In diesem Jahr feiert Bürgerenergie Bayern e. V. (BEBay) sein zehnjähriges Jubiläum. Die Landesvereinigung bündelt die wirtschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Interessen aller Bürgerenergie-Akteure im Freistaat. Wir haben mit Markus Käser, dem Vorstandsvorsitzenden des Landesnetzwerks, über zehn turbulente Jahre gesprochen.
Herr Käser, der Dachverband bezeichnet sich selbst als die „Stimme der bayerischen Bürgerenergie“. Was ist damit gemeint?
Damit meinen wir, dass wir als Dachverband die Interessen und Anliegen aller Bürgerenergie-Initiativen und -gesellschaften in Bayern bündeln und sowohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch der Politik vertreten. Wir setzen uns dafür ein, dass die Bürgerenergie in der öffentlichen und politischen Diskussion gehört und ernst genommen wird. Dazu gehört die Unterstützung bei der Umsetzung von Projekten genauso wie die aktive Einflussnahme auf die Gesetzgebung, um die Rahmenbedingungen für Bürgerenergie-Initiativen zu verbessern.
Was waren die Beweggründe, vor zehn Jahren einen solchen Verein zu gründen? Was hat Sie persönlich für dieses Thema motiviert?
2011 wurde Bayern von der Staatsregierung als „Land der Bürgerenergie“ ausgerufen – klang super, war aber im Endeffekt nur heiße Luft. Schon zwei Jahre später kam dann der Rückzieher: Unter dem Druck von Windkraftgegnern und der Atom- und Kohlelobby wurde das „Sabotageprojekt“ 10H vorbereitet, das 2014 dann auch nach einem Gerichtsurteil in Kraft trat. Tausende Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen, die bereits aktiv an der Energiewende arbeiteten, wurden vor den Kopf gestoßen. Die Windkraft in Bayern kam daraufhin fast zum Stillstand.
Da war für uns klar: Jetzt erst recht! Zwölf Genossenschaften haben sich zusammengetan und Bürgerenergie Bayern gegründet, um ein starkes, politisch unbequemes Gegengewicht zu schaffen. Persönlich war ich müde von leeren Versprechen und rückwärtsgewandten Entscheidungen. Bürgerenergie sollte und muss ein fester Bestandteil der Energiewende sein, mit fairen Regeln und einer klaren Beteiligung der Menschen vor Ort. Wir wollten ein starkes Bündnis schaffen, das die Interessen der Bürger mit Nachdruck vertritt – und das haben wir geschafft!
Welches Erlebnis in Ihrer Amtszeit war für Sie besonders einprägsam?
Ein echtes Highlight war die Gründung von „bavariastrom“ in Kooperation mit naturstrom. Endlich ein Stromprodukt von uns Bürgern selbst. Es war ein Meilenstein, der gezeigt hat, wie leistungsfähig die Bürgerenergie in Bayern ist, wenn verschiedene Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen. Genauso stolz bin ich auf die Gründung des zweiten bayerischen Genossenschaftsverbandes, der Genossenschaftliche - aus der Mitte der Akteure von Bürgerenergie Bayern e. V. heraus. Und natürlich unsere Aufnahme in den Energiebeirat der Staatsregierung – auch „das bayerische Energieparlament“ genannt. Da sitzen wir jetzt mit am Tisch und sind definitiv nicht die Stummen in der letzten Reihe!
Und was waren die größten Herausforderungen der letzten zehn Jahre? Haben sich die Themenfelder von BEBay im Laufe der Jahre verändert?
Die größte Herausforderung? Ganz klar: Die ständigen Wendungen und Irrungen der Politik. Mit der 10H-Regelung hat die bayerische Staatsregierung 2014 der Windkraft den Dolchstoß verpasst. Das war ein echter Rückschlag. Aber wir wären nicht Bürgerenergie Bayern, wenn wir uns davon hätten unterkriegen lassen! Statt aufzugeben, haben wir unsere Themenfelder erweitert: Heute geht es nicht mehr nur um die Erzeugung von Energie, sondern auch um Netzausbau, Speicherung, Effizienz und lokale Strommärkte – sprich, Energy Sharing.
Sie haben es bereits angesprochen: BEBay hat gemeinsam mit naturstrom das erste bayernweite Stromprodukt aus Bürgerhand – bavariastrom – ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?
Unser gemeinsames Projekt „bavariastrom“ ist das erste landesweite Regionalstromprodukt, das nicht den großen Energiekonzernen gehört, sondern uns Bürgern. Strom aus bayerischen Bürgerenergieanlagen, komplett grün und die Wertschöpfung bleibt in der Region. So geht Energiewende von unten. Es ist eine klare Kampfansage an die etablierten Energiekonzerne: Wir machen unser eigenes Ding, und das auch noch besser und nachhaltiger. Ein echter Gamechanger.
