Menü öffnen

Rohstoffgewinnung für die Energiewende braucht mehr Fairness

Ohne Metalle und seltene Rohstoffe keine Energiewende – wie man sie sichert und dabei Umwelt- und Sozialstandards einhält sowie die Preise stabil hält, wurde nun in einer Studie eingehend untersucht. (Grafik: © acatech)
Ohne Metalle und seltene Rohstoffe keine Energiewende – wie man sie sichert und dabei Umwelt- und Sozialstandards einhält sowie die Preise stabil hält, wurde nun in einer Studie eingehend untersucht. (Grafik: © acatech)

Um die Energiewende bis zum Jahr 2050 sinnvoll umzusetzen sind laut einer Studie zwar prinzipiell genügend Energierohstoffe vorhanden – doch die Versorgungssicherheit und Akzeptanz hängen von der Preisentwicklung, der Transparenz der Märkte sowie der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards ab.

09.02.2017 – Im Zuge einer erfolgreichen Energiewende wird der Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas sinken. Gleichzeitig müssen dann aber für den Ausbau von Windparks, Solaranlagen, Speichern und intelligenten Netzen immer mehr verschiedene Metalle importiert werden, dazu gehören vor allem wertvolle Elemente wie Seltene Erden, Platingruppenelemente, Germanium, Indium und Kobalt. Wertvolle Rohstoffe werden für Windkraft- und Solaranlagen benötigt, allein in einem Elektroauto sind mindestens neun solcher Rohstoffelemente verbaut, in einem Smartphone tummelt sich die halbe chemische Periodentafel.

Angenommen bis zum Jahr 2050 ist eine Energieversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren erreicht und auf den Straßen fahren nur noch Elektroautos – ist das überhaupt machbar und sinnvoll in Hinblick auf die Ressourcen? Zwar gibt es weltweit ausreichend natürliche Metallvorkommen, sie sind jedoch ungleich verteilt und werden ungleichmäßig genutzt. In China beispielsweise werden 86 Prozent der Seltenen Erden abgebaut – sie werden etwa für den Bau von Windanlagen, Batterien und Elektromotoren benötigt. Russland und Südafrika liefern zusammen rund 75 Prozent des weltweit verfügbaren Palladiums. Dieses Platingruppenelement wird unter anderem in Brennstoffzellen und als Katalysator für die Wasserstofferzeugung benötigt. Nutzen Staaten diese Marktmacht aus, etwa indem sie den Export erschweren, können besonders rohstoffabhängige Länder nicht mehr genügend Metalle beziehen. Als beispielsweise China im Jahr 2010 den Export beschränkte stiegen die Preise massiv an. Werden Metalle aber zu teuer, sind Investitionen in klimafreundlichere Technologien weniger wirtschaftlich. Zum anderen können ethisch, gesundheitlich und ökologisch bedenkliche Abbaumethoden die gesellschaftliche Akzeptanz der Rohstoffgewinnung gefährden. Immer weniger Akteure kontrollieren immer größere Rohstoffmengen, die Märkte sind oft sehr intransparent.

Wie Deutschland unabhängiger von Rohstoffimporten werden kann beschreibt die Stellungnahme Rohstoffe für die Energiewende. Wege zu einer sicheren und nachhaltigen Versorgung. Im Rahmen der Arbeitsgruppe des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) sprechen sich acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in ihrer aktuell veröffentlichten Stellungnahme für strategische Rohstoffpartnerschaften mit Lieferländern, die Erschließung neuer Lagerstätten und vor allem für mehr Metallrecycling und insgesamt bessere Recycling-Kreisläufe und -systeme aus.

Mit zwischenstaatlichen Handelsabkommen und -verträgen könnte der Staat den privatwirtschaftlichen Rohstoffimport und die Lieferbeziehungen unterstützen, so ein Ansatz der Studie. Strategische Rohstoffpartnerschaften können auch dazu beitragen, Umwelt- und Sozialstandards zu etablieren. „Energieaufwand und Umweltbelastungen bei der Rohstoffgewinnung sollten die ökologischen Vorteile der Energiewende nicht übersteigen“. heißt es in der Stellungnahme. Wie transparent das gestaltet werden kann und wie überprüfbar das sein kann, wird sich erst im Prozess herausstellen können.

Rohstofferschließung vor Ort stärken

Man sollte aber auch über die Erschließung neuer Lagerstätten in Deutschland und Europa sowie in der Tiefsee in Betracht ziehen, raten die Autoren der Studie. In Deutschland gebe es Lagerstätten für Indium und Germanium, am Meeresboden lagern unter anderem Kobalt, Kupfer und Nickel, so Jens Gutzmer vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, der an der Stellungnahme mitgearbeitet hat. Dazu müssten allerdings die Umweltfolgen besser erforscht und Technologien für Abbau und Verarbeitung weiterentwickelt werden. Deutschland brauche eine langfristig angelegte Rohstoffpolitik, um offene und transparente Märkte sowie hohe Umwelt- und Sozialstandards zu fördern.

