Baupolitik im Koalitionsvertrag: Die Pläne für den Bausektor bleiben vage

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag setzt kaum Impulse für Bau und Sanierung. Das Gebäudeenergiegesetz wird verwässert. Steuererleichterungen bei der Sanierung und ein Gesetz zum Gebäudetyp E werden in Aussicht, Förderzeiträume infrage gestellt.
16.04.2025 – „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, ließ Markus Söder bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages verlauten. Nachdem sich CDU und CSU in der Opposition gegen das Gesetz stark gemacht hatten, findet sich im Koalitionsvertrag zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder auch Heizungsgesetz genannt nicht viel: „Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher“. Offen bleibt, wie das konkret aussehen soll. Milliardenschwere Einsparungen wolle man u. a. beim Heizgesetz erreichen, so Söder. Das löst neue Verunsicherung in der Branche und bei Verbrauchern aus.
Das Heizungsgesetz findet die Union zu kompliziert und zu teuer. So sind sich die Koalitionspartner bspw. nicht einig, wie lange es mit der Förderung für klimaneutrale Heizungen weitergehen soll. Von heute auf morgen solle sich an der Höhe der Förderung nichts ändern, um das Vertrauen der Menschen nicht weiter zu erschüttern, hieß es aus der Union. Es gebe aber die Überlegung, die Fördersummen mit den Jahren sinken zu lassen.
Niemand werde mehr gezwungen, eine Wärmepumpe einzubauen, so Friedrich Merz am Sonntag in der ARD-Sendung Caren Miosga. Die CO2-Bepreisung mache Gas und Öl mit den Jahren ohnehin teurer, dies wäre ein Anreiz, früher auf klimaneutrale Heizungen umzusteigen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung würden laut Koalitionsvertrag zurückfließen, durch eine „spürbare Entlastung beim Strompreis“ und die „Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität“.
Die Grüngasquote soll Gasanbieter dazu verpflichten, einen größeren Anteil an Biomethan oder Wasserstoff in ihren Energiemix aufzunehmen – doch das müsste teuer subventioniert werden, warnen Kritiker und sehen in der Fortführung von Gasheizungen das Bestreben, eine veraltete jedoch für einige Player lukrative Technologie möglichst lange am Leben zu erhalten – für die Verbraucher werde das teuer.
Die Regulierungen für das Bauen und Sanieren verschlanken
Der Koalitionsvertrag ist ein erster Schritt – die neue Bundesregierung muss jetzt liefern, so verschiedene Stimmen aus der Baubranche zu den Ankündigungen für den Bausektor. Die Branche ist am Kämpfen – mit zu vielen Vorschriften und Normen, schleppenden Genehmigungsverfahren, Behördenstau, hohen Baukosten sowie Bauzinsen. Die Zahl der Baugenehmigungen sinkt weiter. Steuererleichterungen setzen Impulse für die Sanierung, doch nun komme es auf eine zügige, praxisnahe Umsetzung an.
Das Deutsche Institut für vorbeugenden Brandschutz (DIvB) begrüßt grundsätzlich die geplanten Reformen zur Entbürokratisierung und mahnt zugleich: Die Entschlackung von Planungsverfahren darf nicht an Ländergrenzen enden – und neue Auflagen ohne Sicherheitsgewinn verhindern bezahlbares, klimagerechtes Bauen. Besonders im Fokus stünden energieintensive Altbauten, für die die EU-Gebäuderichtlinie konkrete Fortschritte verlangt.
Die geplante Vereinfachung von Planungsverfahren, die Absicherung des Gebäudetyps E sowie die steuerliche Absetzbarkeit von Sanierungskosten bei geerbten Immobilien seien richtige und wichtige Schritte. Der Wohnungsbau-Turbo steht erneut auf dem Plan. Im Koalitionsvertrag wird ein Gesetzentwurf dafür innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung angekündigt. Man werde aber sicherlich keine Zahlen für Neubauwohnungen nennen, ließ Friedrich Merz in der ARD bei Caren Miosga verlauten.
Auch im Bausektor zu viel Bürokratie
Axel Haas, Geschäftsführer des DIvB, begrüßt die angekündigten Initiativen, zu den Bereichen Entbürokratisierung und Verstetigung der Fördermaßnahmen im Rahmen der Sanierung. Wichtig ist ihm, dass die Entbürokratisierung nicht beim Bund Halt macht. Auch die Bundesländer hätten Herausforderungen. Im Fokus sollten einfachere Baugenehmigungsverfahren stehen.
Unterhalb von Sonderbauten würden oftmals Maßnahmen gefordert, die keine Rechtsgrundlage hätten und eher auf Wunsch nachgelagerter Stellen im Rahmen von mündlichen Absprachen, ohne Verwaltungsakt, von den Bauherren selbst zu beantragen seien. So werde entweder das Bauen verteuert – teilweise bis zu fünf Euro pro qm Miete im Ergebnis – oder der Bau werde gleich ad acta gelegt. „So gibt es weder schnelleres noch kostengünstigeres Bauen“, sagt Haas. Darüber hinaus stehen für Ihn die Fördermaßnahmen im Feld der Sanierung im Fokus. „Klimaneutralität ist auch eine Frage von sparsamem Umgang mit Ressourcen.“ Auch „grüner Strom“ sei nicht unbegrenzt verfügbar.
