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Offensive der Atomlobbyisten in Afrika

Aktuell ist der Bau neuer Akw in Ägypten, Algerien, Angola, Ghana, Kenia, Marokko, Namibia, Nigeria, Südafrika, Tunesien und Uganda geplant. Eine umweltverträgliche Stromerzeugung wird mit dieser Offensive unmöglich gemacht. Hier ein Projekt-Überblick.

15.09.2015 – Die Atomlobby treibt den Bau von Atomkraftwerken in verschiedenen Staaten Afrikas aktiv voran. Vor allem der russische Atomreaktorbauer Rosatom sowie chinesische Atomkonzerne bieten den Regierungen in Afrika integrierte Atompakete an: Reaktoren inklusive Finanzierung plus langfristige Uranlieferungen. Im Gegenzug müssen die Regierungen staatlich garantierte Mindestpreise und Abnahmegarantien von bis zu 60 Jahren für den produzierten Atomstrom vertraglich zusagen. Diese Vertragsform wurde beim geplanten türkischen Atommeiler in Akkuyu erstmalig vertraglich fixiert.

Die Atomreaktoranbieter sehen im afrikanischen Markt eine Chance für hochprofitable Geschäfte und hoffen, in den nächsten Jahren Verträge für bis zu 40 neue Reaktoren abzuschließen. Bisher betreibt Südafrika als einziges Land Afrikas ein Atomkraftwerk. Durch ihre massive Lobbyarbeit haben sich zwischenzeitlich auch die Regierungen in Algerien, Angola, Kenia, Marokko, Namibia, Nigeria, Tunesien und Uganda für den Bau von Atomreaktoren in ihren Ländern ausgesprochen.

  • Weiter fortgeschritten sind die vorbereitenden Planungen in Ghana. Im Februar hat das ghanaische Parlament ein „Gesetz über die nukleare Sicherheit“ beschlossen, um eine nationale Atomaufsichtsbehörde aufbauen zu können. Die staatliche „Ghana Atomic Energy Commission“ hat mit dem russischen Staatsunternehmen Rosatom eine Absichtserklärung zum Bau eines AKW mit 1.000–1.200 Megawatt Leistung unterzeichnet.
  • Ägyptens Präsident Abd al-Fattah as-Sisi hat vor wenigen Wochen einen Vertrag mit Rosatom über den Bau von vier AKW-Blöcken in der Region Dabaa unterschrieben.
  • China versucht, seine Interessen in Namibia durch Verträge zur Erschließung der großen Uranvorkommen des Landes durchzusetzen. Damit will das Land seinen Uranbedarf für das chinesische Atomprogramm decken. Die Husab-Uranmine nahe der Küstenstädte Swakopmund und Walvis Bay soll 2016 in Betrieb gehen. Planungen sehen vor, dass sie eine der weltweit größten Uranminen im Tagebau werden soll.
  • In Südafrika will die Regierung bis zu sechs neue Atomreaktoren bauen. In dem von der Regierung beschlossenen „Integrated Energy Plan (IEP)“ wurde der Ausbau der Atomkraft mit einer Kapazität von 9.600 Megawatt beschlossen. Mit den geplanten Atomreaktoren sollen 25 Prozent des Strombedarfs gedeckt werden. Russland und Südafrika haben eine „strategische Kernenergie-Partnerschaft“ geschlossen. Rosatom kündigte an, für die Umsetzung der Pläne zwischen 40 und 50 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, um den Bau der Infrastruktur und der Atomreaktoren zu ermöglichen. Darüber hinaus hat Rosatom mit der North West University ein Kooperationsabkommen zur Ausbildung von Ingenieuren für Nuklearanlagen unterzeichnet.
  • Der stellvertretende Leiter der nigerianischen diplomatischen Mission in Moskau geht davon aus, dass in Nigeria bereits im September 2016 mit dem Bau eines Atomkraftwerkes begonnen werden kann. Das AKW soll im Bundesstaat Kogi, im Zentrum des Landes, entstehen und eine Leistung von 1.200 Megawatt haben. Auch in Nigeria will Rosatom die Finanzierung des AKW sicherstellen und hierfür die Aktienmehrheit der Betreibergesellschaft erhalten.
  • In Marokko gibt es seit Längerem Planungen für den Bau eines Atomreaktors. Bereits 2010 hat Marokko in Paris ein Kooperationsabkommen „für die friedliche Nutzung der Kernenergie“ unterzeichnet. 2011 haben das marokkanische Centre National de l'énergie, des sciences et techniques nucléaires (CNESTEN), das belgische Institut National des radioéléments (IRE) und das belgische Centre d'étude de l'énergie nucléaire (SCK-CEN) eine Absichtserklärung für eine trilaterale Zusammenarbeit auf den Gebieten Nuklearwissenschaften und Kerntechnik unterzeichnet.
  • Kenia will nach den Plänen der Regierung bis zum Jahr 2031 rund 20 Prozent seines Stromverbrauchs durch Atomenergie decken. Das Energieministerium plant, das erste AKW zwischen 2022 und 2027 in Betrieb zu nehmen. In Kenia werden von der Regierung jedes Jahr 300 Millionen  kenianische Schilling (circa drei Millionen Euro) für die Ausbildung von Fachkräften im Bereich der Nukleartechnik ausgegeben. Ein Expertenteam der IAEO hat eine sogenannte „Inir-Mission (Integrated Nuclear Infrastructure Review)“ durchgeführt, die zur Aufgabe hat, die nationale Infrastruktur zur Einführung der Kernenergie zu prüfen. Nach dem Besuch in Kenia im August 2015 kam die Inir-Mission zu dem Ergebnis, dass „Kenia bedeutende Fortschritte bei der Beschlussvorbereitung zur Einführung der Kernenergie“ gemacht habe.
  • Auch Tunesien will in Zusammenarbeit mit Rosatom den Bau eines Atomkraftwerkes vorantreiben. Hierfür soll eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Am 1. Juni 2015 haben Russland und Tunesien beim Forum Atomexpo-2015 eine Absichtserklärung über die atomare Zusammenarbeit unterzeichnet. Ähnlich wie beim Abkommen mit Südafrika wurde ausdrücklich auch die Zusammenarbeit mit Russland bei der Infrastrukturentwicklung für die Nutzung der Atomenergie in Tunesien festgeschrieben.

Eine umweltverträgliche und vor allem sichere Stromerzeugung wird mit dieser Atomoffensive – sollte sie Erfolg haben – faktisch unmöglich gemacht. Dagegen allerdings formiert sich Protest – auch in Europa. Die NaturFreunde Deutschlands beispielsweise haben angekündigt, sich gemeinsam mit ihren afrikanischen Partnerorganisationen dafür einzusetzen, dass die Vorhaben der internationalen Atomlobby nicht umgesetzt werden. Der Verein fordert zudem, dass die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands und der Europäischen Union die Entwicklung einer nachhaltigen, regenerativen Energieversorgungsstruktur in den afrikanischen Ländern aktiv unterstützt. rr


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