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Impulspapier IÖW und Leuphana UniversitätWie die Politik Bürgerenergie stärken sollte

Personen schreiben Forderung "Energie in Bürgerhand" an den Sockel eines Windrades
Die neue Bundesregierung muss die Bürgerenergie stärken. (Foto: naturstrom AG)

Noch immer kämpfen Bürgerenergieakteure für mehr Handlungsspielraum bei der gemeinschaftlichen Energieerzeugung. Die Politik ist gefordert, bestehende Hürden abzubauen. Welche genau, beschreibt das Impulspapier einer Nachwuchs-Forschungsgruppe.

08.05.2025 – Vielfach wurde die Forderung bereits begründet – und dennoch haben bisherige Bundesregierungen die Handlungsspielräume für Bürgerenergie nur zögerlich erweitert. Immer noch bestehen Hürden, die nicht nur die jeweiligen Akteure behindern, sondern die Energiewende insgesamt.

Im Rahmen der digitalen Berliner Energietage hat nun eine Nachwuchsgruppe von Forschenden, angesiedelt am Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung und der Leuphana Universität Lüneburg – ihre Empfehlungen vorgestellt, wie die Politik Bürgerenergie fördern sollte.

In ihrem Impulspapier beschreiben die Forschenden, welche Herausforderungen die Bürgerenergie noch zu überwinden hat – trotz ihrer großen Erfolge. Sie empfehlen zunächst messbare und rechtsverbindliche politische Ziele für die Bürgerenergie zu definieren.

Messbare Ziele formulieren

Solche Zielsetzungen dienen nach Meinung der Autoren zugleich als Indikatoren, um den Fortschritt der Bürgerenergie systematisch zu erfassen und zu bewerten. Eine politische Zielsetzung würde die Bürgerenergie zudem als integralen Bestandteil der Energiewende stärken und deren dezentrale Strukturen langfristig absichern. Ein Beispiel hierfür ist die Zielvorgabe, die die Europäische Union im Jahr 2022 in der EU-Solarenergie-Strategie formuliert hat: Diese sieht vor, dass in jeder Kommune mit mehr als 10.000 Einwohnern eine Energiegemeinschaft etabliert werden soll.

Rahmenbedingungen müssen auch für Bürgerenergie passen

Die spezifischen und strukturellen Möglichkeiten der Bürgerenergie sind andere als die von großen Unternehmen oder Investoren. Fachwissen und Kapital sind eher begrenzt. Deshalb sind manche großen Leitplanken für Bürgerenergieakteure hinderlich. Die Situation der Bürgerenergie zu kennen und Regeln an deren spezifische Anforderungen anzupassen sollte eine weitere politische Aufgabe auf Bundes- und Landesebene sein. Etwa sollten Genehmigungsverfahren oder Lieferantenpflichten vereinfacht, Energy Sharing umgesetzt und Bürgerbeteiligungsmodelle bei kommunalen Flächen implementiert werden.

Digitale Standards für die Marktkommunikation setzen

Die Digitalisierung ist eine wichtige Voraussetzung für die Aktivitäten von Energiegemeinschaften, denn weiterentwickelte Modelle – wie Energy Sharing – sind ohne eine digitale Mess-, Kommunikations- und Steuerungsinfrastruktur nicht realisierbar. Doch die Digitalisierung bleibt beim Smart-Meter-Rollout hinter den Erwartungen zurück. Daher sollten Messstellenbetreiber die digitale Vernetzung mit Smart Metern vorantreiben. Die Bundesregierung sollte zudem eine standardisierte Marktkommunikation etablieren und die Datenhoheit klären. Denn: Wenn Mitglieder einer Energiegemeinschaft den gemeinsam erzeugten Strom selbst verbrauchen, speichern oder weiterverkaufen möchten, brauchen sie automatisierte Abrechnungssysteme und Echtzeitdaten von Verbrauch und Erzeugung.

Energiegemeinschaften: Von Pionieren der Erneuerbaren zu Transformationsakteuren

In Erneuerbare-Energie-Anlagen wie Solarparks, Windkraftanlagen und Biomassekraftwerken, aber auch Wärmenetzen engagieren sich viele Bürger und betreiben diese eigenverantwortlich. Sie beteiligen sich aktiv an der Planung, Finanzierung und dem Betrieb der Anlagen. Etwa jedes fünfzehnte installierte Windrad in Deutschland wird auf diese Weise von Bürgern betrieben. Im Jahr 2024 gab es etwa 2.500 bis 3.000 Energiegemeinschaften in Deutschland, schätzt die Forschungsgruppe.

„Bürgerenergiegemeinschaften sind Pioniere beim Ausbau der erneuerbaren Energie“, erklärt Astrid Aretz, Energieexpertin am IÖW. Sie ermöglicht den Menschen, an der Energiewende mitzuwirken und bindet sie in nachhaltige Wirtschaftsprozesse ein. Das schafft Akzeptanz und Wertschöpfung vor Ort und sorgt – etwa durch die Finanzierung – dafür, dass die Energiewende vorankommt. Ein Ausbau der Erneuerbaren verringert Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen und ermöglicht demokratische Teilhabe, soziale Inklusion sowie eine gerechtere Verteilung von Ressourcen. „So werden die Gemeinschaften zu Transformationsakteuren und stärken die sozioökonomische Resilienz. Die Politik sollte dies als Chance erkennen und mehr fördern“, betont Aretz.

Wie kann eine Kommune künftig aussehen, in der Energiegemeinschaften gefördert werden? Das zeigen die Forschenden in einem Zukunftsbild, das etwa erklärt, wie Bürgerbanken oder ein Kompetenzzentrum Bürgerenergie die gemeinschaftliche Energieerzeugung empowern.

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