10 Jahre Bündnis Bürgerenergie: Genossenschaft mit vielen Partnern
Die Ilmtal eG aus Thüringen realisiert Projekte häufig gemeinsam mit anderen Genossenschaften. Der Kooperationsgedanke wurde ihr sozusagen in die Wiege gelegt und ist mit den Jahren gewachsen. Wind- Solar- und Ladestrom finden sich im Portfolio.
30.07.2024 – Die Ursprünge der Energiegenossenschaft Ilmtal sind vielfältig. Erste Solarprojekte in der Stadt Weimar gehören dazu, später ein Impuls des umliegenden Landkreises. Die Stadt Weimar wollte kommunale Dächer mit Photovoltaik belegen. Aus diesen Anfängen entstand die Energie in Bürgerhand Weimar. Ungefähr zur gleichen Zeit schrieb der Landkreis Weimarer Land eine ehemalige Deponiefläche zur Energieerzeugung aus. Der Solarpark Rittersdorf nahm Gestalt an und der Bürgermeister suchte nach genossenschaftlicher Beteiligung, die schließlich in Form einer eigenen Genossenschaft zustande kam.
2017 fusionierten die Genossenschaft aus Rittersdorf und Bürgerhand Weimar zur Ilmtal eG. Der Grund dafür ist naheliegend. In den Jahren nach 2012 fanden sich nur wenige attraktive Projekte. Der Ausbau lahmte, beide Gemeinschaften hatten aber den Verwaltungsaufwand für ihre Gesellschaft zu leisten. Und so fand man sich zusammen. Die Ilm, ein Fluss, der aus dem Thüringer Wald kommend das Weimarer Land durchfließt, bevor er bei Bad Salza in die Saale mündet, gab der neuen Genossenschaft ihren Namen. Die Kräfte wurden gebündelt, der erste Mitarbeiter auf Minijob-Basis eingestellt.
Vielfältiges Portfolio, auch dank vieler Kooperationen
Den gemeinschaftlich erzeugten Strom wollte man von Beginn an auch innerhalb der Gemeinschaft nutzen. Die Idee eines eigenen Stromtarifs wurde geboren und in ganz kleinem Rahmen auch umgesetzt – zu Beginn in Kooperation mit der Grünstromwerk GmbH aus Hamburg. Allerdings wurde das Projekt schnell wieder aufgegeben und die Ilmtal eG vertreibt den erzeugten Strom seit 2017 unter dem Dach der Bürgerwerke. Das Geschäftsmodell der Bürgerwerke kam dem Gedanken der gemeinschaftlichen Nutzung sehr nahe.
Vielleicht sind es diese Ursprünge, die immer noch wirken. Denn beim Blick auf die Projekte der Genossenschaft fallen die vielen Kooperationen auf. Darauf verweist auch Vorstand Marcel Schwalbach. Er kam 2018 dazu, frisch von der Uni, mit einem Master im Erneuerbaren Energien Management in der Tasche. Der Elan war groß.
Heute umfasst das Portfolio der Ilmtal eG 15 Photovoltaikanlagen. Erst kürzlich kamen zwei Anlagen auf Turnhallen der Stadt Weimar hinzu. Auch zwei Beteiligungen an Windkraftprojekten wurden verwirklicht. Einmal handelt es sich um eine reine finanzielle Beteiligung. Einmal – bei den zwei Windkraftanlagen im Windpark Uthleben – ist die Genossenschaft mit 15 Prozent beteiligt, zusammen mit drei weiteren Energiegenossenschaften.
Auch die Ladeinfrastruktur vor Ort hat mit der Genossenschaft einen Booster bekommen. Am Hufeland Klinikum in Weimar realisierte die Genossenschaft mit Hilfe einer Förderung einen Ladepark bestehend aus 20 Ladepunkten. Noch ist die Zahl der Ladevorgänge mit rund 150 pro Monat überschaubar. Der Strom für die Elektroautos kommt aus dem Portfolio der Bürgerwerke.
„Was einer nicht alleine schafft, schaffen viele gemeinsam“, diesen Slogan zitiert Schwalbach und verweist auf den größeren Rahmen. „Wenn man als Energiegenossenschaft zusammenarbeitet, finden sich ähnliche Visionen und Arbeitsweisen. Das birgt Vorteile.“ Mittlerweile gibt es einen Stromtarif mit dem Namen Thüringer Landstrom. Er wird aus der Erneuerbaren-Erzeugung von sieben Thüringer Energiegemeinschaften gespeist.
