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Nachgefragt 23.04.2025

Frauen für die Energiewende

„Wir wollen zeigen, dass es nicht die eine Person gibt, die sich in der Bürgerenergie engagieren kann. Jede kann ihre Stärken einbringen und ihren Platz finden.“

Dr. Lara Track, Senior Projektmanagerin / Coachin beim Netzwerk Energiewende Jetzt e.V. leitet die Kampagne Frauen* für die Energiewende


Nachgefragt 23.04.2025

Frauen für die Energiewende

„Wir wollen zeigen, dass es nicht die eine Person gibt, die sich in der Bürgerenergie engagieren kann. Jede kann ihre Stärken einbringen und ihren Platz finden.“

Dr. Lara Track, Senior Projektmanagerin / Coachin beim Netzwerk Energiewende Jetzt e.V. leitet die Kampagne Frauen* für die Energiewende



Was ist das Netzwerk Energiewende Jetzt e.V.?

Das Netzwerk Energiewende Jetzt geht zurück auf eine Weiterbildung, bei der zwischen 2010 und 2015 über 220 Projektentwickler*innen für Energiegenossenschaften ausgebildet wurden. Anschließend haben sich über 35 Energiegenossenschaften gegründet. Da war klar, dass es den Bedarf gibt für ein Netzwerk, das im Bereich der Bürgerenergie tätig wird, mit Bildungsangeboten, Beratungsangeboten und somit die Energiewende in Bürgerhand voranbringt. Heute wollen wir immer noch die Energiewende in Bürgerhand stärken und machen weiter Bildungs- und Beratungsarbeit, haben aber die Schwerpunkte ausgeweitet und sind auch in den letzten Jahren ein bisschen gewachsen.

Einer dieser Schwerpunkte sind Frauen und Diversität.

Frauen für die Energiewende gibt es seit 2021 als Schwerpunkt. Aktuell gestalten wir die Kampagne Frauen* für die Energiewende und sind in einem größeren mehrjährigen Forschungsprojekt aktiv. Die Kampagne zielt darauf ab, Frauen zu erreichen und von der Bürgerenergie zu begeistern, die Teilhabe von Frauen zu steigern, und auch in der Bürgerenergie-Community das Thema präsenter zu machen. Wir wollen zeigen, was Bürgerenergiegemeinschaften tun können, wenn sie gerne mehr Frauen in ihren Reihen hätten. Denn die meisten hätten das gern. Das Forschungsprojekt heißt EPOS, das steht für Energiewende und Gender – Potentiale der Stärkung von Diversität in der Bürger*innen-Energie. Es ist ein Verbund Projekt, bei dem Forschungs- und Praxispartner zusammenarbeiten. Wir sind einer der Praxispartner, um die Potenziale von Teilhabe an der Energiewende zu erforschen, und Möglichkeiten zu erarbeiten, wie man sie stärken kann. Das Projekt ist 2024 gestartet und läuft bis 2027. Es geht um die gesamtgesellschaftliche Herausforderung, möglichst breite Bevölkerungskreise in die Energiewende als Mitgestalter einzubeziehen. Weiterhin bieten wir immer wieder Bildungsangebote an, die sich spezifisch an Frauen oder FLINTA-Personen richten. [FLINTA = Frauen, Lesben, Inter-, Nonbinär-, Trans- und Agender-Personen, Anm. d. Red]

Wie sehen diese Angebote aus?

Wir sitzen in Heidelberg, unser Verein ist aber deutschlandweit aktiv. Für Bürgerenergie-Gemeinschaften bieten wir einerseits ein Beratungsangebot an. Da machen wir Coachings, ganz nach dem Bedarf der Bürgerenergiegemeinschaft. Klassisch sind Themen der Organisationsentwicklung, zum Beispiel, wie man es schafft, ins Hauptamt zu kommen, weil viele Bürgerenergiegemeinschaften erst mal ehrenamtlich arbeiten. Dann haben wir Bildungsangebote für Energiegemeinschaften, aktuell wäre das unser Workshop für die Versorgung von Mehrparteienhäusern. Spezifisch für Frauen bieten wir im Mai zum Beispiel Bürgerenergie für Einsteiger*innen an. Da geht es erstmal darum: Was ist überhaupt Bürgerenergie? Welche Bereiche gibt es? Wie kann man aktiv werden? Warum lohnt es sich, aktiv zu werden? Wir wollen zeigen, dass es nicht die eine Person gibt, die sich in der Bürgerenergie engagieren kann, und man auch nicht unbedingt Elektrotechnik oder Erneuerbare Energien studiert haben muss, um dabei zu sein. Jede kann ihre Stärken einbringen und ihren Platz finden.

Warum ist es wichtig, sich spezifisch an Frauen zu richten?

Wir brauchen ein Angebot, das sich an Frauen richtet, weil Frauen in der Energiewende zwar aktiv sind, aber deutlich unterrepräsentiert. Das gilt für die Aktiven allgemein wie auch für die Vorstände. Es gibt auf jeden Fall tolle aktive Frauen und es gibt auch Bürgerenergiegenossenschaften, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich diverser aufzustellen. Trotzdem sind viele weiterhin stark männlich dominiert sind. Das finden die Genossenschaften meistens selbst schade, weil ihnen das wichtige Ressourcen nimmt. Man kann ohne Frauen nur etwa 50 Prozent des Potenzials heben. Dabei sind Frauen eigentlich sehr interessiert an Nachhaltigkeit und Klimaschutz, also an Themen, die für Energiegenossenschaften relevant sind. Das zeigen zum Beispiel Studien vom Umweltbundesamt. Es ist eigentlich überraschend, dass Frauen nicht stark vertreten sind.

Den Frauen selbst entgeht dadurch Teilhabe. Einerseits vor Ort, denn Energiegenossenschaften sind lokal und dezentral tätig, und gestalten ihre Gemeinschaft vor Ort mit. Da sollten Frauen vertreten sein, da sollten auch die Perspektiven von Frauen vertreten sein, denn Frauen haben bei verschiedenen Aspekten des Lebens andere Bedürfnisse. Es gibt ganz viele Bereiche, in denen Frauen im öffentlichen Raum andere Bedarfe haben. Statistisch nutzen Frauen zum Beispiel öfter den ÖPNV als Männer. Ihre Perspektiven sollten auf jeden Fall einfließen, auch in Energiegenossenschaften. Gleichzeitig ist es natürlich eine Frage von finanzieller Teilhabe. Funktioniert eine Energiegenossenschaft gut und schüttet Dividenden aus, dann ist es wichtig, dass auch Frauen investieren und profitieren können. Es ist also eine Win-Win-Situation: Die Energiegenossenschaften profitieren, wenn Frauen sich mehr engagieren, und die Frauen profitieren, wenn sie mehr teilhaben.

Wie kommt es, dass Energiegenossenschaften eine Männerdomäne sind?

Vom Patriarchat, ein bisschen flapsig gesagt. In unserer Gesellschaft sind bestimmte Lebensbereiche historisch so gewachsen, dass sie als gegendert wahrgenommen werden. Da gehört das Handwerk dazu, auch Elektrotechnik und Energietechnik ist tendenziell gegendert, das heißt, es wird als männliche Domäne wahrgenommen. Dazu kommen Faktoren wie Zeit. Studien zeigen immer wieder, dass Frauen insgesamt weniger Zeit haben, besonders in spezifischen Lebensabschnitten, wenn es besonders viel Care-Arbeit zu tun gibt.

Bürgerenergie ist eine Möglichkeit, Gesellschaft und auch Demokratie zu leben. In Bürgerenergiegemeinschaften oder Genossenschaften ist es egal, wie viele Anteile jemand hält, jedes Mitglied hat eine Stimme und kann auf der Generalversammlung mitentscheiden. Das ist ein wichtiges Instrument der Zusammenarbeit und stärkt demokratische Strukturen vor Ort. Frauen bringen ein großes Potenzial mit, das sie einbringen können.

Welche Angebote sprechen Frauen an?

Wir versuchen Angebote zu machen, die Hemmschwellen abbauen. Wir hatten eine sehr erfolgreiche Reihe zum Thema Solar-Selbstbau für Frauen. Die war sehr beliebt, da merkt man, dass Frauen durchaus Lust auf so was haben. Es ging zum einen darum, Wissen über Photovoltaik an Frauen zu vermitteln, und auch die praktischen Kompetenzen im Solar-Selbstbau. Wir haben mit Referentinnen von Solocal Energy e.V. auf drei Solarbaustellen auf den Dächern Workshops veranstaltet und es kam sehr gut an. Zum anderen wollten wir Frauen die Möglichkeit geben, sich untereinander zu vernetzen, und sie für eigene Projekte stärken. Einige haben daraufhin bei sich im Ort eine Solar-Selbstbau-Gruppe aufgebaut. Es gibt Hemmungen, in Räume zu gehen, die stark von Männern dominiert sind. Wenn Frauen von Frauen lernen, ist uns von den Teilnehmenden immer wieder zurückgespiegelt worden, dass es eine andere Atmosphäre ist, die ihnen das Lernen leichter macht.

Die andere Seite der Medaille ist, wie sich Bürgerenergiegemeinschaften sich so aufstellen können, dass sie für Frauen attraktiv sind, oder ein gutes Arbeitsumfeld bieten. In Beratungssituationen liefern wir zum Beispiel Best-Practice-Beispiele, und geben auch Material an die Hand. Die Energiegenossenschaft BEGeno in Bremen hat zum Beispiel ein Programm durchgeführt, um ihren Aufsichtsrat zu diversifizieren. Sie haben gezielt Frauen angesprochen und in ihrer Mitgliederschaft geschaut, wer dafür gut geeignet wäre. Damit haben sie es geschafft, sich neu aufzustellen. An der Belegschaft sieht man einfach, dass das ein Schwerpunkt ist. Auch die Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG) setzt darauf, ihren Aufsichtsrat zu diversifizieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Julia Broich

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