Herr Wahl, Baden-Württemberg baut wie kein anderes Bundesland mit Holz. Woran liegt das?
Das stimmt, Baden-Württemberg liegt bei der Holzbauquote im Vergleich zu den anderen Bundesländern schon seit vielen Jahren an der Spitze. 2024 lag die Quote im Wohnungsneubau deutschlandweit bei 24,1 Prozent, in Baden-Württemberg bei 39,0 Prozent. Zum Vergleich: Niedersachsen kommt nur auf 12,7 Prozent, Nordrhein-Westfalen auf 15,6 Prozent, obwohl es dort auch bewaldete Mittelgebirge gibt, etwa das Sauerland oder den Teutoburger Wald.
Der Unterschied ist in der Tat beachtlich.
Das verwundert aber nicht, denn wir haben im Süden, auch in Bayern, eine hohe Rohstoff-Verfügbarkeit und eine lange Tradition, mit Holz zu bauen. Früher, als es noch keinen Fernverkehr und keine entsprechende Logistik gab wie heute, haben die Leute zum Bauen einfach das genommen, was sie vorgefunden haben. In den genannten Regionen war das häufig Lehm als Baustoff – heute noch zu sehen an den vielen Fachwerkhäusern – im Schwarzwald eben Holz. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Beschäftigung wider: Im Beruf des Zimmerers kommt die Hälfte aller Lehrlinge aus Baden-Württemberg und Bayern, obwohl beide Bundesländer nur 30 Prozent der Bevölkerung stellen.
Nun hat der Wald in den vergangenen Jahren einiges zu verkraften: Stürme, Hitze, Dürre, in der Folge dann der Borkenkäfer. Inwiefern ist die Entnahme des Baustoffs Holz eine zusätzliche Belastung?
Die Waldbesitzer sind starken Belastungen ausgesetzt und haben auch weiterhin große Aufgaben vor sich, Stichwort klimaresilienter Waldumbau. Der Anteil an Fichte und Tannenholz wird sich in den kommenden Jahren weiter reduzieren. Es wäre aber ein falscher Weg, das Holz bis dahin nicht zu nutzen. Holzbau bedeutet ja nicht, Kahlschläge zu hinterlassen, sondern die Wälder naturnah zu bewirtschaften. Was viele nicht wissen: Bäume, die nach einem Wachstum von, sagen wir, 70 oder 80 Jahren gefällt werden, haben in Bezug auf das Treibhausgas CO2 nicht mehr die Zuwachsraten wie junge Bäume. Da ist es sinnvoll, den Speichereffekt fürs Bauen zu nutzen.
Wie viel CO2 kann denn in Holz gespeichert werden?
Man kann sagen, dass etwa eine Tonne Kohlendioxid pro Kubikmeter Holz gebunden werden kann – zu verstehen als Größenordnung, die je nach Baumart und Alter abweicht. Wir müssen aber auch die Alternativen sehen: Je mehr wir mineralisch bauen oder Holz aus anderen Ländern beziehen, desto umweltschädlicher ist das, etwa durch die langen Transportwege. Damit ist niemand geholfen.
Sie sprechen es an: Wie groß ist der Hebel beim Holzbau für den Klimaschutz im Vergleich zu Beton und Mauerwerk?
Das ist deshalb schwer zu sagen, weil es viele Variablen gibt, die man berücksichtigen muss, etwa im Rahmen einer ganzen Lebenszyklusanalyse. Es gibt eine Studie der Ruhr-Universität Bochum, nach der Holzbau gegenüber dem mineralischen Bauen eine CO2-Ersparnis von bis zu bis zu 50 Prozent erzielt. Wohlgemerkt ist das ein Maximalwert. Je nach Konstruktion fällt der Unterschied eben größer oder kleiner aus. Die Autoren der Studie haben ihre Berechnungen ausschließlich mit offiziellen Materialkennzahlen aus anerkannten Datenbanken und von Fachverbänden durchgeführt. Damit basieren die Lebenszyklusanalysen auf vergleichbaren Grundlagen. Insgesamt gilt die Baubranche aber als Riesenverursacher für CO2. Insofern ist der Hebel zu sparen, relativ groß. Und wir haben noch nicht über das Thema Wärmeversorgung gesprochen.
Welche Dinge sollten Häuslebauer beachten, wenn Sie mit Holz bauen? Umgekehrt gefragt: Gibt es Kardinalfehler, die sich leicht vermeiden lassen?
Beim Einfamilienhaus gibt es eigentlich wenig, was man grundsätzlich falsch machen kann. Was viele nicht wissen, ist, dass die Fassade unabhängig von der Konstruktion gestaltet werden kann. Eine Holzkonstruktion muss von außen nicht unbedingt nach Holz aussehen. Eine Holzfassade ist im Vergleich zur Fassade aus Putz relativ teuer. Ebenso sind Fenster aus Holz mit Mehrkosten verbunden, für eine Holzkonstruktion aber kein Muss. Man kann also Kunststoff-Fenster verwenden und hat es trotzdem mit einem Holzbau zu tun. Bei mehrgeschossigen Gebäuden mit größeren Spannweiten und hohen Trägeraufbauten ist es natürlich sinnvoll, so früh wie möglich eine gewisse Holzbau-Kompetenz ins Projekt zu holen.
Im Trend liegen modulare, wiederverwertbare Systeme, etwa Steckverbindungen. Welche Verbesserung bringen die mit sich?
Man schaut heute generell ja vermehrt auf die Lebensdauer eines Produkts und auch einer Immobilie. Insofern ist es gut und sinnvoll, schon bei Planung und Bau eine möglichst flexible Nutzung mitzudenken. Das ist zum Beispiel dann von Vorteil, wenn nach 40 oder 50 Jahren aus einem Bürogebäude Wohnraum werden soll. Sollte eine Umnutzung nicht möglich sein und nur der Abriss in Betracht kommen, ist es von großem Vorteil, wenn der Rückbau bereits in der Planung mitgedacht wurde – etwa um eine Grundtragstruktur wiederverwenden zu können, statt sie zu zerstören.
Welches Holzbauprojekt hat Sie zuletzt am meisten begeistert?
Da würde ich als erstes den „Buggi 52“ nennen, ein achtgeschossiges, 25 Meter hohes Gebäude in Freiburg, mit Supermarkt, Kita und 30 Wohnungen – und das erste FSC-zertifizierte in Deutschland. Das Haus ist ein tolles Vorzeigeprojekt, das großen Pioniergeist und Durchhaltevermögen erfordert und deutschlandweit eine riesige Resonanz erfahren hat. Wir müssen sicher nicht alle achtgeschossigen Gebäude so bauen. Der Buggi hat aber gezeigt, was wir mit Holz machen können. Durch die Kombination von Holzrahmenbau, Massivholzbau und hochfesten Baubucheträgern wurde jedes Bauteil optimal auf die jeweiligen Anforderungen hin konstruiert, was die gesamte Konstruktion außerordentlich effizient macht. Auch für die Aufzugsschächte und Treppenhäuser wurde ausschließlich Holz als Konstruktionsmaterial verwendet.

Das Holzbau-Projekt Buggi 52 wurde Ende 2020 in Freiburg aufgestellt. Das Gebäude liegt mit 25 Metern Gesamthöhe knapp unterhalb der Hochhausgrenze. (Foto: Holzbau Bruno Kaiser GmbH / Martin Granacher)
Sie sagen „als erstes“ – welches Projekt würden Sie ergänzen?
Es gibt viele großartige Holzbauvorhaben, sogar im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Beispielsweise wird zurzeit bei Haslach im Kinzigtal, südlich von Offenburg, eine 140 Meter lange und zwölf Meter breite Schwerlastbrücke im Holzbetonverbund errichtet. Das finde ich ziemlich cool und sehr beeindruckend. Auch dieses Projekt – Deutschlands längste Schwerlastbrücke in Holzbauweise über die Kinzig hinweg – zeigt, was man mit Holz bauen kann.
Herr Wahl, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Benedikt Brüne.
Elias Wahl ist Clustermanager bei pro Holz Schwarzwald, einer Initiative des Verbandes Holzbau Baden e.V., dem Zimmerer- und Holzbauverband für die Region Südbaden. Er ist gelernter Zimmerer und hat an der Fachhochschule Salzburg Holzbau studiert.
Zu den rund 330 Mitgliedsunternehmen des Verbandes Holzbau Baden, zu der die Initiative Pro Holz Schwarzwald gehört, zählen kleine und mittelständische Holzbauunternehmen mit insgesamt 2.200 Beschäftigten. Neben der ProHolzBW GmbH kümmert sie sich um die Holzbauthemen in Baden-Württemberg und organisiert Veranstaltungen wie die Holzbautagung am Donnerstag, 23. Oktober, in Konstanz, an der Interessierte nach Anmeldung vor Ort oder digital teilnehmen können.
Hier geht‘s zur Anmeldung: https://eveeno.com/holzbautagung-konstanz-2025
Weitere Infos: https://www.pro-holz-schwarzwald.com





















