In Thüringen haben sich Bürgerenergiegenossenschaften zudem im Verein Bürgerenergie Thüringen zusammengefunden. Dort tauscht man sich intensiv zu aktuellen Fragen aus. Praktische Erfahrungen werden geteilt, aber auch die Anliegen an die Politik gemeinschaftlich formuliert. „Das Netzwerk hat uns tatsächlich sehr weit vorangebracht. Viele der Kooperationen rühren daher. Politisch hat das dazu geführt, dass wir als Energiegenossenschaften wirklich als eigenständige Unternehmensform wahrgenommen werden“, berichtet Schwalbach.
Drei Millionen Euro in die Energiewende investiert
425 Mitglieder zählt die Genossenschaft. Bereits mehr als 6000 Anteile zu je 500 Euro wurden ausgegeben, also über 3 Millionen Euro Eigenkapital für die Energiewende aufgebracht. „Wir wollen wachsen, mehr Projekte und größere Projekte verwirklichen“, sagt Schwalbach. Dieser Weg ist Konsens in der Genossenschaft. „Dafür haben wir uns auch personell verstärkt – nachdem wir das in der Generalversammlung diskutiert hatten. Es zeigte sich, dass die Mitglieder durchaus bereit sind, auf Ausschüttungen zu verzichten, um finanziell in Vorleistung zu gehen. Denn manchmal ist Wachstum nicht anders zu stemmen.“
Auf Ausschüttungen mussten die Mitglieder jedoch gar nicht verzichten, bisher wurden jedes Jahr zwischen drei und vier Prozent der Gewinne ausgeschüttet. Aktuell arbeitet ein Mitarbeiter Vollzeit für die Genossenschaft, Werkstudenten unterstützen bei der Projektierung, beim Vertrieb der Balkonkraftwerke und in der Öffentlichkeitsarbeit. „Und es gibt die glückliche Fügung, dass wir drei Vorstände das passende Wissen für unsere jeweiligen Tätigkeitsfelder mitbringen“, ergänzt Schwalbach. Dieser Prozess der Professionalisierung schlägt sich nun auch in den realisierten und in Planung befindlichen Projekten nieder. Zugute kommt der Genossenschaft auch, dass der Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator Harald Lesch aktives Mitglied ist und zum Beispiel bei Veranstaltungen mit seiner Expertise unterstützt.
Solarpark mit Speicher wartet auf Zuschlag in der Ausschreibung
Aktuell ist ein Solarpark im Entstehen, bei Göritzberg in Ostthüringen. Seit 2017 laufen die Vorbereitungen, inzwischen gibt es einen beschlossenen Bebauungsplan. Der Solarpark soll in Kombination mit einem Speicher realisiert werden. Bei der nächsten Innovations-Ausschreibungsrunde hofft man auf einen Zuschlag. Kooperationspartner hier ist die Bürgerenergie Saale-Holzland.
Ein Windpark mit sechs Anlagen im Weimarer Land ist ebenfalls in Planung, die Genehmigungsunterlagen sind eingereicht. Hier sind Partner die Bürgerenergie Jena und die Bürgerenergie Saale-Holzland. Allerdings zieht die Standortgemeinde noch nicht voll mit – die Genossenschaft arbeitet daran, noch mehr Bürgerinnen und Bürger vor Ort für die genossenschaftliche Beteiligung zu gewinnen.
Mieterstromprojekte für Mehrfamilienhäuser wurden ebenfalls realisiert. Den Anfang machte eine kleine Wohnungsgenossenschaft, die ein altes Krankenhaus renovierte und zu Wohnzwecken umbaute. Dann kam das nächste Projekt und nun sind gerade größere Mieterstromanlagen im Bau. „Aus kleinen Anfängen entstehen größere Projekte“, das freut Schwalbach. „An die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung wollen wir uns in diesem Jahr heranwagen, allerdings mit einem Dienstleister. Denn die Abrechnung des Ganzen birgt doch einige Fallstricke.“ Das Thema Energy Sharing sieht Schwalbach damit noch nicht verwirklicht – hier teilt er die Meinung vieler Genossenschaftsvorstände. „Das spukt uns die ganze Zeit im Hinterkopf herum. Wir wollen so gern den regionalen Kreislauf schließen und Strom vor Ort erzeugen und nutzen.“ Die Politik muss nun endlich den längst überfälligen regulatorischen Rahmen auf den Weg bringen. Petra Franke
Dieses Genossenschaftsporträt ist Teil einer Reihe zum 10-jährigen Bestehen des Bündnis Bürgerenergie BBEn. Hier geht es zu weiteren Geschichten rund um die Bürgerenergie.
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