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Südamerika will mehr dezentrale Erneuerbare

Auf einer Konferenz in Santiago de Chile zeigte sich, dass immer mehr Länder in Südamerika Ansätze zur Integration von Erneuerbaren Energien entwickeln – Vorreiter ist und bleibt aber weiterhin Chile mit Wind- und Solarenergie. Dafür greifen die Akteure auch auf Expertisen aus Deutschland zurück.

10.01.2017 – Photovoltaik und Windkraft sind in vielen Gegenden Südamerikas die günstigste Form der Stromerzeugung. Die Kombination von sehr guten Einstrahlungs- und Windbedingungen mit stark gesunkenen Komponentenpreisen führt zu einem regelrechten Boom der Erneuerbaren Energien in der Region. Dabei ist Chile ein unbestrittener Vorreiter: In dem Andenland sind derzeit laut der chilenischen Stromregulierungsbehörde CNE je rund ein Gigawatt Wind- und Photovoltaikleistung am Netz. Das entspricht 9,4 Prozent des Kraftwerksparks. Weitere 1,5 Gigawatt befinden sich im Bau, das Gros davon entfällt mit 1,2 Gigawatt auf die Photovoltaik.

Ökostromquoten für alle Versorger

In Chile gibt es keine feste Einspeisevergütung wie in Deutschland, sondern Quotenziele für Erneuerbare, die 2008 gesetzlich festgelegt wurden. Demnach müssen alle Versorger ab 2025 mindestens 20 Prozent ihrer Erzeugung aus erneuerbaren Energien bestreiten. Der Prozentsatz wird jährlich gesteigert. Der Erfolg der Solarenergie in Chile fußt bislang vor allem auf dem Zubau von großen Freiflächenanlagen im Norden des Landes, weil sie extrem Preisgünstig Strom erzeugen.

Nur 2,91 US-Cent pro Kilowattstunde soll der Solarstrom aus der Atacama-Wüste kosten, verkündet der spanische Projektierer Solarpack, der den 120 Megawatt großen Solarpack Granja Solar ab 2019 ans Stromnetz bringen will. Laut den Analysten von Bloomberg New Finance ein Rekordpreis, für nicht subventionierten Strom – unabhängig von der Technologie. Doch auch immer mehr Privathaushalte, sowie kleinere Gewerbe- und Industriebetriebe installieren Solaranlagen, um ihre Stromkosten zu senken. Die Bedingungen für den Betrieb der Stromsysteme ändern sich damit fundamental.

Um die neuen Herausforderungen zu meistern, lies man sich auch die Erfahrungen aus Deutschland berichten. Auf einer Konferenz der Internationalen Energieagentur (IEA) in der Hauptstadt Santiago de Chile diskutierten Ende 2016 mehr als 100 Experten, wie dezentrale Erzeuger optimal in die Stromsysteme eingebunden werden können. Entscheidungsträger aus ganz Südamerika folgten der Einladung des chilenischen Energieministeriums, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie der IEA. Zudem wurde ein viertägiges Training mit internationalen Referenten von IEA, GIZ sowie des US-amerikanischen Forschungsinstituts NREL für die Teilnehmer angeboten. Dabei ging es um praktische Fragen der Netzintegration von Erneuerbaren, veranschaulicht durch Pilotanlagen am Netz.

Interesse an dezentralen Anlagen wächst

„Das starke Interesse an der Veranstaltung in der ganzen Region zeigt, welche Potenziale in Lateinamerika bei den erneuerbaren Energien allgemein und speziell bei der Dezentralisierung der Stromversorgung gesehen werden“, berichtet Rainer Schröer, der das Energieprogramm der GIZ Chile leitet. Dabei habe sich auch gezeigt, dass es keine Standardlösung gebe. „Es müssen die technischen, regulatorischen und sozioökonomischen Begebenheiten in jedem Land und oft auch auf Bundesstaat, oder sogar Gemeindeebene berücksichtigt werden.“ Ähnlich äußerte sich IEA-Vizedirektor Paul Simons: „Geografie, Urbanisierungsgrad und Lokalklima bestimmen die Möglichkeiten dezentraler Stromerzeugung aus Photovoltaik.“

Für Chile unterstrich der neue Energieminister: „Wir beteiligen uns aktiv daran, dass sich der Markt nicht nur für große, sondern auch für kleine Stromerzeuger entwickelt“, sagte Andrés Rebolledo. So fördert das Energieministerium mit Unterstützung des BMUB die Installation von Eigenverbrauchsanlagen auf öffentlichen Gebäuden. In den vergangenen beiden Jahren wurden bereits 86 solcher Pilotanlagen auf Schulen, Krankenhäusern und Kultureinrichtungen installiert.

Eine besonders prominente Pilotanlage für den solaren Eigenverbrauch steht auf dem größten chilenischen Kulturzentrum Gabriela Mistral in Santiago de Chile. Sie wurde im März 2016 vom chilenischen Energieminister eingeweiht. Der Strom aus einer Anlage mit 100 Kilowatt Leistung wird vollständig vor Ort verbraucht. Dadurch senkt sich der Strombezug aus dem Netz um immerhin 10 Prozent. Des Weiteren werden tagsüber auftretende Lastspitzen ausgeglichen und so der Betrieb des Verteilnetzes im Zentrum Santiagos entlastet.

Net-Metering optimiert Eigenverbrauch

Seit 2014 profitieren Kleinanlagen mit einer Anschlussleistung bis zu 100 Kilowatt Anschlussleistung zudem von einer Net-Metering-Verrechnung für den erzeugten Strom. Vereinfacht gesagt, fungiert das Netz dabei als virtueller Speicher für Photovoltaikstrom. Mittags eingespeister Strom wird so auf den späteren Verbrauch am Abend angerechnet. Net-Metering ermöglicht damit eine Optimierung des Eigenverbrauchs für Endabnehmer. Rund 500 Anlagen wurden in Chile bislang nach dem Net-Metering-Gesetz in Betrieb genommen.

Die Diskussionen auf der Konferenz in Santiago können als Beleg dafür gesehen werden, dass der aktive chilenische Ansatz zur Förderung von erneuerbaren Energien Beachtung in der ganzen Region findet. Im direkten Vergleich zeigte sich erneut, dass Chile durch die von der Bundesregierung unterstützten Projekte bei der Netzintegration von Erneuerbaren weiter vorangeschritten ist als die Nachbarländer.

„Es ist zu erwarten, dass Institutionen aus anderen lateinamerikanischen Staaten sich am chilenischen Beispiel orientieren werden“, erklärt Energieexperte Matthias Grandel von der GIZ in Chile. „Denn wir bekommen derzeit zahlreiche Anfragen für Vorträge und Seminare, unter anderem aus Bolivien, Argentinien, Kolumbien und Peru.“ Eines ist auf der Konferenz deutlich geworden: Der Paradigmenwechsel im Energiesektor ist auch in Südamerika in vollem Gange. Niels Hendrik Petersen


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