Menü öffnen

Behörden zu Vattenfalls Diensten

Braune Brühe: Verockerung der Tranitz. (Foto: Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 / Lutki)
Braune Brühe: Verockerung der Tranitz. (Foto: Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 / Lutki)

Zwei Landesämter vertuschen das Ausmaß der Gewässerverockerung durch den Kohlebergbau, auf eine Anzeige hin ermittelt die Staatsanwaltschaft aber nicht ernsthaft. Anscheinend wird der vorgeschriebene Umweltschutz schon mal außer Kraft gesetzt wenn das den Interessen bestimmter Konzerne zugute kommt.

29.06.2016 – Kürzlich haben große Medien Auszüge aus interner Kommunikation veröffentlicht, die zeigen, wie sehr in der Bundesregierung die Wünsche der Autoindustrie Vorrang haben, und dass der Umweltschutz da hintanstehen muss. Etwas Ähnliches wird nun in Brandenburg offenbar. Hier hat der Energiekonzern Vattenfall nicht nur in der Landesregierung, sondern auch bei so mancher Fachbehörde eine fragwürdig hohe Priorität. Dokumente belegen, dass nicht nur in Berlin und Brüssel, sondern auch in Potsdam oder Cottbus der vorgeschriebene Umweltschutz außer Kraft gesetzt wird, wenn er einen als wichtig erachteten Konzern stört.

Es geht um die seit Jahren diskutierte Verockerung von Oberflächengewässern durch Eisenhydroxid. Der Kohlebergbau in der Lausitz bringt es mit sich, dass vom Eisen bräunlich gefärbtes Grundwasser an die Oberfläche drückt, beziehungsweise durch Leitungen in Gewässer abgelassen wird. Für den Menschen ist die Verockerung angeblich nicht gefährlich, aber für manche Wassertiere stellt die Trübung eine existenzielle Bedrohung dar. Es geht also um das ökologische System – und somit übrigens auch um Kosten für den Menschen.

Der BUND hat nun im Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) Dokumente gesichert die zeigen, dass die Behörde jahrelang verschleiert hat, wie hoch die Belastung von Bächen in der Umgebung des Tagebaus Welzow-Süd war. Die Umweltschutzorganisation hatte schon 2014 in Wasserproben mehrere und zum Teil massive Überschreitungen der vom LBGR 2008 selbst festgelegten Grenzwerte für Eisen festgestellt. Auch eine Messung im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktion erbrachte 2014 ein Zehnfaches der erlaubten Werte.

Damals bezeichnete die Landesregierung die von den Grünen ermittelten Werte als „nicht plausibel“ und stellte sogar die Kompetenz des beauftragten Labors in Frage. Die nun bekannt gewordenen Dokumente erklären die Diskrepanz zu den offiziellen Werten. So beantragte Vattenfall in einem Brief vom 28. Januar 2010 an das LBGR, fünf Messstellen zu verlegen – analog zur bereits erfolgten Verschiebung von zwei anderen, wie das Unternehmen erwähnte. „Mit der Verlegung der Probenahmestelle in Fließrichtung können die Gehalte deutlich gesenkt werden“, schrieb Vattenfall. An den besagten fünf Stellen wurden die Eisengrenzwerte fast durchgängig überschritten, wie eine beigefügte Tabelle zeigte.

Das LBGR genehmigte die Verlegung der Messpunkte. Dabei gelten die Grenzwerte für das eingeleitete belastete Wasser an sich, und nicht für irgendeine Stelle weiter flussabwärts. Welche fachliche Begründung kann es für so eine Verlegung geben? Fachleute, die unerkannt bleiben möchten, sagen auf Anfrage: keine. Die Behörde selbst möchte diese wie auch viele weitere Fragen derzeit nicht beantworten. Das dem Ministerium für Wirtschaft und Energie unterstellte Amt steht unter Druck, denn der BUND hat in dieser Angelegenheit Anzeige erstattet. Tatsächlich gibt es weitere deutliche Anzeichen dafür, dass es sich hier um eine Behörde zu Vattenfalls Diensten handelt.

So führte die Landesregierung 2014 als Antwort auf das Messergebnis der Grünen „Jahresmittelwerte“ der Eisenkonzentrationen seit 2009 an elf Messstellen auf. Schon diese Werte zeigten sechs Überschreitungen an (Gegenmaßnahmen wurden aber nur im krassesten Fall erwähnt). Die dem LBGR damals schon vorliegenden Quartalsdurchschnittswerte, die der BUND nun öffentlich gemacht hat, zeigen aber viele und zum Teil massive Überschreitungen. Die werden in den Jahreswerten unsichtbar. Das ist als Verschleierung anzusehen, denn die erwähnten Grenzwerte werden von der Behörde selbst „Eingreifwerte“ genannt. Sprich: Wenn so ein Wert überschritten wird, muss etwas getan werden. Das widerspricht der bloß quartalsweisen Erhebung von Messdaten, und mehr noch dem Verbreiten von Jahresdurchschnittswerten. Der BUND hat nun sogar festgestellt: Bis 2014, als er in der Sache nachbohrte, begnügte sich das LBGR mit dem Empfangen von Quartalsdurchschnittswerten von Vattenfall, obwohl wöchentliche Messungen vorgeschrieben sind.

Das LBGR blieb weitgehend untätig, obwohl auch von den verlegten Messstellen immer wieder Grenzwertüberschreitungen bei ihm eingingen, und obwohl es hin und wieder doch auch an den Einleitstellen Messungen gab, die das Gesamtergebnis verschlimmerten: Überschreitungen um 50 Prozent und mehr waren keine Seltenheit – wohlgemerkt bei den Quartalsdurchschnitten, einzelne Ergebnisse müssen also noch krasser gewesen sein.

In ein zweifelhaftes Licht getaucht wird nun aber auch das Landesamt für Umwelt (LfU), das an der Vattenfall-Aufsicht beteiligt ist. Nicht nur der vom BUND veröffentlichte Schriftverkehr zeigt seine Einbezogenheit. Im Oktober 2014 waren zwei LfU-Angestellte mit BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat zusammen in der Gegend, um die es geht, unterwegs, um die Bäche in Augenschein zu nehmen, wie er berichtet. Sie hätten zugestimmt, dass da etwas nicht in Ordnung war, denn die starke Verockerung sei deutlich sichtbar gewesen. Kruschat sagt, er habe ihnen auch eine im Wald 'versteckte' ungenehmigte Einleitstelle gezeigt, aus der braunes Wasser floss. „Auf telefonische Nachfrage beim Landesumweltamt habe ich dann aber nur gesagt bekommen, dass alles mit dem LBGR geklärt sei“, erinnert sich der Umweltschützer. Dabei hätten auch dem LfU die vom BUND gemessenen alarmierenden Werte vorgelegen. Die versteckte Einleitstelle habe das LBGR nach seiner Meldung nachträglich genehmigt.

Die dritte Behörde, die in dem Fall ihre Arbeit nicht gemacht hat, ist die Staatsanwaltschaft Cottbus. Nach der vom BUND 2014 wegen Gewässerverschmutzung gestellten Anzeige stellte sie im Mai 2015 das Verfahren ein. Axel Kruschat hat nun auch dort Akteneinsicht genommen und festgestellt: Außer dem LBGR wurden keine Zeugen gehört. Die Staatsanwaltschaft habe sogar Messprotokolle für mehrere Jahre angefordert, sie aber nur für 2015 erhalten. Dass das LBGR seine Aufsichtspflicht verletzt hat, hat die Staatsanwaltschaft anscheinend nicht in Betracht gezogen. Deswegen hat der BUND nun Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens eingelegt.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das LfU verweigern mit Hinweis auf die laufenden juristischen Verfahren eine Auskunft in der Sache. Für den heutigen Mittwoch hat die Grünen-Fraktion die Angelegenheit auf die Tagesordnung des Umweltausschusses des Landtags gesetzt. Ralf Hutter


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft