Klimaziele im Gebäudesektor: Sanierungsstau wächst mit steigenden Preisen

Investitionen in die energetische Gebäudesanierung gehen zurück, das liegt vor allem an überproportionalen Preisanstiegen der letzten Jahre. Die Klimaziele im Gebäudesektor rücken in weite Ferne. Förderprogramme und Anreize müssten optimiert werden.
19.11.2024 – Die Investitionen in die energetische Gebäudesanierung sind weiter rückläufig, berichtet das Deutsche Wirtschaftsinstitut Berlin (DIW Berlin). Zwar gaben Immobilieneigentümer und Mieter 2023 insgesamt 72 Milliarden Euro für Dämmung, neue Fenster und Türen, einen Heizungstausch oder andere Maßnahmen aus, zwölf Milliarden mehr als zwei Jahre zuvor. Berücksichtige man jedoch, dass die Baupreise in dieser Zeit besonders stark gestiegen sind, gingen die Investitionen im selben Zeitraum um sechs Prozent zurück- so das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie des DIW Berlin, die in Kooperation mit dem Baudienstleister Heinze GmbH entstanden ist und entsprechende frühere Analysen fortschreibt. Betrachtet man die vergangenen zehn Jahre, lagen die realen Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen im Jahr 2023 sieben Prozent unter denen von 2013.
Nach Einschätzung der Studienautoren Martin Gornig und Katrin Klarhöfer rückt das Erreichen der Klimaziele damit – was den notwendigen Beitrag des Gebäudesektors betrifft – in immer weitere Ferne. „Bei Gebäuden ließe sich jede Menge CO2 einsparen, aber man muss diese Chance auch ergreifen“, so Gornig. „Es ist klar, dass es sich bei der energetischen Sanierung des gesamten Gebäudebestands um eine gigantische Aufgabe handelt, die nicht innerhalb eines Jahrzehnts erledigt ist. Dennoch geht es bisher viel zu langsam voran.“ Bereits seit der Jahrtausendwende liegt die Sanierungsrate in Deutschland, gemessen an der Gebäudeoberfläche, bei nur einem Prozent – mindestens zwei Prozent wären aber notwendig.
Für ihre Studie haben Gornig und Klarhöfer Daten aus der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin mit dem von der Heinze GmbH erhobenen Modernisierungsvolumen kombiniert, für das auch repräsentative Umfragen unter Mietern und Eigentümern herangezogen wurden. Damit ließen sich konkrete Aussagen über Art und Umfang realer energetischer Sanierungen treffen, die nicht aus der amtlichen Statistik ablesbar sind, erläutern die Studienautoren.
Teils große Diskrepanzen zwischen Wohn- und anderen Gebäuden
Zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden ging die Entwicklung der einzelnen Teilbereiche der energetischen Sanierung in den vergangenen Jahren deutlich auseinander: Während bei Wohngebäuden im Zehn-Jahres-Vergleich immerhin die Investitionen in die Dämmung von Wänden und Decken sowie in neue Heizungen real gestiegen sind, um bis zu fast 20 Prozent, sind sie laut Studie bei öffentlichen und gewerblichen Bauten – in denen der Sanierungsbedarf vielerorts besonders hoch ist – um bis zu 30 Prozent gesunken. Die Investitionen in neue Fenster und Außentüren befanden sich hingegen in beiden Bereichen gleichermaßen im Sturzflug: Sowohl im Wohnungs- als auch im Nichtwohnungsbau wurden zuletzt real 25 beziehungsweise 30 Prozent weniger investiert als noch 2013, mutmaßlich wegen der sehr energieintensiven Glasproduktion.
Um die Trendwende zu mehr realen Investitionen in die energetische Gebäudesanierung zu schaffen, braucht es nach Ansicht von Gornig und Klarhöfer mehr Investitionsanreize und bessere Förderbedingungen. Dazu zähle auch eine nochmalige Anhebung der Fördergelder. Zwar seien entsprechende Programme für energieeffiziente Gebäude bereits stark aufgestockt worden – so stehen beispielsweise über den Klima- und Transformationsfonds in diesem Jahr mehr als 16 Milliarden Euro bereit. Für einen dringend benötigten starken Impuls für die Sanierungsaktivität reiche angesichts stark gestiegener Bau- und Finanzierungskosten aber selbst das nicht aus.
