Klimaschutz und Demokratie: Mehr soziale Gerechtigkeit in der Energiewende
Laut Umfragen befürwortet die Mehrheit der Bürger in Deutschland die Energiewende. Doch bei den Wahlen werden Klimaschutzparteien abgestraft. Ein Forschungsprojekt beschäftigt sich nun damit, wie eine sozialverträgliche Energiewende aussehen könnte.
10.09.2024 – Wann sind Klimaschutzmaßnahmen gerecht? Wann überfordern sie bestimmte Gruppen in der Gesellschaft? Wie können Menschen mit wenig Einkommen in der Energiewende gestärkt werden?
Diesen und weiteren Fragen wollen das Öko-Institut und Forschende der Technischen Universität Dortmund sowie der Evangelischen Hochschule Freiburg im neu gestarteten Forschungsprojekt „Soziale (Un-)Gerechtigkeit in der Energiewende“ nachgehen und Antworten finden. Das Vorhaben zielt darauf ab, ein besseres Verständnis für die sozialen Dimensionen der Energiewende zu entwickeln und Lösungsansätze für eine gerechtere Gestaltung zu erarbeiten.
Der massive Einfluss in den Sozialen Medien
„Wir wollen besser verstehen, wie Menschen auf die mediale Berichterstattung zur Energiewende insbesondere in den sozialen Medien reagieren“, erläutert Sibylle Braungardt, Projetleiterin am Öko-Institut zusammen. „Dafür werten wir großen Datenmengen in Form von medialen Texten und Kommentaren aus, um so Argumentationsmuster und Reaktionen auf Klimaschutzmaßnahmen analysieren zu können“, ergänzt Carmen Loschke, Expertin für quantitative Diskursanalysen am Öko-Institut.
Auf Basis der automatischen Texterkennung (natural language processing, NLP) entwickle das Team ein Web-basiertes Monitoring-Tool, das den Diskurs im Netz visualisiert und es interessierten Akteuren ermöglicht, die Medienpräsenz von Argumentationsmustern und Technologien rund um die Energiewende zu verfolgen, berichtet das Öko-Insitut. „Wir greifen auf aktuelle NLP-Methoden zurück, um mithilfe von sogenannten Topic Models und (Large) Language Models den digitalen Diskurs zu beobachten und Änderungen in der Themensetzung frühzeitig zu erkennen und anschaulich darzustellen“, erläutert Jonas Rieger, Experte für Natural Language Processing an der Technischen Universität Dortmund.
Narrative zur Energiewende und sozialer Gerechtigkeit
Darüber hinaus führe das Projektteam Interviews durch, um insbesondere die Perspektive von Menschen mit wenig Einkommen auf die Energiewende zu erforschen. Der Hintergrund: Die Energiewende bringe gesellschaftliche Veränderungen mit sich, die sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf verschiedene Zielgruppen haben können. Wie gerecht oder ungerecht diese Maßnahmen sind und wie sie bewertet werden, wäre ein Schlüsselpunkt für die Motivation der Menschen, die Energiewende zu unterstützen, so die Forschenden. Besonders Menschen mit geringem Einkommen wären oft von diesen Veränderungen betroffen, ohne dass ihre Perspektiven ausreichend berücksichtigt werden.
„Mit qualitativen Interviews wird erhoben, wie Menschen in ihren konkreten Lebenslagen Klimaschutzmaßnahmen wahrnehmen und bewerten“, erklärt Gesa Köbberling, Professorin für Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Freiburg, die Vorgehensweise. Gemeinsam mit Fachkräften des Sozialwesens könnten Ansätze gefunden werden, Perspektiven von Menschen mit geringen Einkommen auf die Energiewende besser zu verstehen und ins Gespräch darüber zu kommen“, so das Ziel des Projekts.
Lösungsansätze mitgestalten
Im Rahmen von Workshops will das Forscherteam gemeinsam mit Akteuren aus der Sozialen Arbeit und dem Energiebereich Lösungsansätze erarbeiten, um die Beteiligung einkommensschwacher Gruppen zu stärken – um im Anschluss daran Empfehlungen für die Politik zu formulieren. Die Ergebnisse sollen in Informations- und Bildungsmaterialien übersetzt werden, um die kritische Auseinandersetzung mit den Narrativen zur Energiewende zu fördern. Wie nötig das ist, haben die jüngsten Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen gerade erst gezeigt.
Das Projekt „Soziale (Un-)Gerechtigkeit in der Energiewende – Vom digitalen Diskurs zur Lebenswelt“ wird im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert und läuft bis Anfang 2027. na