Bergbauprojekte haben einen langen Vorlauf. Im Schnitt dauert es von der Entdeckung einer Lagerstätte zehn Jahre bis zum Beginn des Abbaus. Unternehmen, die große Rohstoffmengen verarbeiten, könnten sich am besten absichern, indem sie selbst Bergbau betreiben, sich an Bergbauprojekten im Ausland beteiligen, langfristige Lieferverträge abschließen oder Vorkaufsrechte erwerben. Der Staat wiederum sollte sich darauf konzentrieren, freie und transparente Märkte zu fördern. Dafür eignen sich zum Beispiel Handelsabkommen und zwischenstaatliche Verträge. Seit der Ölkrise 1973 hält Deutschland eine strategische Erdölreserve vor. Auch kritische Rohstoffe könnten auf Vorrat gelagert werden, um vorübergehende Lieferengpässe abzufedern.

Recyclingkreisläufe optimieren und Stoffe substituieren wo möglich

Optimierte Produktionsprozesse in der Industrie können dazu beitragen, dass knappe Rohstoffe sparsamer eingesetzt oder durch andere ersetzt werden können. Darüber hinaus sind alte Autos, Elektronikgeräte oder Leitungen wertvolle Rohstoffquellen. Massenmetalle wie Stahl und Kupfer werden heute schon bevorzugt aus Schrott gewonnen. Hightech-Elemente wie Seltene Erden haben jedoch noch geringe Wiedergewinnungsraten. Zum einen weil die Rückgewinnung technisch aufwendig und teuer ist; zum anderen weil bislang noch zu viel Elektronikschrott im Hausmüll oder in wenig leistungsfähigen Recyclinganlagen landet. Diese Maßnahmen könnten die Recyclingquoten erhöhen: Zudem könnte man gesetzliche Vorgaben und/oder Labels für möglichst recyclingfähige Produktdesigns einführen und Sammelsysteme noch verbraucherfreundlicher gestalten, etwa Rückgabemöglichkeiten in Geschäften sowie Leasing- und Pfandmodelle für Verbraucherelektronik; zudem sollten Ausfuhrkontrollen für Gebrauchtgüter verbessert werden, um zu verhindern, dass Elektroschrott oder Altfahrzeuge illegal exportiert werden.

Es sollte vor allem daher auch die Reduktion der Primärgewinnung vorangetrieben werden indem Recyclingkreisläufe gestärkt und vor allem verbessert werden. Alte Autos, Batterien, Elektronikgeräte und Leitungen sind wertvolle Rohstoffquellen – und landen häufig einfach nur auf der Müllhalde. „Da die Wiedergewinnungsraten bei vielen Hightech-Elementen gering sind, sollte die gesamte Prozesskette verbessert werden“, rät Christian Hagelüken von Umicore, auch Mitglied der ESYS-Arbeitsgruppe. Labels für recyclingfähige Produktdesigns würden schon bei der Herstellung ansetzen. „Auch verbraucherfreundlichere Sammelsysteme und verbesserte, breit genutzte Recyclingverfahren könnten die Wiedergewinnungsraten erhöhen. Außerdem sollten Ausfuhr und Verbleib von Elektroschrott besser kontrolliert werden“, so Hagelüken.

Soziale Akzeptanz erhalten

Es wäre nicht sinnvoll, wenn ökologische Vorteile der Energiewende durch Energieaufwand und Umweltbelastungen bei der Rohstoffgewinnung zunichte gemacht würden. Dies gilt sowohl für den Bergbau als auch das Recycling. Auf globaler Ebene wurden immer wieder ordnungspolitische Ansätze für einen gerechteren und nachhaltigeren Umgang mit Rohstoffen diskutiert. Bislang gibt es jedoch keine verbindliche Regelung. Bilaterale Rohstoffabkommen und -partnerschaften sind einfacher umsetzbar als multilaterale Abkommen. Neben einer Stabilisierung der Rohstofflieferbeziehungen können sie darauf abzielen, Umwelt- und Sozialstandards zu etablieren, die Arbeitsplatzsicherheit bei der Rohstoffförderung zu verbessern und zu Klimaschutz und Rohstoffeffizienz beizutragen. Verbindliche Transparenzmechanismen können politischen Druck ausüben: In der EU sind Unternehmen verpflichtet, für Konfliktrohstoffe die Lieferketten offen zu legen, um Verbindungen zwischen Produzenten, Regierungen und bewaffneten Gruppen aufzudecken. Auf ähnliche Weise könnten Umwelt- und Sozialstandards transparent gemacht werden. Wichtig ist ein Monitoring durch eine unabhängige Prüfinstanz. Die soziale Akzeptanz zu erhalten, dürfte für die Rohstoffgewinnung in Zukunft die größte Herausforderung sein. na

Die ESYS-Stellungnahme ist frei zugänglich unter:

www.acatech.de/rohstoffe-fuer-die-energiewende
www.leopoldina.org/de/publikationen/
www.akademienunion.de/publikationen/neuerscheinungen/ 


Weitere Artikel der Energieblogger zum Thema

PV-Speicher: Blei erprobte Technologie und recyclebar
Recycling: Solarteure haften für Versäumnis der Modulhersteller


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft