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Zukunft der Energieversorgung in der Wohnungswirtschaft

Sonnenhaus Heliodom in Erschmatt VS, Schweiz
Heizen mit der Sonne ist wirtschaftlich und macht energieautark. Sonnenhaus Heliodom in Erschmatt VS, Schweiz. (Foto: Silvio Tanner, CC BY-SA 3.0  via Wikimedia Commons)

Auf einer Praxiskonferenz der BBA wurden Konzepte, Erfahrungen und erfolgreiche Praxisbeispiele im Umgang mit der erneuerbaren Energieversorgung im Bereich des Wohnbaus vorgestellt. Bei der Vermarktung von Solarstrom und -wärme oder von Blockheizkraftwerken sind die rechtlichen Hürden noch hoch.

21.08.2015 – In Berlin trafen sich Ende Juli auf Einladung der Akademie der Immobilienwirtschaft e. V. Berlin (BBA) Akteure und Experten der Bau-, Energie- und Wohnungswirtschaft zum Erfahrungsaustausch, wie die zukünftige Energieversorgung wirtschaftlich sinnvoll zu gewährleisten sei. Bei der Energiewende spricht man vor allem von einer Stromwende, gerade im Bereich der Wohnwirtschaft ist aber auch die Wärmeversorgung ein entscheidender Faktor. Mit Dämmen und Dichten sei es nicht getan, so Professor Uwe Leprich vom izes, ohne den verstärkten Einsatz Erneuerbarer Energien werden die CO2-Einsparziele und Effizienzziele nicht erreicht.

Perspektivisch wachsen im neuen Marktsystem Strom-, Wärme- und Verkehrssystem stärker zusammen. Eine Flexibilitätsoption stellt die Kraft-Wärme-Kopplung dar; systemisch gesehen sei die KWK eine optimale Ergänzung der fluktuierenden Erneuerbaren Energien, so Leprich, solange wir nicht in die Zielgerade zum 100 Prozent-Erneuerbaren-Energien-System einbiegen. Solange die Kohle im System bleibe, habe die KWK aber keine Chance – leider wurden politisch mit dem Verzicht auf die Klimaabgabe für Kohlekraftwerke erst wieder die falschen Weichen gestellt. 

Und wer sei eigentlich auf die Idee gekommen, Nachtspeicherheizungen als eine gute Speichermöglichkeit für überschüssigen Wind- und Solarstrom vorzuschlagen? – so Leprich weiter. Nachtspeicherheizungen seien zu aller erst ;Kohle per Draht“ und hätten keinen Sinn in der Erneuerbaren-Energien-Welt, so Leprich, sie sollten nach 2020 ja auch abgeschafft werden, das wurde aber leider revidiert.

Heizsystem der Zukunft

Wärmepumpen könnten bis 2050 ein Drittel aller Heizsysteme im Neubau ausmachen, gefolgt von Solarthermie, Holz und Biogas, so die Prognose. Bei der aktuellen Diskussion über den Einsatz von Wärmepumpen zum Ausgleich der fluktuierenden Erneuerbaren Energien sollte das Phänomen der Thermosensibilität – das ist die Stromlastseigerung pro Kelvin sinkender Außentemperatur – stärker beachtet werden. Es habe sich gezeigt, dass die Arbeitszahlen von Luftwärmepumpen gerade bei niedrigen Außentemperaturen weit unter den Jahresarbeitszahlen liegen könnten. Daneben sollte bei einer ökologischen und energiewirtschaftlichen Bewertung von Wärmepumpen auch die Temperaturabhängigkeit der Lastanforderung der jeweiligen Wärmepumpentypen betrachtet werden. Leprich mahnt daher zur Vorsicht bei der weiteren Verbreitung elektrischer Wärmepumpen, denn eine sorgfältige Analyse der Rückwirkungen auf die Strombereitstellung stehe bislang noch aus.

Das Thema Power to Heat/ Power to Gas werde von vielen favorisiert, sei aber derzeit weder ökonomisch noch ökologisch besonders sinnvoll – das werde erst bei einer 80porzentigen Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien rentabel. Das stärkere Zusammenwachsen von Strom- und Wärmesektor biete aber grundsätzlich Chancen für vielfältige Akteure und Geschäftsmodelle – die hängen vor allem von der Gestaltung der Rahmenbedingungen ab. Die Akteurslandschaft werde deutlich bunter und mittelständischer. Die zukünftigen Kosten der Stromversorgung sieht Leprich undramatisch, da werden bei der derzeitigen Entwicklung in absehbarer Zeit keine großen Preissprünge zu erwarten sein. Für die Verbraucher haben ohnehin Benzin und Heizkosten eine viel höhere Bedeutung, bezogen auf den Gesamtverbrauch in einem Haushalt.

Für die Wohnungswirtschaft zieht Leprich das Fazit, Entscheidungen im Bereich der Wärmesystem gesamtsystemisch zu analysieren um sie wirtschaftlich zu gestalten , im Bereich der Stromversorgung die eigene Akteursrolle zu erwägen und hier Chancen zu nutzen und dabei lokale Netzwerke für Kooperationen zu erweitern.

Mieterstromkonzepte umsetzen

Ingrid Vogler, Technikexpertin beim Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW, sieht denn auch vor allem den Mieterstrom als eine gute Option, um eine im neuen Strommarktsystem wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten und auch diese in Deutschland großen Bevölkerungsgruppe in die Energiewende mit einzubeziehen – möglich in Gebäuden, die nicht an Fernwärme angeschlossen sind und KWK umsetzen können. Strombezug aus KWK würde die Mieter finanziell entlasten, während Wärmedämm-Maßnahmen an der Gebäudehülle eher zu einer Mehrbelastung führten.

Von politischer Seite gebe es allerdings gerade keinerlei Unterstützung für das Mieterstrommodell, im Gegenteil werde es torpediert und in der Novellierung des KWK-Gesetzes keine Rolle mehr spielen. BHKWs werden im Zusammenhang mit der KfW-Förderung und den Anforderungen der EnEV benötigt, so Vogler; mit der EnEV 2016 werde es ohnehin notwendig, den Anteil Erneuerbarer Energieversorgung zu erhöhen, der übliche Gas-Brennwertkessel reiche dann nicht mehr aus, wolle man nicht die Wärmedämmstärken erhöhen und so die Kosten steigern.

Um Mieterstromkonzepte erfolgreich umzusetzen hat das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) Modelle für die Stromerzeugung und den Vertrieb erarbeitet. Hier kommt es vor allem auf wirtschaftlich sinnvoll gestaltete Messkonzepte an, es gilt, die Messkosten so gering wie möglich zu halten und die richtigen Zähler einzusetzen. Auch die Abrechnung von Mieterstrom stellt für Wohnungsbaugesellschaften noch eine Hürde dar. Ein erfolgversprechendes Projekt setzt die ABG Frankfurt in ihrem neuen Stadtaktivhaus in der Speicherstraße in Frankfurt um, 74 Wohneinheiten werden hier mit Öko-Mieterstrom beliefert. Das Anlageninvest erfolgte durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG, den Be- und Vertrieb übernimmt die Mainova. Ihre Aufgabe ist auch die Entwicklung des Zählerkonzeptes, das Messen und Abrechnen und sie trägt das Risiko. Im Wärmemietvertrag ist eine Grundmenge Strom von ca. 1.800 kWh enthalten. Abgerechnet wird der Strom ohne Grundpreis und zu einem Preis von 24,5 Cent pro Kilowattstunde. Es ist jedem Mieter möglich, den Stromversorger zu wechseln, dann verliert er allerdings den in der Miete enthaltenen Strombetrag.

Doch erfahrungsgemäß, so berichten Experten, bleiben Mieter in der Regel dabei. Optimal beim Mieterstrommodell ist aus Sicht der Betreiber eine Teilnahmequote von 70 Prozent, die sollte erreicht werden um das Ganze wirtschaftlich zu machen. Ein Contractor etwa realisiert durch ein Kostenneutralitätsgebot höhere Deckungsbeiträge als ein Wohnungsunternehmen, der Contactor kann dadurch günstigere Lieferpreise anbieten. Summenzählermodelle sind nach Analysen des IWU das einzige Modell, das in der Abrechnung funktioniert. Andere Zählerkonzepte führten zu empfindlichen Netznutzungsentgelten. Eine rechtliche Grundlage für das Summenzählermodell fehle aber noch. Manche Versorger fordern bspw. eine registrierende Lastgangmessung an allen Zählpunkten, wenn dies an der Übergabestelle zwischen Kundenanlage und öffentlichem Netz gefordert ist, das treibt die Kosten in die Höhe. Für die Abrechnung im Haus reichten aber geeichte Zähler.

Modell Sonnenhaus

Ein gelungenes Beispiel für die Vollversorgung einer Wohnanlage mit solarthermischer Wärme stellte Steffan Liebscher von der GEWOBA Nord mit dem Sonnenhaus-Projekt Musbeker Weg in Harrislee nahe der dänischen Grenze vor. Dezentrale Lösungen mit dem Einsatz Erneuerbarer Energien sind hier gefragt. Die Idee holte man sich in der Schweiz beim Sonnenhausinstitut, das seit vielen Jahren Sonnenhäuser plant und baut.

Auf dem flach geneigten Pultdach des dreigeschossigen Wohngebäudes mit WDVS-Fassade sind flächendeckend aufgeständerte Solarkollektoren installiert, mit einer Kollektorfläche von insgesamt 368 Quadratmetern. Die 60 Grad-geneigten Solarkollektoren sind über die gesamte Dachfläche verteilt. Ein ca. 66 Quadratmeter großer Pufferspeicher, der mit einem Durchmesser von 2,90m in der Gebäudemitte platziert ist und mit einer Höhe von 10,50 m von der Kellersohle bis zum Dach reicht, speichert die Solarwärme für Heizung und Warmwasser über mehrere Tage oder sogar Wochen. 18 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 1.277 Quadratmeter werden damit beheizt und mit Warmwasser versorgt. Der Jahres-Wärmebedarf für Raumheizung und Warmwasser wird zu mindestens 75 Prozent aus solaren Anlagen gedeckt. Der Primärenergiebedarf beträgt maximal 15 kWh/m²a.

Wichtig für einen hohen Heizkomfort und Solarertrag ist eine Speicherbewirtschaftung mit guter Temperaturschichtung: Im oberen Bereitschaftsteil des Speichers soll warmes Wasser auf Nutztemperaturniveau zur Verfügung stehen. Unten soll der Speicher so gut und lange wie möglich ausgekühlt sein, damit die Solaranlage bei niedriger Betriebstemperatur arbeitet und so einen hohen Wirkungsgrad erreicht. Die zentrale Trinkwassererwärmung erfolgt über einen externen 600-Liter-Brauchwasserspeicher, der aus der entsprechenden Schichtung des großen Pufferspeichers gespeist wird und dieser Lieferung Energie über einen Wärmetauscher entzieht. Hier wird durch regelmäßiges Aufheizen über 60° C die Trinkwasserhygiene gewährleistet.

Von April bis Ende September ist der Solarertrag der Kollektoren so groß, dass mehr Wärme produziert wird, als für das Gebäude benötigt wird. Hierfür wird ein Wärmeverbund geschaffen: Die überschüssige Energie wird für die Versorgung der Nachbargebäude genutzt. In den Wintermonaten zu den „Kältespitzen“ erfolgt eine notwendige Nachheizung über Fernwärme. Die Nachheizung erfolgt von oben nach unten im großen Pufferspeicher. Es gilt, das Wasser oben im Puffer möglichst schnell für den Gebrauch aufzuheizen. Die Wohnungen sind mit Fußbodenheizung ausgestattet.

Um die Kosten des Mehraufwands für die Installation der erneuerbaren Anlagen und Haustechnik zu refinanzieren hat man sich ein Konzept ausgedacht, das keine Mehrkosten für die Mieter entstehen lässt. Die Wohnungen werden mit einer Brutto-Warmmiete als sogenannte Miet-Flatrate angeboten. Darin enthalten sind alle kalten und warmen Betriebskosten. Die Mieter zahlen eine Gesamtmiete, in der sämtliche Kosten für die Nutzung der Wohnung enthalten sind. Die jährliche Nebenkostenabrechnung kann somit entfallen, so dass die GEWOBA Nord gleichzeitig auf Nachforderungen hinsichtlich sämtlicher zusätzlich angefallenen Betriebs-, Heiz- und Warmwasserkosten verzichtet. Die individuellen Stromkosten sind dabei in der Miete nicht enthalten. Alle anfallenden Schönheitsreparaturen sind bereits in die Miete einkalkuliert und werden vermieterseitig ausgeführt. Die Mieter zahlen 10,10 Euro / m² im Monat, die Miethöhe-Sicherheit wird über einen Zeitraum von drei Jahren garantiert. Die Rechnung geht auf, bezogen auf ein Referenzobjekt ohne die Sonnenhaustechnik zahlen die Mieter am Ende nicht mehr Miete und für den Vermieter amortisieren sich die höheren Investitionskosten auch. Nicole Allé


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