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Einbruch bei Gründungszahlen von Energiegenossenschaften

Der Betrieb einer „eigenen“ Windkraftanlage schafft hohe Akzeptanz in den Kommunen. (Foto: © BBEn)
Der Betrieb einer „eigenen“ Windkraftanlage schafft hohe Akzeptanz in den Kommunen. (Foto: © BBEn)

Die Neugründungen von Energiegenossenschaften gehen seit 2014 zurück. Branchenexperten sehen die Ursache dafür in der Novellierung des EEG. Die neue Gesetzgebung schafft im Bereich der Bürgerenergie Unsicherheit und verhindert wichtige Investitionen.

17.07.2015 – Im Jahr 2013 waren es noch 129 Neugründungen bei Energiegenossenschaften in Deutschland, all die Jahre steigend – 2014 war dann ein markanter Rückgang zu verzeichnen, und die Neugründungszahl im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent eingebrochen – so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV), die gestern gemeinsam mit der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin vorgestellt wurde. Die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) habe sich stark bremsend auf die Gründungszahlen ausgewirkt, so Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des DGRV.

Die Ursache sieht Ott in den verringerten Geschäftsmöglichkeiten nach der letztjährigen Reform. Zudem hat die Verunsicherung durch drohende Regulierungskosten einer BaFin-Aufsicht (Kapitalanlagegesetzbuch, KAGB) zu einem Investitionsstau von 290 Mio. Euro geführt. Das KAGB-Problem wurde kürzlich gelöst., so Ott.

772 seit 2006 gegründete Genossenschaften im Bereich der Erneuerbaren Energien haben insgesamt 1,67 Mrd. Euro in Erneuerbare Energien investiert und Kapazitäten mit einer Leistung von rund 1 Gigawatt errichtet. Was nun mit den neuen Gesetzen die Bürgerenergie bedroht, ist die Einführung von Ausschreibungsverfahren auch für kleine Erneuerbaren-Projekte.

Das Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde für Photovoltaik-Freiflächenanlagen habe gezeigt, so Ott, dass eher große Unternehmen zum Zuge kommen. Das Modell sei für die Größe und Kapazität von Genossenschaften einfach nicht tragbar. Einige Energiegenossenschaften haben sich nun für Anlagen-Pachtmodelle entschieden, um noch rentabel zu wirtschaften.

Für das bevorstehende Windenergie-Ausschreibungsverfahren schlägt der DGRV nun eine sogenannte Übertragungsregel für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor: Der Preis aus dem regulären Bieterverfahren soll auch für KMU gelten. Unternehmen aus diesem Segment sollen dann ohne die riskante Beteiligung am Ausschreibungsverfahren ihre Projekte umsetzen können. „Mit dieser Preisübertragung könnten wir die gleitende Umstellung auf Ausschreibungen und den Erhalt der Akteursvielfalt gleichermaßen erreichen. Für einen fairen Wettbewerb brauchen wir aber die Unterstützung der Politik“, so Ott weiter. Der Vorschlag liege dem Bundeswirtschaftsministerium vor.

Ausbau der dezentralen Windenergie gefährdet

Gerade im Bereich der Windenergie liege die Zukunft vieler Energiegenossenschaften, daher ist dieses Thema entscheidend für die Fortführung einer dezentralen Energiewende. Vier Prozent der Genossenschaften betreiben laut DGRV-Jahresumfrage bereits eigene Windenergieanlagen. Darüber hinaus sind 15 Prozent mit durchschnittlich 544.000 Euro an Windprojekten beteiligt. In den kommenden 12 Monaten plant gut ein Drittel der Energiegenossenschaften weitere Investitionen in diesen Bereich.

Positiv sieht der DGRV zudem die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen wie Strom-Direktlieferung an Endkunden, aber auch die Gründung von Dachgenossenschaften zur Stromvermarktung. Im Bereich der Nahwärmegenossenschaften ist die Tendenz leicht steigend, allerdings werde hier bald schon eine Sättigung erreicht sein, ganz einfach deshalb, weil es nur begrenzt Siedlungsgebiete mit diesem Potenzial gebe.

Bericht aus der Bürgerenergie-Praxis

Wie es in der aktuellen Praxis bei den Energiegenossenschaften aussieht schilderte Micha Jost, Vorstand der Energiegenossenschaft Starkenburg eG im Land Hessen. 180 Menschen aus der Gemeinde beteiligten sich an der ersten Windkraftanlage, heute hat die Energiegenossenschaft 720 Mitglieder und alle fast Erneuerbaren Energien im Portfolio – Wind, Solar, Biomasse – 9,5 Mio. Kilowattstunden Windstrom können die Bürger jährlich ernten. Auch mit dem Vertrieb von Strom beschäftigen sie sich jetzt.

„Wer auf ein Windrad schaut, soll auch den Nutzen haben“, so das Credo der Genossen, denn wenn die Bürger vor Ort profitieren und „das Geld im Dorf bleibt“ dann ist die Akzeptanz erfahrungsgemäß sehr groß. Ein Ausschreibungsverfahren sieht Jost als Todesstoß für solche Projekte, das wäre eine starke Zäsur – man wüsste dann nicht wie man noch weitermachen könnte. „Wir geben jetzt Gas“ so Jost, bis 2016 wolle man alle Genehmigungen erhalten für die Projekte in Reichweite. Danach müsse man dann wohl, sollte das Ausschreibungsmodell für Wind wie bei PV kommen, „den Liegestuhl aufklappen und den Rädern beim Drehen zusehen.“

So sehen das viele Genossenschaften, der Rückhalt von Investitionen, der dadurch ausgelöst wurde, schadet der Wirtschaft und ist für die Energiewende sowieso kontraproduktiv. In einer ergänzenden Blitzumfrage der AEE unter Energie-Kommunen zeigt sich noch einmal die Wichtigkeit der Bürgerbeteiligung an lokalen Energieprojekten: Für fast 80 Prozent der Befragten leisten Energiegenossenschaften und andere dezentrale Akteure einen großen bis sehr großen Beitrag zur Akzeptanz der Energieprojekte in ihren Kommunen.

Windkraft sei keine Spielerei, so der Energiegenosse Jost, sondern eine „fette Säule der Energiewende“ – das müsste jetzt noch einmal herausgearbeitet werden. In Hessen wurde jahrelang der Ausbau der Erneuerbaren Energien politisch torpediert, so Jost, nun wolle man gegensteuern, gerade aber die Windenergie den Kommunen schmackhaft zu machen sei extrem schwierig durch die jahrelangen Versäumnisse. Umso wichtiger sei es, das Modell Energiegenossenschaften zu stärken anstatt nun mit neuer Gesetzgebung zu schwächen – und stattdessen den großen Energiekonzernen die Hand zu reichen. na


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