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Saubere WärmeGenossenschaften als Akteure der Wärmewende

Fußballfeldgroße Fläche mit gestapelten rosa Steroporplatten
Die Solarwärme Bracht eG errichtete ein Nahwärmenetz mit Solarthermie und Erdbeckenspeicher. Die Genossenschaftsmitglieder arbeiteten beim Aufbau der Isolationsschicht des Speichers tatkräftig mit. (Foto: Solarwärme Bracht eG)

Wärmenetze sind kein Privileg privatwirtschaftlicher Unternehmen. Landauf, landab haben sich Genossenschaften auf den Weg gemacht, die Wärmeversorgung vor Ort regenerativ auf die Beine zu stellen. Es braucht einen langen Atem, aber es lohnt sich.

Datum – Die zaghaften Anfänge der genossenschaftlich organisierten Wärmeversorgung sind mittlerweile gut zwanzig Jahre her. Seitdem wurden vor allem auf dem Land – im Süden mehr als im Norden – regenerative Nahwärmenetze gemeinschaftlich gebaut. Der russische Überfall auf die Ukraine und die Energiekrise haben diesen Trend gestärkt. Das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze bringt zusätzliche Dynamik.

Das Prinzip der Wärmegenossenschaften hat sich vor allem im ländlichen Raum etabliert. Viele der existierenden Netze basieren auf Bioenergie und nutzen die Abwärme von Biogasanlagen. Doch Schritt für Schritt erobert die genossenschaftliche Wärme auch den urbanen Raum, wo andere technologische Konzepte angedacht werden.

Der schwere Weg zum Bankkredit

Unter dem Dach des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV) versorgen rund 250 Wärmegenossenschaften ihre Mitglieder mit regionaler und sauberer Wärme. Jonas von Obernitz, Referent für Wärmepolitik beim DGRV, kennt die Problemstellen bei Gründung und Finanzierung, die bürokratischen Stolpersteine, Förderlücken und die Potenziale, die in einer Verzahnung von Genossenschaften und kommunaler Wärmeplanung stecken. „Der Zugang zu Fremdkapital, ohne das solche Projekte nicht zu stemmen sind, ist nach wie vor ein Problem“, erklärt Obernitz. Positive
Erfahrungen gibt es dort, wo bereits ein gewisses Ökosystem aus verschiedenen Akteuren entstanden ist, die gut zusammenarbeiten und mit dem Modell vertraut sind. Dazu gehört auch eine Bank, die sich auskennt. Nordbayern und Hessen sind solche Regionen.

Chance für finanzierte Machbarkeitsstudien

In einigen Bundesländern unterstützen Bürgschaftsprogramme die Kreditsuchenden, doch noch besser wäre eine Lösung für alle. Die könnte beispielsweise so aussehen, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Banken ein Stück weit das Risiko abnimmt in Form einer Haftungsfreistellung. Konkrete Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch, die Umsetzung wartet auf den Auftrag seitens der Regierung. „Wenn es Akteure gibt, die von Anfang an dabei sind und das Projekt professionell begleiten, ist das auf jeden Fall ein großes Plus“, weiß Obernitz aus Erfahrung. Erfolgreich
Geld einzusammeln für ein Projekt, dessen Chance auf Umsetzung nicht geklärt ist, ist dagegen schwierig. Deshalb ist die Finanzierung von Machbarkeitsstudien eine erste Hürde. Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung ergeben sich hier Chancen für Genossenschaften. Werden neue Wärmenetzgebiete ausgewiesen, kann die Machbarkeitsstudie von kommunaler Seite bezahlt und durchgeführt werden. Auf dieser Basis können später durchaus genossenschaftliche Netze etabliert werden.

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Grüne Fernwärme versorgt den Großteil der Gebäude in Dänemark, Wärmenetze werden gemeinnützig und häufig von Genossenschaften betrieben. Deutschlands nordischer Nachbar zeigt, wie eine erfolgreiche Wärmewende aussehen kann.

Die Fernwärmeverordnung kann ebenfalls eine bürokratische Hürde für Genossenschaften sein, weil die Vorgaben für große und kleine Akteure gleichermaßen gelten. Seit drei Jahrzehnten gelingt keine Neuregelung, obwohl es viele Anläufe gab. Die Wärmeplanung bringt neue Chancen und technische Lösungen. Kommunale Fernwärmeversorger bauen ihr Netz nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Doch für weit mehr Gebiete könnte ein Nahwärmenetz die passende Lösung sein, auch wenn das Projekt gerade nur kostendeckend erschlossen und betrieben werden kann. Obernitz warnt vor der Gefahr, dass bei der kommunalen Wärmeplanung zu früh Gebiete ausgeschlossen werden, weil die Wärmedichte für die großen Akteure zu niedrig ist. Vor allem deshalb sollten sich Genossenschaften in die kommunale Wärmeplanung einbringen und auch daran beteiligt werden.

Abwärme aus der Waffelfabrik in Venne

Von der mühsamen Frühphase, besonders der Suche nach einer kreditgebenden Bank, weiß Rainer Ellermann zu berichten. Er ist Vorstand der Venner Energie eG und war 20 Jahre lang Bürgermeister der Gemeinde Ostercappeln, zu der der Gemeindeteil Venne gehört. 2010 gab es die ersten Überlegungen, die Abwärme der ortsansässigen Waffelfabrik Meyer zu Venne zu nutzen, um damit ein Nahwärmenetz zu versorgen. Europas wohl größte Waffelfabrik produziert jährlich rund 1,5 Milliarden Eishörnchen aus Waffelteig und strahlte dabei vor Nutzung der Abwärme rund zehn Millionen Kilowatt Wärme nach draußen.

Über Wärmetauscher in der Fabrik wird die Wärme aufgenommen und an die Haushalte verteilt. Das Konzept sah vor, etwa die Hälfte der benötigten Wärme aus der Abwärme zu decken. Die andere Hälfte sollte mit Erdgas erzeugt werden. 2015 wurde nach einer erheblichen Investition und dem Bau eines rund 10,5 Kilometer langen Nahwärmenetzes die erste Wärme an die damals rund 80 Anschlussnehmer geliefert. „Eines der größten Probleme war tatsächlich die Finanzierung“, berichtet Ellermann. „Die Banken haben ein Netz in der Erde nicht als Sicherheit angesehen. Als der Zinssatz etwa bei einem Prozent lag, wurden uns Kredite mit 4,5 Prozent Zinsen angeboten. Erst die Bürgschaft der Gemeinde hat die Bank überzeugt, ein Darlehen von 2,5 Millionen Euro mit einem sehr niedrigen Zinssatz zu gewähren. Dazu gab es eine Förderung in Höhe von einer Million Euro von der KfW.

Auf den Klimaeffekt ist Ellermann stolz: „Ungefähr 400.000 Liter Heizöl und eine adäquate Menge Erdgas sparen die inzwischen 176 Anschlussnehmer in Summe ein.“ Allerdings war der Weg dahin keineswegs einfach. Zunächst wurden die Abwärmemengen bei weitem nicht erreicht, es musste sehr viel mehr mit Gas zugeheizt werden. Erst umfangreiche technische Nachrüstungen und Umbauten
führten zum ursprünglich anvisierten Ziel. Nun überlegen die Genossen, wie sie auch noch das Gas ersetzen können. Einen konkreten Plan gibt es trotz umfangreicher Untersuchungen und Beratungen aber noch nicht.

Ein komplexer Technologie-Mix in Steyerberg

Als Einwohner und Kommune in Steyerberg 2010 die ersten Überlegungen für ein Wärmenetz anstellten, ahnte niemand, welch langer Atem und wieviel Planänderungen notwendig sein würden. 2015 wurde die Genossenschaft gegründet, 2019 kam der Förderbescheid. Die Bauarbeiten begannen für ein ca. 28 Kilometer langes Wärmenetz und rund 450 Haushalte als Anschlussnehmer.

Untersucht, berechnet und geplant war, mehr als 70 Prozent der Wärme aus der Abwärme des Chemiewerks Oxxynova zu gewinnen. Der Rest sollte aus der Biogasanlage sowie zur Spitzenlast aus Ölheizkesseln kommen. Doch Oxxynova stellte zu Jahresbeginn 2023 in der Energiepreiskrise seine Produktion ein. Für die bereits an das Wärmenetz angeschlossenen Haushalte wurde eine Lösung gefunden: Die freiwerdende Wärme einer Biogasanlage, die zuvor die Chemiefabrik versorgt hatte, konnte genutzt werden. Doch die Biogasanlage hat nur bis 2027 eine gesicherte wirtschaftliche Basis, dann erreicht sie ihr Förderende. Es war also klar: Die Genossenschaft musste sich etwas einfallen lassen.

Wieder wurde untersucht, gerechnet, geplant und schließlich gebaut. Das Konzept heute: Eine Solarthermieanlage, ein großer Wärmespeicher mit 17.000 Kubikmeter Fassungsvermögen, fünf Luftwärmepumpen mit zusammen 1.090 Kilowatt Leistung, zwei Booster-Wärmepumpen, Biomassekessel, Photovoltaik am Speicher und auf der Energiezentrale sowie eine 550 Kilowatt-Freiflächen-Anlage. Noch fließt die Wärme aus der Biogasanlage. Weil das langfristig vielleicht nicht so bleiben wird, ergänzt zusätzlich ein Holzhackschnitzelkessel den Anlagenpark. Technologieoffenheit par excellence, ein in dieser Vielfalt der Energieträger wohl bisher einzigartiges Wärmeprojekt. Im November 2025 gehen die Anlagen in Betrieb.

Neben den technischen und organisatorischen Herausforderungen war auch in Steyerberg die Finanzierung alles andere als ein Selbstläufer. Für die erste Projektkonstellation wurden 5,58 Millionen Euro Förderung beantragt. Auch hier erkannte die Bank das Netz nicht als Sicherheit an, bot stattdessen an, Wärmelieferverträge über 20 Jahre als Sicherheit in Betracht zu ziehen. „Einspruch kam von der BAFA, die Lieferverträge als Maßnahmenbeginn definiert und dann keine Förderung mehr auszahlt. Schließlich konnten Lieferverträge mit aufschiebender Wirkung von beiden Seiten akzeptiert werden“, berichtet Jürgen Weber, Vorstand der Best Steyerberg und von Anfang an dabei.

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Geplant und finanziert war ein Nahwärmenetz, das zu 70 Prozent die Abwärme eines Chemieunternehmens nutzen sollte. Dann kam alles anders. Nun ist ein Technologiemix entstanden, der in seiner Vielfalt seinesgleichen sucht.

Als klar war, dass zusätzliche Investitionen in Millionenhöhe notwendig werden, war guter Rat teuer. Inzwischen gab es neue Förderregeln, die den Einsatz von Biomasse begrenzen. Schließlich wurde ein Aufstockungsantrag gestellt und bewilligt. Rund zehn Millionen Euro neues Geld flossen als Kredit in das Vorhaben. Insgesamt belaufen sich die Projektkosten nun auf 30 Millionen Euro. „Dieses Projekt hätte im urbanen Raum sicher niemand angefasst. Die Wärmedichte auf dem Land ist einfach nicht so hoch wie in der Stadt, die Häuser liegen weiter auseinander, die Leitungen müssen länger sein, pro Anschluss gibt es meist nur ein Einfamilienhaus zu versorgen“, erklärt Weber. „Doch wir haben auch einen Vorteil – wir haben Flächen, die es in Städten nicht gibt. Weil wir nicht gewinnorientiert wirtschaften müssen, können wir solche Projekte mit annehmbaren Wärmepreisen realisieren.“

Die Wärme der Sonne im Erdbeckenspeicher in Bracht

Auf Wärme aus Solarthermie setzt das Projekt der Genossenschaft Solarwärme Bracht. 70 Prozent solarer Deckungsanteil werden hier in Verbindung mit einem Erdbeckenspeicher realisiert. Zwei Großwärmepumpen erzeugen weitere sieben Prozent der Wärme, ein Holzkessel trägt bis zu 25 Prozent bei. Zusätzlich ergänzt ein Pufferspeicher das Konzept. Erst vor kurzem wurde das Wärmenetz in Betrieb genommen, alte Öl- und Gasheizungen bei den Hausbesitzern ausgebaut.

Ein Marathon der Planung und Realisierung liegt hinter der Genossenschaft, die das technisch nicht alltägliche Projekt gebaut hat. Die ersten Überlegungen gab es 2013, eine Machbarkeitsstudie legte 2016 den Grundstein. Die auf ihrer Basis entwickelte Planung wurde stetig angepasst, so dass die
nun genutzten Technologien zu 100 Prozent regenerativ sind. Die Genossenschaft wurde 2021 mit 61 Mitgliedern gegründet, inzwischen sind es 214. Vorerst versorgt das Nahwärmenetz 193 Kunden.

Kernstück sind die Solarthermieanlage und ein Saisonalspeicher, ein Erdbeckenspeicher nach dänischer Bauart. Er wird ausschließlich mit der Wärme aus der Solarthermie-Anlage beladen. Im Sommer wird er auf Temperaturen bis zu 90 Grad Celsius aufgeheizt, im Winter ist er die Hauptwärmequelle. Die Wärmepumpen und bei Bedarf der Holzkessel bringen die
Wärmeenergie mit einer Temperatur von bis zu 85 Grad Celsius in den Pufferspeicher, der sie auf dem Temperaturniveau des Nahwärmenetzvorlaufs speichert. Eine wahre Fundgrube ist die Projektdokumentation auf der Webseite der Genossenschaft, die den langen Weg übersichtlich dokumentiert.

Die Finanzierung der Investition in Höhe von 16,5 Millionen Euro sollte kein schwerer Weg sein, hatte aber doch ihre Tücken, wie Vorstand Helgo Schütze berichtet. Geholfen haben auch europäische Fördermittel. Weitere sechs Millionen kamen als direkte Kredite der VR Bank und es gab eine inzwischen ausgelaufene Förderung der KfW-Bank für Solarthermie und Speicher. „Uns hat geholfen, dass die VR Bank Mittelhessen bereits viele genossenschaftliche Energieprojekte finanziert hat“, erklärt Schütze. Die Eigenmittel der Genossenschaft speisen sich aus jeweils 6.000 Euro Genossenschaftsanteil pro Mitglied, insgesamt eine Million Euro. Zusätzlich half die Eigenleistung der Mitglieder.

Immer wieder gab es Tätigkeiten, die man selbst ausführen konnte. Beim Befüllen der Sandsäcke zur Beschwerung der Kunststoffdichtungsbahnen für den Erdbeckenspeicher und später auch für die Abdeckung konnten sogar die Kleinsten mithelfen. Die Photovoltaik-Anlage auf der Heizzentrale wurde
ebenfalls selbst montiert.

Kaltes Nahwärmenetz in Berlin

Seit die Wärmewende an Fahrt aufgenommen hat, machen sich auch im städtischen Umfeld mehr Genossenschaften auf den Weg, regenerative Wärmelösungen in Gemeinschaft zu bauen. Die Nahwärme Eichkamp Berlin und die ErdwärmeDich Bremen sollen hier als Beispiel genannt werden.

Die Siedlung Eichkamp umfasst rund 500 Gebäude. Auch hier begannen die ersten Überlegungen vor mehr als zehn Jahren. Im Rahmen des Programms energetische Stadtsanierung wurde ein warmes Netz geplant. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf zögerte lange mit der Entscheidung, die öffentlichen Liegenschaften als Ankerkunden an die Nahwärme anzuschließen.

Mittlerweile ist das warme Netz nicht mehr wirtschaftlich, daher wird jetzt ein kaltes Nahwärmenetz geplant – basierend auf Erdsonden, einem Leitungsnetz und dezentralen Wärmepumpen. „Öffentliche Liegenschaften als Ankerkunden sind für solche Projekte wichtig, irgendwann muss Berlin dafür Lösungen finden“, erklärt Vorständin Sabine Drewes. Leider hat das Land Berlin mittlerweile die Förderung für neue Projekte im Programm BENE2 gestoppt, sodass weitere Verzögerungen auch bei der Umsetzung des kalten Netzes zu erwarten sind.

Erdwärme in Bremen

Das Konzept der Genossenschaft ErdwärmeDich in Bremen sieht vor, auf öffentlichem Straßenland Erdwärmesonden und Versorgungsleitungen zu legen, um die Anwohner in den dicht bebauten innerstädtischen Wohnvierteln mit regenerativer Wärme zu versorgen. In ganz Bremen haben sich inzwischen mehr als 1.400 Interessierte gemeldet, ein Pilot-Quartier ist auserkoren. Für die nächsten beiden Quartiere werden gerade die Förderanträge gestellt und in Verhandlungen mit dem Bremer Senat ausgelotet, die Baumaßnahmen durch eine öffentliche Bürgschaft abzusichern. Seit drei Jahren bemüht sich ErdwärmeDich um sogenannte Gestattungsverträge, damit die Erdsonden und das Verteil-Netz auf öffentlichem Grund gebaut werden dürfen. Vorstand Philipp Metz ist optimistisch, noch in diesem Jahr die Verträge unter Dach und Fach zu bringen. Dann könnten weitere Projekte in anderen Stadtteilen folgen.

Die Beispiele zeigen: Einen roten Teppich für genossenschaftliche Wärmeprojekte gibt es leider nicht. Doch rechtliche, finanzielle und technische Hürden können mit Beharrlichkeit und in Gemeinschaft überwunden werden. Eine regenerative und unabhängige Wärmeversorgung, die das Wohl der Menschen im Blick hat, ist machbar. Petra Franke

Der Artikel ist Teil des aktuellen Fachmagazins der energiezukunft: Kraftakt Wärmewende - vom Plan in die Praxis

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