Sozial gefährlich: Experten mahnen, Effizienz im Blick zu halten
Energieeffizienzexperten haben das aktuell vorgestellte Manifest einer offenbar vom GdW initiierten Initiative scharf kritisiert: Gefordert wird hier ein sogenannter „Paradigmenwechsel“ in der Klimapolitik, berichtet die Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF). Die Rolle der Energieeffizienz von Gebäuden werde damit grundlegend in Frage gestellt: Der angeblich bisher verfolgte „Effizienzpfad“ solle zugunsten einer alleinigen Fokussierung auf CO2-Ziele verlassen werden. Nach Ansicht DENEFF, des Energieberatendenverbands GIH und führender Experten würde diese Strategie zu hohen Transformationskosten führen und Mietende dauerhaft mit hohen Energiekosten belasten.
„Energieeffizienz ist ein zentraler Baustein für bezahlbares Wohnen, eine sichere Energieversorgung und den Klimaschutz. Die Lage ist zu ernst, um die Debatte so zu polarisieren”, sagt Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF. Den im Manifest geforderten Paradigmenwechsel wertet Noll als sozial gefährlich, da er den Mietenden hohe Kosten aufbürde.
„Der alleinige Fokus auf CO2-Werte und eine Absage an Effizienzanforderungen ist kurzsichtig“, kommentiert Benjamin Weismann, Geschäftsführer des GIH. „Was auf den ersten Blick für Vermieter kostengünstiger erscheinen mag – schließlich können sie die Heizkosten auf die Mietenden umlegen –, entpuppt sich für Mietende als unkalkulierbares Kostenrisiko, da diese die Verbrauchskosten tragen.“
Heizungswechsel ist nur die halbe Miete
In der Debatte über energetische Maßnahmen müsse klar zwischen dem Endenergieverbrauch für Wärme und den CO2-Emissionen unterschieden werden, sagt Professor Andreas Holm und stellt klar: „Bisher wurde vor allem in CO2-Reduktionen investiert, etwa durch den Wechsel des Energieträgers. Das funktioniert aber nur, solange der Anteil Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt niedrig ist. Ein vollständiger Umstieg auf erneuerbare Wärme ohne Senkung des Energiebedarfs würde jedoch enorme Investitionen und Importe von synthetischem Gas und Öl erfordern. Die Kosten für den Ausbau von Strom- und Wärmenetzen würden ins Unermessliche steigen.“ Eine höhere Energieeffizienz sei daher parallel dazu dringend notwendig.
Architekt Burkhard Schulze Darup kritisiert, dass eine Strategie, die nur auf die CO2-Intensität der Energieversorgung setzt, die vielen Wohnungsunternehmen diskreditiere, die seit Jahren hervorragende Effizienzstrategien umsetzen. Zudem führe dies zu einer Explosion des Bedarfs an Erneuerbaren Energien vor allem zu Zeiten der kalten Dunkelflaute und treibe somit die Kosten der Energiewende unnötig in die Höhe. „Ein übermäßiger Energieverbrauch bedeutet, dass enorme Mengen Erneuerbarer Energien bereitgestellt und verteilt werden müssten“, so Schulze Darup. „Diese zusätzliche Belastung übersteigt nicht nur die aktuellen Ausbaukapazitäten bei weitem, sie ist teuer und führt wegen der deshalb nötigen Energieimporte zu weiteren Abhängigkeiten.”
DENEFF und GIH fordern daher, im Gebäudesektor vor allem auf Energieeffizienz als wichtiges Mittel zur CO2-Senkung zu setzen. Priorität müsse insbesondere die Sanierung der Bestandsgebäude mit den höchsten Energiekosten haben. Nur so könne die klimafreundliche Transformation bezahlbar und sozial gerecht gestaltet werden. Effizienz sei keine Option, sondern eine unabdingbare Voraussetzung für eine sichere und bezahlbare Energiewende. na