Kommunaler Klimaschutz: Chemnitz ist Energie-Kommune des Jahres

Nicht nur als Kulturhauptstadt Europas kann Chemnitz punkten. Die sächsische Großstadt wurde überdies als Energie-Kommune des Jahres ausgezeichnet. Viel Strom aus Sonne und Wind sowie nachahmenswerte Wärme-Projekte kann die Kommune vorweisen.
20.02.2025 – Per Abstimmung kürte die Agentur für Erneuerbare Energien die Energiekommune des Jahres 2024. Chemnitz konnte sich im Finale gegenüber Bundorf und Tübingen durchsetzen.
In Chemnitz, einst wichtiges Zentrum der Textilindustrie sowie im Maschinen- und Fahrzeugbau, ging Anfang des Jahres 2024 das letzte Kohlekraftwerk der Stadt vom Netz. Seitdem sorgen zwei Motorenheizkraftwerke für Wärme und Strom. Sie können Erdgas, Biogas, synthetisches Gas und bis zu 20 Prozent Wasserstoff im Gasgemisch verbrennen. Zukünftige Motorengenerationen sollen dann bis zu 100 Prozent Wasserstoff verbrennen können.
2040 will die Stadt klimaneutral sein, seit 2019 existiert ein Klimaschutzkonzept. Besonders im Bereich der Solarenergie wurde in Chemnitz in den vergangenen fünf Jahren viel vorangetrieben. Zehn Prozent des städtischen Strombedarfs werden derzeit von Erneuerbaren erzeugt, doppelt so viel wie 2013.

Blick auf Chemnitz. Der Schornstein gehört zum Heizkraftwerk Nord, dass im Januar 2024 stillgelegt wurde. (Foto: Gunnar Kaplick auf Unsplash / Unsplash-Lizenz)
Über 65 Prozent der installierten Leistung bei den Erneuerbaren Energien (2022: 70 MW) gingen auf Photovoltaik zurück. Gefolgt von Windenergie mit 13,1 Prozent. Vor zwei Jahren wurde Chemnitz zur Solarhauptstadt 2022 gekürt: Mit 0,29 Megawatt pro 1.000 Einwohner installierter Solarleistung, gefolgt von Erfurt (0,27), Halle (0,26) und Münster (0,25). Sowohl Privatanlagen als auch Anlagen auf städtischen Gebäuden tragen dazu bei.
Die Kommune ist Gründungsmitglied des Europäischen Netzwerks für Kreative Dachnutzungen. Zusammen mit Städten wie Amsterdam, Antwerpen, Barcelona, Belfast, Faro, Göteborg, Nikosia und Rotterdam will das Netzwerk Dachlandschaften entwickeln. Dachkunst, Cafés oder auch Dachgärten als Klimaanpassungsmaßnahmen spielen neben Photovoltaik eine große Rolle.
Wärmewende im Quartier
Im Bereich der Wärme sind sechs Prozent erneuerbar, wobei Holz und Pellets den Löwenanteil ausmachen, aber auch Umgebungswärme und Solarthermie tragen immer mehr zur Wärmewende bei. Als Vorzeigebeispiel gilt das Gründerzeitquartier Brühl. Im Zuge einer Aufwertungsstrategie des Brühls wurde mit der TU Chemnitz, dem Energiedienstleister eins energie in sachsen sowie dem Netzbetreiber inetz ein energetisches Quartierskonzept erarbeitet. Dabei ging es um die technische Modernisierung und Erweiterung des vorhandenen Fernwärmenetzes sowie den Einsatz von Solarthermieanlagen und eines Wärmespeichers.
2016 wurden das 1.800 Quadratmeter umfassende Solarthermiefeld und ein solarer Wärmespeicher in unmittelbarer Nähe zum Brühl in Betrieb genommen. Schafe finden dort zwischen Solarpanelen Schatten und halten den Grünwuchs kurz, sodass der Einsatz von Maschinen nicht notwendig ist. Die Solaranlagen liegen an einem Umweltlehrpfad, der von Familien gern genutzt wird. Kinder erleben so Tiere und Technik vereint inmitten der Stadt. In der Solarthermieanlage wird Wasser durch Solarenergie erhitzt, welches je nach aktueller Wärmenachfrage in das Quartiers-Fernwärmenetz eingespeist oder dem 1.000 Kubikmeter großen Wärmespeicher zugeführt wird. Mehr als vier Kilometer Wärmeleitungen führen zu den Haushalten im Brühl. Das Wärmenetz wurde 2018 fertiggestellt. 2022 war der Anschluss der Haushalte im Quartier schließlich komplett abgeschlossen.
