Mitbestimmen und mitverdienen: Bürgerenergie gehört auf die Agenda der Politik

Bürgerenergie-Akteure in ganz Deutschland formulieren ihre energiepolitischen Anliegen an Parteien und Abgeordnete. Sie verdeutlichen, dass die Energiewende auf breite Unterstützung angewiesen ist – die wiederum politisch befördert werden kann.
23.01.2025 – Die im Bündnis Bürgerenergie organisierten Bürgerenergiegemeinschaften formulieren ihre Forderungen an die neue Bundesregierung. In den nächsten Wochen werden Bürgerenergie-Akteure vor Ort die Forderungen an Parteien und Abgeordnete herantragen. Engagierte Bürger und Bürgerinnen haben die Energiewende seit Jahrzehnten mitgestaltet und vorangetrieben, Wind- und Solaranlagen gebaut und die finanziellen Mittel dafür aufgebracht. Sie wollen weiterhin Motor und Mitgestalter der Energiewende sein.
Dort, wo Menschen gemeinsam von den finanziellen Vorteilen profitieren, entsteht Zusammenhalt statt Spaltung. Dort, wo Bürger und Bürgerinnen gemeinsam Windparks, Nahwärmenetze und Ladeinfrastruktur voranbringen, wird die Wirtschaft gestärkt und Unabhängigkeit von Energieimporten möglich. Dort, wo Menschen gemeinsam Lösungen finden, wird Demokratie gelebt und der Populismus in die Schranken gewiesen. Deshalb sollte die Stärkung der Bürgerenergie in allen Parteiprogrammen ihren Platz finden und die nächste Bundesregierung die passenden Rahmenbedingungen für die Bürgerenergie schaffen.
Neue Regeln im Strommarkt sollten Teilhabe stärken
Entscheidend sei Kontinuität. Jede angekündigte Änderung bestehender Regeln führe zu Unsicherheit und aufgeschobenen oder ganz fallen gelassenen Projekten. Bürgerenergie-Projekte sind davon ganz besonders betroffen. Deshalb sollten alle neuen Regeln auf ihre Wirkungen für kleine und mittlere Akteure geprüft werden. Ausnahmeregelungen sollten, wenn notwendig sofort auf den Weg gebracht werden, nicht erst dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen sei.
Vor allem zwei geplante Änderungen am Strommarktdesign wären für die Bürgerenergie ein Bremsklotz: die geplante Absenkung der Direktvermarktungsschwelle und der Wegfall der Absicherung bei negativen Börsenstrompreisen. Dabei machte Martin Bialluch, Vorstandsprecher des Bündnis Bürgerenergie (BBEn) bei der Vorstellung der Wahlkampfforderungen deutlich, dass sich die Bürgerenergie-Akteure nicht grundsätzlich gegen die geplante Pflicht zur Direktvermarktung auch für kleinere Anlagen unter 100 Kilowatt Leistung stemmen. Nur seien die Prozesse dafür derzeit kompliziert und deshalb teuer, eher würden Anlagen gar nicht oder kleiner gebaut, um dieser Pflicht zu entgehen.
„Gerade größere PV-Dachanlagen, die ja keine zusätzlichen Flächen benötigen, sollten von Ballast und Hürden befreit werden. Sie bieten für Bürgerenergiegesellschaften im Schulterschluss mit den Kommunen ein wichtiges Ausbaupotenzial“, betonte Kristina Wittig, Vorsitzende der Genossenschaft WirMachenEnergie eG - Plattform für Bürgerenergie in Mittelsachsen. Sie berichtete von einem konkreten Projekt, bei dem eine Solaranlage auf einem kommunalen Dach absichtlich kleiner dimensioniert wurde, um nicht zur Direktvermarktung verpflichtet zu werden. Die Vermarktung wäre so teuer gewesen, dass die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben war. Und dies bereits bei der jetzt geltenden Leistungsschwelle ab 100 Kilowatt.
Eine weitere geplante Änderung, die mit Sorge gesehen wird: der Wegfall der Vergütung bei negativen Strompreisen. Sie soll zwar nur für Neuanlagen gelten, könnte also in Wirtschaftlichkeits- und Vermarktungskonzepte eingepreist werden, aber für gerade in Planung befindliche Projekte ist sie schädlich. Die Unsicherheit stoppt laufende Projektplanungen. Ein Wegfall der Absicherung widerspreche der Zielsetzung, die Absicherung für erneuerbare Energien erst dann einzustellen, wenn der Strommarkt flexibel ist und ausreichend Speicher verfügbar sind, so ein Argument des BBEn. Die als Kompensation vorgesehene Verlängerung des Vergütungszeitraums ist für kleine Akteure keine Lösung, da die Liquidität nicht gesichert ist und Insolvenzen drohen. Ein Projekt gerate leicht in Schieflage, wenn in einem Jahr deutlich mehr negative Stunden als erwartet zu verzeichnen sind. Die Bürgerenergie kann diese finanziellen Risiken nicht über Skaleneffekte wettmachen.
Aufhebung der Sperrfrist für Bürgerenergie-Projekte und Energy Sharing endlich ermöglichen
Die gesetzlich verankerte Sperrfrist für Bürgerenergiegesellschaften, die nur ein Wind- oder Solarfreiflächenprojekt außerhalb von Ausschreibungen in drei Jahren erlaubt, muss fallen, so eine weitere Forderung der Bürgerenergie. Und das Energy Sharing, das gemeinsame Nutzen von Strom aus den gemeinsam errichteten Anlagen, braucht endlich einfache und klare gesetzliche Regeln.
Erneuerbaren Ausbau soll weiter in Bürgerhand erfolgen
Die Bürgerenergie-Akteure fordern, ein Bürgerenergieziel im Koalitionsvertrag zu verankern. 40 Prozent der neu installierten Leistungen soll sich in Bürgerhand befinden, im Wesentlichen eine Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Status Quo. So werde die lokale Wertschöpfung und Teilhabe an der Energiewende garantiert. Ein regelmäßiger Bürgerenergie-Gipfel soll den Dialog mit der Politik sicherstellen.
Die Transformation im Wärmesektor benötigt massive Investitionen. Damit Fremdkapital für neue Wärmeprojekte akquiriert werden kann, schlägt der BBEn ein bundesweites Bürgschaftsprogramm vor. Es könnte sich an bestehenden Vorbildern in Schleswig-Holstein oder NRW orientieren.
Damit die Bürgerenergie wettbewerbsfähig bleibt, wünschen sich die Akteure eine Ausweitung des bestehenden Förderprogramm für Windenenergie an Land auf Photovoltaik, Wärme- und Energieeffizienzprojekte. Wo werden Planungen für größere Projekte unterstützt bzw. überhaupt erst ermöglicht.
Hier sind die Forderungen der Bürgerenergie zusammengefasst und erklärt.