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Klimaschutz macht Schule

Foto: Viele Solarpanels auf einem Flachdach
Auf dem Dach der Bibliothek der TU Berlin liefert eine Photovoltaikanlage Strom für die Universität, geplant und gebaut von zehn engagierten Hochschülern des Fachbereichs Energietechnik. (Foto: © Solar Powers e.V.)

Der Kampf für die Energiewende und gegen den Klimawandel ist vor allem auch ein Eintreten für nachfolgende Generationen. Und es sind gerade die Jungen, denen Umwelt und Klima nicht egal sind. In Schulen, Betrieben und Universitäten treiben sie eine umweltfreundliche Energiezukunft bundesweit voran.

17.11.2017 – Die sauberste Kilowattstunde Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird – nach diesem Motto lernen im Norden Berlins hunderte Schüler die Wichtigkeit von Energieeffizienz. 17 Schulen im Berliner Bezirk Pankow und eine in Lichtenberg sind an dem Projekt „Köpfchen statt Kohle“ beteiligt. Die Schüler überprüfen Heizungsventile, stellen für verschiedene Räume individuelle Heizzeiten per Computer ein oder spüren mit Wärmebildkameras undichte Fenster und Wände auf. In diesem Schuljahr sind es insgesamt 150 Schüler, die die Ausbildung zum „Energiemanager“ durchlaufen und als Multiplikatoren das Thema in ihre Klassen und zu den Lehrern tragen.

Seit dem Start des Projekts 2010 haben die Macher bereits viele tausend Schüler erreicht und für das Thema Energieeffizienz sensibilisiert. Die Macher, das sind das Bezirksamt Pankow und die stratum GmbH, die sich der nachhaltigen Entwicklung im Non-Profit-Bereich verschrieben hat. „Wir wollen Energieeffizienz ganz bewusst nicht als Top-Down-Thema behandeln, sondern verfolgen einen innovativen Ansatz“, erklärt Inga Jacobsen. Die Umweltwissenschaftlerin ist Projektleiterin bei stratum und betreut „Köpfchen statt Kohle“. „Wir arbeiten mit denen zusammen, die den ganzen Tag da sind und sich mit den Räumen auskennen: Den Schülern“.

Energieeffizienz erfahrbar machen

Woche für Woche begleiten Experten wie Jacobsen ihre Schüler und wollen bewusst wenig vorgeben. „Die alltägliche Arbeit der Schüler ist natürlich die Heizanalyse, mit allem was dazugehört. Wir versuchen aber auch, ihnen Freiheiten zu lassen und Projekte selbst zu entwickeln.“ Von kleinen Filmen, die die Arbeit der Energiemanager zeigen, bis zum Foto-Buch und der Herausgabe einer Energiezeitung ist fast alles dabei. Eine Gruppe von Schülern hat sogar einen schulweiten Wettbewerb gestartet, um herauszufinden, welche Klasse am effizientesten lüftet. Die Schüler sind sehr kreativ darin, das Thema Energieeffizienz auf die Tagesordnung zu setzen, erzählt Jacobsen.

Das nächste Projekt steht auch schon: „Aktuell plane ich mit einigen Schülern den Aufbau einer Wetterstation, um die Daten der Solaranlage auf dem Schuldach mit den Wetterdaten abzugleichen. So können wir zum Beispiel schauen, bei welchen Witterungsverhältnissen die Anlage am effizientesten arbeitet“. Für größere Arbeiten und den Bau von Modellen gehen die „Köpfchen statt Kohle“-Schüler ins vollausgestattete Energiezentrum an der Robert-Havemann-Schule in Pankow. Dort bauen sie Solarautos oder Windräder, Schulen können ganze Projekttage zum Thema Erneuerbare Energien und Energieeffizienz abhalten.

Von der Ostsee bis zum Oberrhein

Wie in Pankow nehmen im ganzen Land Schüler die Energiewende selbst in die Hand. Angeleitet von engagierten Lehrern und unterstützt von lokalen Behörden wollen sie ihre Zukunft eigenhändig gestalten – und nicht darauf warten, dass die Bundespolitik zum Teil unbequeme Entscheidungen trifft. Ob ein Solarbootrennen mit selbst gebauten kleinen Booten in Stralsund oder die Begrünung der eigenen Schule und öffentlicher Gebäude in Karlsruhe. An tausenden Schulen in Deutschland finden Lehrer und Schüler Wege, um auf die Themen Klimawandel und Energiewende Aufmerksamkeit zu machen.

Unterstützung erfahren Lehrer dabei von Energieagenturen und Stiftungen. Die Energieagentur NRW etwa bietet für interessierte Lehrer Seminare und Unterrichtseinheiten an. Zudem reist ein Team von Dozenten durch das gesamte Bundesland und führt für die Klassenstufen 5-9 kostenfreie Unterrichtseinheiten zu den Themen Klimawandel und Erneuerbare Energien durch. Im Vordergrund steht neben der Wissensvermittlung auch Spaß durch Experimente, mit denen die Experten den Forschergeist in den Schülern wecken wollen. Auch die Berliner Energieagentur ist aktiv: Sie wählt im Auftrag des Senats jedes Jahr 20 Leuchtturmschulen aus, die die Themen Energieerzeugung, -verteilung und -anwendung sowie deren Klimaauswirkungen näher betrachten.

Energie-Scout statt nur Lehrling

Aber nicht nur die kleinen und größeren Schüler lernen über Klimaschutz und packen die Energiewende selbst an; auch Auszubildende tragen die Themen in ihre Betriebe. Im Rahmen der Mittelstandsinitiative „Energiewende und Klimaschutz“ werden sie seit 2014 als Energie-Scouts ausgebildet, bislang haben 4.000 Lehrlinge in über 1.000 Betrieben teilgenommen. Das Know-how rund um das Thema Energieeffizienz sammeln die Auszubildenden bei den Industrie- und Handelskammern vor Ort und achten in ihren Arbeitsstätten auf einen klugen Umgang mit Energie. Meistens geht es darum, Verschwendungen zu identifizieren und Prozesse zu optimieren. Zwar sind die Energie-Scouts für alle Ausbildungsberufe offen, es sind aber vor allem Lehrlinge mit technischen Berufen, die in den Betrieben mit sehr energieintensiven Maschinen arbeiten und große Einsparungen anstoßen.

Als Energie-Scouts des Jahres 2017 wurden vier Auszubildende ausgezeichnet, die in ihrer Arbeit Absaugsysteme so verbunden und programmiert hatten, dass die Systeme automatisch abgeschaltet werden, wenn es zu einem Produktionsstillstand kommt. Mit einer Investition von gerade einmal 200 Euro spart das Unternehmen dank seiner Auszubildenden pro Jahr 29.000 Kilowattstunden Strom – der Jahresverbrauch von acht Dreipersonen-Haushalten. Das relativ einfach umzusetzende Beispiel zeigt: Das Thema Energiesparen ist noch längst nicht ausgereizt und Programme wie die Energie-Scouts besonders wichtig.

Studentischer Solarstrom

Anpacken können auch die Berliner Studenten der Technischen Universität. Nach zweieinhalb Jahren harter Arbeit hat der gemeinnützige Studenten-Verein Solar Powers es geschafft: Auf dem Dach der Bibliothek liefert eine Photovoltaikanlage Strom für die Universität, geplant und gebaut von zehn engagierten Hochschülern des Fachbereichs Energietechnik. Seinen Anfang nahm das Projekt im Frühjahr 2014, als die Studenten im Rahmen eines Seminars eine Machbarkeitsstudie für Erneuerbare Energien an ihrer Universität ausarbeiteten. Ihnen wurde schnell klar, dass das Potenzial riesig ist: 16 Dächer nahmen sie in die engere Auswahl und rechneten aus, dass dort mit Solaranlagen bis zu 3.300 Megawattstunden Strom produziert werden könnten – genug, um sechs Prozent des gesamten Stromverbrauchs der TU Berlin zu decken.

Die Universitätsleitung ließ sich – dank eines schnell überzeugten Präsidenten – auf die Pläne ein, und stellte im Sommer 2014 das Dach der Bibliothek zur Verfügung. Dann hieß es für die Studenten: Bei der Verwaltung weitere Verbündete suchen, die Photovoltaikanlage detailliert projektieren, rechtliche Rahmenbedingungen klären und Geld eintreiben. Über eine Crowdfunding-Kampagne, Modulpatenschaften und Spenden von Unternehmen – darunter auch NATURSTROM – kamen schließlich 45.000 Euro zusammen. Als am Ende noch ein paar Euro fehlten, sprang sogar das Umwelt- und Naturschutzamt des zuständigen Berliner Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf ein. Am 1. April meldete dann die Technik-Crew: „Letzte Einstellungen am Wechselrichter angepasst, wir speisen im Moment mit 16 kW elektrischer Leistung in das TU-Netz ein!“ Seitdem liefert die Solaranlage mit 109 Photovoltaikmodulen und einer Leistung von knapp 29 Kilowattpeak ihren sauberen Strom direkt ins Mittelspannungsnetz der Universität. Ein Monitoring-Display im Foyer der Bibliothek zeigt Interessierten den jeweils aktuellen Stand an.