„Die Herausforderungen im Bausektor sind erkannt – aber erkannt, heißt noch nicht gelöst“, sagt Haas. „Wir stehen bereit und freuen uns darauf, gemeinsam mit den neuen Ministerinnen und Ministern die Umsetzung anzugehen, damit Deutschland bei der Gebäudesanierung endlich Tempo macht und seine Klimaziele erreicht.”
Sanierung energieintensiver Altbauten in Deutschland stockt
Bei Bau und Sanierung herrscht Ebbe in Deutschland. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, wie sich der Wohnungsbau abschwächt. Zwischen Januar und November 2024 wurden 193.000 neue Einheiten genehmigt, ein Rückgang um 18,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im November 2024 wurden 17.900 Wohnungen genehmigt, 13 Prozent weniger als im Vergleichsmonat des davorliegenden Jahres. „Was als Sicherheit gedacht war, ist zur Dauerbremse geworden“, warnt Haas. „Die Flut an Vorschriften lähmt Bauunternehmer, und treibt, wie gesagt, die Kosten. So wird die Wohnungsnot verschärft, statt gelindert.“
Als eindringliches Beispiel dafür nennt er den vorbeugenden Brandschutz: Seit dem Düsseldorfer Flughafenbrand 1996 wurden die Vorschriften massiv verschärft – mit anfänglichem Erfolg. Die Zahl der Brandtoten sank demnach zwischen 2000 und 2023 um 40 Prozent. Seither stagniere der Effekt jedoch: Die Opferzahlen liegen stabil unter 350 und auch die Schadenssummen blieben konstant. Das zeige, so Haas, dass neue Auflagen kaum mehr Sicherheit bringen, dafür aber wachsende Bürokratie und ein überkompliziertes Baurecht.
Gebäudetyp-E-Gesetz für einfaches und schnelleres Bauen
Laut Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 6. November 2024 sollten mit dem Entwurf eines Gebäudetyp-E-Gesetzes Erleichterungen im Bauvertragsrecht verankert werden. Der Bundestag hatte die Neuregelungen nicht beschlossen, deshalb ist das Gesetz in der 20. Legislaturperiode nicht mehr zustande gekommen.
Der Gebäudetyp E beruht auf Vorschlägen von Architektenkammern zur Änderung des Bauvertragsrechts. Es soll damit einfacher werden, von gesetzlich nicht zwingenden Standards beim Bauen abzuweichen. Dabei geht es laut Vorlage der Bundesregierung nicht um einen bestimmten Gebäudetypus, sondern allgemein um die Möglichkeit, „einfacher, innovativer und kostengünstiger zu bauen“.
Zum einen sollen Bauleistungen, die nur den Komfort- oder Ausstattungsstandard eines Gebäudes betreffen, nicht mehr automatisch Vertragsbestandteil werden. Das solle auch für Regeln gelten, die den Einsatz von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen oder Baustoffen erheblich erschweren. Zum anderen sollte es zwischen fachkundigen Unternehmern und sachkundigen Bauherren – wie zum Beispiel kommunale Wohnungsbaugesellschaften – möglich werden, von den Regeln der Technik abzuweichen.
Der Gebäudetyp E soll bei Neubauvorhaben als auch im Bestand genutzt werden. Die zielgerichtete und nutzerorientierte Anwendung von Baunormen führe zu einem effizienteren Einsatz von Materialien sowie geringeren Planungs- und Baukosten, so das Ziel.
Zentrale Aufgabe der neuen Regierung: Klimaschutz
Der Gebäudesektor verantwortet ein Drittel der bundesweiten CO₂-Emissionen. Die bis 2026 umzusetzende EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) verlangt bis 2035 eine Senkung des Primärenergieverbrauchs des Wohngebäudebestands von mindestens 20 Prozent. Ohne schnellere und einfachere Sanierungsverfahren blieben diese Ziele unerreichbar, sagen Branchenexperten. Im Koalitionsvertrag sichere die Bundesregierung nun zwar zu, die Spielräume bei der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie auszuschöpfen. Die angekündigte Verlängerung der Umsetzungsfristen sieht das DIvB allerdings kritisch – sie berge die Gefahr, dringend notwendige Fortschritte weiter zu verzögern.
Seit Mitte April 2024 haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die überarbeitete Gebäuderichtlinie in nationales Recht zu überführen und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele zu entwickeln. Dabei müssen sich die Mitgliedsstaaten vor allem auf die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz („Worst Performing Buildings“) konzentrieren: Diese sollen demnach 55 Prozent der erzielten Senkung beisteuern.
„Es ist wichtig, dass die neue Bundesregierung das Thema angeht“, so Axel Haas. „Der Koalitionsvertrag ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ein Papier oder eine Unterschrift allein verringert keine CO₂-Emissionen. Die neue Legislaturperiode muss nun genutzt werden, um praxisnahe Standards zu schaffen und Planungsverfahren zu entschlacken. Nur so lässt sich die EU-Gebäuderichtlinie fristgerecht und wirkungsvoll umsetzen.“ na