Sie haben nicht nur einen großen Erfahrungsschatz in Sachen Bürgerenergie, sondern sind auch sehr aktiv in der bayerischen Lokal- und Landespolitik. In Ihrer Heimatstadt Pfaffenhofen und dem dazugehörigen Landkreis haben Sie die Energiewende von Anfang an begleitet und maßgeblich mitgestaltet. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit mit Kommunen und anderen Akteuren für den Erfolg von Bürgerenergieprojekten?
Die Zusammenarbeit mit Kommunen und anderen Akteuren ist absolut entscheidend. Bürgerenergieprojekte sind nur so stark wie das Netzwerk dahinter. Ohne die Kommunen als Partner wären viele Projekte nicht einmal in die Startlöcher gekommen. Die Energieversorgung der Zukunft ist dezentral, regional und erneuerbar – und dafür brauchen wir jeden an Bord: Bürger, Kommunen, lokale Unternehmen. Alle müssen mit anpacken, sonst wird’s nichts.
2016 hat ein Großteil der Pfaffenhofener bei einem Bürgerentscheid für den Bau von drei Bürgerwindrädern gestimmt. In Zeiten der 10H-Abstandsregelung keine Selbstverständlichkeit. Was war das Erfolgsrezept?
Das Erfolgsrezept war simpel: Transparenz, eine ehrliche Kommunikation und der Mut, gegen den Strom zu schwimmen – im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere positive Kampagne „Pfaffenhofen schafft’s“ war ein Volltreffer, weil wir die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an eingebunden haben. Diese Partizipation hat das Vertrauen gestärkt und eine breite Akzeptanz geschaffen. Zudem haben wir intensiv über die Vorteile der Windenergie aufgeklärt und gezeigt, dass die Energiewende vor Ort machbar und sinnvoll ist. Und siehe da: Die Leute sind eben nicht auf den Kopf gefallen. Sie haben erkannt, dass die Energiewende in der eigenen Hand liegt.
Ist der Verein auch mit den Landesverbänden anderer Bundesländer vernetzt? Wenn ja, unterscheiden sich die Themenfelder in den anderen Regionen?
Ja, wir sind eng mit den Landesverbänden anderer Bundesländer und dem Bündnis Bürgerenergie Berlin e. V. vernetzt. Mit den Landesverbänden anderer Bundesländer und dem Bündnis Bürgerenergie Berlin e. V. sind wir im ständigen Austausch. Die Hauptthemen sind überall dieselben: Erneuerbare Energien, Bürgerbeteiligung, regionale Wertschöpfung. Aber es gibt regionale Nuancen. In Bayern kämpfen wir vor allem mit den Folgen der 10H-Regelung und der Tatsache, dass die Bundeswehr offensichtlich davon ausgeht, dass sie das Land nur ohne Windräder verteidigen kann - was den Bau von Windkraftanlagen auf einem Drittel des Landes faktisch unmöglich macht. Aber was soll's – Herausforderungen sind dazu da, gemeistert zu werden!
Lassen Sie uns noch ein wenig in die Zukunft blicken. Im Jahr 2050 schauen Sie auf unser Energiesystem und fühlen sich …? Welche Rolle sehen Sie für Bürgerenergie in der zukünftigen Energiepolitik Deutschlands?
Im Jahr 2050 bin ich 75 Jahre alt, und ich werde auf ein Energiesystem blicken, das wir komplett umgekrempelt haben – dezentral, regenerativ und von Bürgern getragen. Ich sehe Bürgerenergie als Rückgrat der deutschen Energiepolitik. Das Beste daran? Wir haben es nicht nur den großen Konzernen gezeigt, sondern auch dem Planeten einen Gefallen getan. Also, ich werde mich stolz und zufrieden fühlen – und vermutlich auch ein wenig erleichtert, dass ich das alles noch erleben durfte.
Welches ist Ihr liebstes Bürgerenergieprojekt in Bayern?
Da gibt es einige, aber wenn ich ein Projekt hervorheben muss, dann sind es die Bürgerwindräder in meiner Heimatstadt Pfaffenhofen. Die stehen für das, was uns ausmacht: Hartnäckigkeit, Engagement und der Wille, etwas zu bewegen – egal, wie dick die Bretter sind, die wir bohren müssen. Und natürlich feiere ich die Erfolge unserer Mitglieder im ganzen Freistaat. Jedes Projekt ist ein Beweis dafür, dass Bürger zusammen Großes erreichen können – auch gegen die Interessen großer Konzerne.
Das Gespräch führte Nina Lang – Projektmanagerin Bürgerenergie bei naturstrom.
Kommentare
Karl Wittmann vor 1 Woche
Das ist schon lange der richtige Ansatz. Nicht die Stromkonzerne oder Kapitalstarke Investoren bringen den großen Nutzen für die Allgemeinheit, sondern starke Bürger Initiativen mit großer Akzeptanz in der Bevökerung bringen uns vorwärts. Das wichtigste ist aber das der Mehrwert bei den Bürgern bleibt und nicht bei den Konzernen.
Leider Haben wir eine viel zu kleine Lobby gegenüber der Finanz Mafia.