Investition ohne Mietsteigerungen
Auch die Menschen im Brühl profitieren auf verschiedene Weisen von der klimafreundlichen Wärmeversorgung. Grit Stillger, Abteilungsleiterin Stadterneuerung im Stadtplanungsamt Chemnitz erklärt: „Die Fernwärme in Chemnitz ist seit Jahrzehnten eine verlässliche Quelle für angenehm warmes Wohnen in kalten Jahreszeiten.“ Dabei wird mit dem neuen Niedertemperaturnetz am Brühl genau die Wärme geliefert, die gebraucht wird, ohne Verluste und auch noch zu einem großen Teil von der Sonne gespeist. Dieses Konzept und seine schnelle Umsetzung sind deshalb von den Eigentümern und auch den Bewohnern im Quartier gut angenommen worden. Mietsteigerungen durch diese Investitionen konnten vermieden und Betriebskosten gesenkt werden. Der Ansatz wird nun auch auf andere Quartiere ausgeweitet und in die Kommunale Wärmeplanung aufgenommen.
Auch die Windenergie ist für die Kommune kein rotes Tuch. Im Nordwesten, im Ortsteil Rabenstein, befinden sich sieben Windenergieanlagen. Vier davon werden von eins energie in sachsen betrieben, zwei weitere sollen folgen. Hierfür stimmte der Stadtrat sogar der Unterschreitung des Mindestabstandes von 1.000 Metern zur Wohnbebauung zu. Damit sollen jeweils 7 Megawatt Leistung hinzukommen. Die Idee ist, damit das Vitesco-Werk in Limbach-Oberfrohna (Vitesco ist inzwischen mit der Schaeffler AG verschmolzen) mit Strom zu versorgen, das mit dem Strom grünen Wasserstoff herstellt. Darüber hinaus wird Juwi am Standort Chemnitz-Altenhain drei Windkraftanlagen der 6-Megawatt-Klasse errichten.
Industrie dekarbonisieren, Anschluss ans Wasserstoffkernnetz erkämpfen
Die Dekarbonisierung der Industrie spielt für Chemnitz eine tragende Rolle. Ein wesentlicher Baustein dafür ist grüner Wasserstoff. Seit fast zehn Jahren setzen sich Forschungseinrichtungen und Wirtschaft hier mit der Entwicklung von grünen Wasserstofftechnologien und der industriellen Fertigung von Brennstoffzellen auseinander. 2017 wurde das Wasserstoffcluster „HZwo e. V.“ gegründet, Träger des gleichnamigen sächsischen Innovationsclusters „Wasserstoffland Sachsen“. Arbeitskreise zum Aufbau einer Wasserstoffwertschöpfungskette von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zur Anwendung wurden gebildet und durchgeführt.
Im August 2024 besiegelten Bund und Freistaat Sachsen den Aufbau des Nationalen Wasserstoffzentrums in Chemnitz. Mit 72,5 Millionen Euro fördert der Bund das Vorhaben. Allerdings musste Chemnitz inzwischen eine herbe Enttäuschung erleben: Im geplanten bundesweiten Wasserstoffkernnetz ist für Chemnitz kein Anschluss vorgesehen. Mehrere Akteure kämpfen nun im Wasserstoffbündnis Region Chemnitz dafür, dass die Region an das Wasserstoffkernnetz angebunden wird.
Mobilität mit und ohne Wasserstoff
Bei Mobilität und Verkehr sind die Anstrengungen vielfältig. Vielleicht kommt schon bald ein Wasserstoff-Motorrad auf die Straße, dass unter anderem mit einem Unternehmen aus der Region entwickelt wird. Das größte Verkehrsunternehmen der Stadt Chemnitz, die CVAG, lässt die Straßenbahnen der Stadt seit 2017 mit umweltfreundlichem Strom fahren. Eine Modellroute für den Rad- und Fußverkehr wurde mit breiter Bürgerbeteiligung entwickelt, auch die Umgestaltung von Brachflächen entlang der Route wird angestrebt. Weitere Verkehrsprojekte der Stadt sollen ebenfalls gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern entwickelt werden.
Inspiration für die ganze Region
„Durch den entschlossenen Ausbau Erneuerbarer Energien, die Vorreiterrolle in der Wasserstoffforschung, die kreative Nutzung urbaner Dachflächen und die starke Einbindung der Bevölkerung beweist Chemnitz, dass Klimaschutz, Kultur und wirtschaftliche Stärke Hand in Hand gehen können. Eine Kommune, die nicht nur nachhaltige Energie produziert, sondern auch eine ganze Region inspiriert – herzlichen Glückwunsch Chemnitz!“, so würdigte Robert Brandt, AEE-Geschäftsführer, die Stadt anlässlich der Auszeichnung. pf