Sonne fördert Bildung

Mit der Solaranlage auf der Bibliothek gibt sich Solar Powers allerdings nicht zufrieden. „Unsere Vision ist, dass die Uni hier in Charlottenburg ihren Strom selbst produziert – und zwar mit Solaranlagen auf ihren Gebäudedächern“, erzählt Marina Braun, die für die Finanzen des Projekts zuständig war. Die ehrgeizigen Studenten loten bereits aus, welche Gebäude als nächstes eine Solaranlage bekommen könnten. Aktuell sind drei Dächer in die nähere Auswahl gekommen, erzählt Braun. Sie erwartet erneut einen langwierigen Prozess mit der Universitätsverwaltung. „Wir hatten gedacht, dass das erste Projekt schon eine Art Türöffner für uns sein könnte. In der Umsetzung neuer Projekte hapert es jetzt aber wieder.“

Davon wollen sich die Mitglieder von Solar Powers aber nicht abschrecken lassen, schließlich haben sie Großes vor: „Unser Motto lautet: Sonne fördert Bildung“, sagt Braun. „Da wir ein gemeinnütziger Verein sind, fördern wir mit den Überschüssen aus dem Stromverkauf an die Uni Bildungsprojekte im Bereich Energietechnik, Erneuerbare Energien und Umwelttechnik.“ Das Geld soll an der Universität bleiben und nachfolgenden Jahrgängen ähnliche Projekte ermöglichen. Wie bei den meisten studentischen Vereinen hängt auch bei Solar Powers der Erfolg entscheidend von den Studenten ab, die nachrücken. Denn wie Marina Braun haben viele Mitglieder des Vereins in diesem Jahr ihr Studium abgeschlossen und verlassen die Universität. Die Neuen müssen sich genauso durchbeißen können, damit es nicht bei der einen Solaranlage bleibt. Unterstützung erfahren sie von Professoren und Dozenten: Ein neues Seminar zeigt den Studenten der Ingenieursstudiengänge, wie Planung und Projektierung von Photovoltaikanlagen funktionieren, als bestes Beispiel dient dabei die neue Solaranlage auf dem Dach der TU-Bibliothek.

Sonnenlicht tanken für Afrika

Von der Theorie in die Praxis haben es auch zwei Doktoranden der Technischen Universität München (TUM) geschafft. Martin Šoltés und Sascha Koberstaedt haben ein Elektroauto für Afrika entwickelt, das auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten ist, die ländliche Struktur stärkt und die Wirtschaft ankurbelt. So beschreiben sie das aCar, ein Auto mit Allradantrieb, das sowohl Personen als auch Güter transportieren kann und gleichermaßen für den europäischen Automobilmarkt interessant werden könnte. Vier Jahre haben die Doktoranden gemeinsam mit anderen Forschern der TUM, Industriepartnern und Wissenschaftlern aus Ghana, Nigeria, Kenia und Tansania an dem Auto gebastelt, das Solarmodule auf dem Dach trägt. Die Batteriekapazität ermöglicht eine elektrische Reichweite von 80 Kilometern, innerhalb von sieben Stunden kann es an einer normalen Haushaltssteckdose vollständig geladen werden.

Mitte September präsentierten die Doktoranden das aCar auf der Automesse IAA in Frankfurt der Öffentlichkeit. Bereits im Juli waren Šoltés und Koberstaedt mit dem Auto in Ghana unterwegs und testeten ihre Erfindung ausgiebig – mit besten Ergebnissen. „Es war sechs Wochen im Container unterwegs, wir haben es ausgeladen, eingeschaltet und es hat bis zum letzten Erprobungstag einwandfrei funktioniert“, berichtet Koberstaedt. Nach der Entwicklung gilt es nun, die Idee in Serie zu bringen. In einer Modellfabrik sollen die ersten Fahrzeuge in Europa gefertigt werden. „Bevor das Auto in Afrika produziert werden kann, müssen wir zunächst die technischen Abläufe in den Griff bekommen. Dann können wir Menschen aus Afrika hier schulen, die wiederum ihr Wissen vor Ort weitergeben“, erklärt Koberstaedt die weiteren Schritte. Es wäre das nächste Projekt, mit dem die junge Generation Energiewende und Klimaschutz vorantreiben – statt auf die große Politik zu warten. Clemens Weiß


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