derzeit vier Photovoltaik-Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 4,9 Megawatt. Der Auftrag kommt von einem türkischen Regierungsunternehmen. „Das Projekt ist Teil unserer Strategie, den Nutzen sauberer Energie und einer deutlichen Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den Dienst des Wirtschaftswachstums in der Region Kayseri zu stellen“, sagt Recep Yildiz, ein Sprecher des Industriegebietes, in dem die Kraftwerke gebaut werden sollen. Auch andere deutsche Solarfirmen wie IBC Solar oder Schletter, die Tochterunternehmen in der Türkei haben, berichten über wachsende Geschäfte, vor allem beim Bau von Solarparks. „Allerdings ist der türkische Markt von außen nur schwer zugänglich und muss recht aufwändig lokal bedient werden“, sagt Christian Salzeder, Leiter des Business Developments des Montagespezialisten Schletter. Als Bindeglied zwischen Ost und West habe die Türkei jedoch für das Solargeschäft des Unternehmens eine besondere Bedeutung. „Wir rechnen mittelfristig mit einem Zubau von mindestens 1 Gigawatt Photovoltaik“, betont Salzeder, damit habe der türkische Solarmarkt etwa die Bedeutung wie Südafrika oder Brasilien.

Jüngst kündigte das türkische Ministerium für Wissenschaft, Industrie und Technologie an, in der zentralanatolischen Provinz Nigde eine 1,4 Gigawatt starke Photovoltaikanlage zu bauen, dies wäre ein neuer Weltrekord. Bis dies umgesetzt ist, wird es sicherlich noch ein Weilchen dauern, doch es zeigt den Willen der türkischen Regierung, nicht nur in neue Kohle- und Atomkraftwerke, sondern auch massiv in Erneuerbare Energien zu investieren. So wird in diesem Jahr ein Zubau von 2 Gigawatt bei der Windkraft erwartet, damit würde die installierte Windenergieleistung in der Türkei bis Ende 2016 auf rund 6,5 Gigawatt ansteigen. Als ein wichtiger Treiber bei solch ehrgeizigen Plänen gilt der erklärte Wille Ankaras, sich von Gasimporten, vor allem aus Russland unabhängiger zu machen.

„Wir wollen eine Plattform für Investoren und die Industrie bieten, um das Potenzial bei den Erneuerbaren Energien in der Türkei verstärkt zu erschließen“, sagt Murat Özer, der stellvertretende Generaldirektor der Hannover Messe Türkei, dem Veranstalter der ICCI 2016. Die 22. Internationale Energie- und Umweltmesse und Konferenz findet vom 27. bis zum 29. April in Istanbul statt. Sie gilt als das wichtigste Energieevent in der Türkei und der Region. Erwartet werden 340 Aussteller und 16.000 Fachbesucher. Erstmals findet in diesem Jahr ein Sonderforum zur Photovoltaik statt. Hans-Christoph Neidlein


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