Bauwende mit Holz: Lörrach plant klimaneutrales Gewerbegebiet

Vom früheren Textilstandort zum Hotspot für nachhaltiges Arbeiten, Forschen und Produzieren: Die Stadt Lörrach schickt sich an, auf einem früheren Industriegelände Deutschlands erstes klimaneutrales Gewerbegebiet in Holzbauweise zu entwickeln.
10.10.2025 – Noch ist vieles im Fluss auf dem rund 8,5 Hektar großen Lauffenmühle-Areal im Norden der südbadischen Kreisstadt. Der Arbeitsplatz von Projektleiter Burkhard Jorg ist dafür das beste Beispiel. Untergebracht ist sein Projektbüro in einem der Gebäudeteile, die im Rahmen der letzten Rückbauarbeiten demnächst der Abrissbirne zum Opfer fallen werden. Künftig ist geplant, die Schaltzentrale in einem ersten, in Holzbauweise konzipierten Pilotgebäude unterzubringen, unter anderem gedacht als Anlaufpunkt für interessierte Unternehmer und Bürger. „Es gibt ganz viele Bausteine, die wir bewegen und die sich in den kommenden Jahren zu einem stimmigen Ganzen fügen werden“, erklärt Jorg. Klar ist: Die Lauffenmühle soll ein starker Wirtschaftsstandort mit Leuchtturmcharakter werden.
Anfragen von Betrieben, die sich dort ansiedeln möchten, gibt es schon jetzt. Architekten, Bauplaner, IT-Dienstleister, Unternehmen der Energiebranche – unter anderem. Ein bunter Branchenmix sitzt da in den Startlöchern. „Die meisten Anfragen kann ich aktuell nur perspektivisch beantworten“, berichtet Jorg. Zunächst muss der Bebauungsplan unter Dach und Fach gebracht werden, bis zur ersten Jahreshälfte 2027 wird das Gebiet im Detail überplant sein. Eine Erschließungsstraße wird voraussichtlich 2028 gebaut. „Bis dahin konzentrieren wir uns auf einzelne Pilotprojekte“, weiß Jorg.
Rückblende
In den 1980er- und 1990er-Jahren hatten mehr als 2000 Menschen auf dem Lauffenmühle-Areal ihren Arbeitsplatz, zu großen Teilen in der Textilbranche. Dann kam die Konkurrenz aus Fernost. Vor allem ab den 1990er-Jahren häuften sich die Insolvenzen; die fünfte und letzte Insolvenz 2019 bedeutete das Ende der Lauffenmühle nach 184 Jahren.
Bereits im Sommer 2018 hatte der Gemeinderat beschlossen, einen Bebauungsplan zur Sicherung und Weiterentwicklung des produzierenden Gewerbes auf dem Lauffenmühle-Areal aufzustellen. Parallel dazu bemühte sich die Stadt Lörrach ebenfalls im Jahr 2018 um einen Ankauf des Geländes, um durch diesen strategischen Grunderwerb wieder mehr Gestaltungsspielraum zu erhalten.
2020 konnte der Kauf mit Hilfe von Fördermitteln des Landes Baden-Württemberg vollzogen werden. Vor diesem Hintergrund schrieb die Verwaltung 2023 einen städtebaulichen Wettbewerb aus mit dem Ziel: Auf dem Lauffenmühle-Areal sollte das erste klimaneutrale Gewerbegebiet in Holzbauweise Deutschlands entstehen. Genau dafür hat der Siegerentwurf eine Grundstruktur festgelegt – mit Geschäftsflächen in unterschiedlicher Größe, einer ringförmigen Verkehrsanbindung, viel Frei- und Grünflächen und eben Potenzial für gewerblichem Holzbau.
Synergien schaffen
Kommt alles wie geplant, werden die Betriebe künftig von einer offenen Arbeitsumgebung, nachhaltigen Liefer- und Wertschöpfungsketten, zirkulärer Wirtschaft, Resilienz und Shared Services profitieren. Schlagworte erst einmal, aber Jorg denkt in Szenarien.
Beispiel Energieversorgung. Die ist zurzeit noch eine Blackbox. Aber mit dem Fraunhofer Institut ISE gibt es eine Kooperation, die hilft, Kernthemen konkret festzuzurren: eigener Solarstrom, Speichersysteme, ein hoher Grad an Autarkie. „Energieversorger fragen stets nach den benötigten Kapazitäten“, erklärt Jorg. „Die haben wir noch nicht. Was wir haben wollen, ist ein Mindset, das idealerweise dem der Betriebe entspricht, die auf das Gebiet kommen wollen.“
Holz als Baustoff nutzen
Auch die geplante Bauweise zahlt auf den Klimaschutz ein: Holz bindet langfristig CO2, während beispielsweise Zement als Großverursacher anthropogener Treibhausgase gilt. So steigt die Holzbauquote in Deutschland seit Jahren stetig an, und Baden-Württemberg liegt mit 33 Prozent bundesweit an der Spitze. „Baut mit Holz, und nutzt die Sonnenenergie“, wird der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber in einer städtischen Info-Broschüre zitiert. 2019 hatte er in Lörrach – am Tag des Handwerks – einen Vortrag über den menschengemachten Klimawandel gehalten.
Für Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdić war dies der entscheidende Impuls, das Thema Holzbau in den Mittelpunkt des größten Lörracher Bauprojekts zu stellen. Seitdem ist sie die treibende Kraft hinter dem Transformationsprozess. Allein der anspruchsvolle Titel öffnet ihr und dem Projektteam Türen, etwa zu Vorträgen weit über Südbaden hinaus.
Und der Holzbau-Ansatz lässt Fördergelder fließen: Neben Städtebaufördermitteln in Höhe von neun Millionen Euro aus dem baden-württembergischen Landes-Sanierungsprogramm wurden zusätzlich 400.000 Euro Zuschuss im Rahmen der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg bewilligt, zudem eine Fördersumme in Höhe von 83.400 Euro im Rahmen der nicht-investiven Städtebauförderung des Landesministeriums für Landesbau und Wohnen. „Es gibt in Deutschland keinen vergleichbaren Ansatz, ein Gewerbegebiet in Holzbauweise zu verwirklichen“, unterstreicht Jorg.
Lauffenmühle – next innovation als Blaupause für Städte und Gemeinden
In Zeiten, da öffentliche Großbauprojekte andernorts Widerstand provozieren (Stuttgart 21, Flughafen Berlin), ist ein Aspekt bemerkenswert: „Lauffenmühle – next innovation“, so der offizielle Projektname, wird getragen durch öffentliche Anerkennung, und es ist eingebettet in Partnerschaften. So haben die politischen Gremien der 50.000-Einwohner-Stadt bisher alle wichtigen Beschlüsse ohne Gegenstimme gefasst. Mit der Dualen Hochschule Lörrach gibt es eine projektbezogene Kooperation. Beste Voraussetzungen für ein richtungsweisendes Projekt, das sich zwar erst noch konkretisiert, aber Vorbildcharakter haben kann für andere Städte und Gemeinden. Benedikt Brüne






















































