Menü öffnen

Brandenburger Verockerungsskandal noch größer

Die Furt über die Spree, die Verockerung ist deutlich erkennbar. (Foto: Wikimedia.commons Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)
Die Furt über die Spree, die Verockerung ist deutlich erkennbar. (Foto: Wikimedia.commons Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Der Energiekonzern Vattenfall darf in der Umgebung seines Kohlebergbaus Welzow-Süd Wasser, das Eisenschlamm enthält, in die Natur leiten. Kürzlich kam heraus, dass Landesämter dabei die Einhaltung von Eisen-Grenzwerten nicht durchgesetzt haben. Aber schon die Grenzwerte selbst scheinen zu hoch zu sein.

10.08.2016 – Die Diskussion um die Brandenburger Kohle ist um einen Skandal reicher: Das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) hat über Jahre dem Kohle-Unternehmen und Stromproduzenten Vattenfall eine wahrscheinlich illegale Verschmutzung von Gewässern im Umfeld des Tagebaus Welzow-Süd durchgehen lassen, zum Teil hat es sie sogar gefördert; und das Landesamt für Umwelt ist trotz Beteiligung an allen relevanten Vorgängen nicht eingeschritten. Wer in die Materie einsteigt, fragt sich aber, ob das Entgegenkommen gegenüber Vattenfall nicht schon mit der Festlegung der (dann nicht durchgesetzten) Eisengrenzwerte begann.

Zweifelhafte Grenzwerte

2008 erteilte das LBGR die wasserrechtliche Erlaubnis für den Tagebau Welzow-Süd. Darin wurde festgelegt, dass das in die Umwelt abgegebene eisenhaltige Wasser, das zur Verockerung führen kann, einen Eisengesamtwert von 5 Milligramm pro Liter (mg/l) nicht überschreiten darf. Das 2012 von vielen regionalen Akteuren, darunter auch Kommunen, gegründete Bündnis „Klare Spree“ präsentiert in seinem Internetauftritt allerdings eine Tabelle, die Zweifel an diesem Grenzwert weckt. Mit Bezug auf Daten des Landesamts für Umwelt ist da zu sehen: Bei mehr als 0,5 mg/l können sich Lachsfische – zu denen auch die Forelle gehört – nicht mehr reproduzieren, und einige Fliegenarten nur eingeschränkt. Bei mehr als 3 mg/l trifft das auch für die karpfenartigen Fische und selbst „robuste“ Fliegenarten zu. Bekannt ist zudem, dass Wasserkrebse und -asseln, die nötig für die Zersetzung von ins Wasser gefallenem Laub sind, in dem Eisenschlamm nicht leben können.

Forellenschwund dank Verockerung

Im sogenannten Koselmühlenfließ (ein Fließ ist ein Bach), das zwischen dem Tagebau und der Spree liegt, sind seit dem Auftreten der starken Verockerung die Forellen verschwunden. „Das war das einzige Fließgewässer in der Niederlausitz, in dem sich Forellen reproduzierten“, sagt Winfried Böhmer. Der Grünen-Lokalpolitiker aus Vetschau, der übrigens kürzlich für sein Umwelt-Engagement den Landesverdienstorden erhielt, ist Sprecher des Bündnisses „Klare Spree“, das sich für einen Eisen-Höchstwert von 0,5 mg/l einsetzt. „Wir wollen den Zustand des Jahres 2000 wiederherstellen, also bevor diese starke Verockerung einsetzte“, hält Böhmer mit Hinweis auf die europäische Wasserrichtlinie fest, die die Wiederherstellung der Gewässerökologie verlange. „Davon ist Brandenburg bei vielen Gewässern weit entfernt.“Die Neue Oberflächengewässerverordnung, auf die sich die Bundesregierung im Mai geeinigt hat, sehe für Gewässer wie die hier relevanten Bäche einen Eisen-Höchstwert von 1,8 mg/l vor, fügt Böhmer hinzu.

Umweltschützer fordern massive Senkung der Grenzwerte

Kritikwürdig ist somit nicht nur der 2008 festgesetzte Wert von 5 mg/l. Damals hatte das LBGR Vattenfall schon beschieden, dass der Grenzwert auf 3 mg/l sinken solle, sobald das Unternehmen eine Grubenwasserbehandlungsanlage betreiben konnte. Die läuft seit 2015. Fragwürdig ist nun nicht nur, warum sich der Grenzwert nach der zur Verfügung stehenden Technik richtete, anstatt umgekehrt. Fragwürdig ist offensichtlich auch der Wert 3 mg/l an sich. „Aus unserer Sicht sind diese Einleitungen nicht zulässig“, sagt Böhmer, der die Umweltschutzorganisation NABU in Brandenburgs Braunkohleausschuss vertritt, zur Situation bei Welzow-Süd. Auch die Landtagsfraktion seiner Partei fordert, die Grenzwerte „massiv zu senken“, wie sie in einer schriftlichen Stellungnahme mitteilt.

In trüben Gewässern

Die Grünen hatten 2014 eine ausführliche parlamentarische Anfrage in der Sache gestellt. Heute ist klar, dass in der Antwort der Regierung viel verschleiert, vermutlich zum Teil sogar gelogen war. So hatte die Grünen-Fraktion gefragt: „Ist die Entwicklung der Eisenwerte in den Fließgewässern mit dem Verschlechterungsverbot der europäischen Wasserrahmenrichtlinie vereinbar?“ Antwort: „Aus den Analysenergebnissen sind keine Verschlechterungen in der Wasserbeschaffenheit gemäß der europäischen Wasserrahmenrichtlinie abzuleiten.“

Die von der Umweltschutzorganisation BUND nun gesicherten Dokumente, die den Skandal enthüllen, zeigen aber: Schon die im Landesamt für Bergbau vorliegenden Quartalsdurchschnittswerte zeigten eine Häufung der Grenzwert-Überschreitungen ab 2011. Am schlimmsten war es 2013. „Es ist davon auszugehen, dass die Landesregierung hier die volle Wahrheit verschwiegen hat“, finden die Grünen. Sie fühlen sich getäuscht und verallgemeinern ihre Kritik: „Jahrelang hieß es von Seiten der Landesregierung, das Problem der Verockerung sei allein durch die Tagebaue aus DDR-Zeiten bedingt. Die Nachfragen unserer Fraktion im Zusammenspiel mit den akribischen Analysen des BUND haben hingegen belegt, dass der aktive Bergbau zu einer Verschärfung des Verockerungsproblems beiträgt.“ Zum in die Verschleierungen zumindest involvierten Landesamt für Umwelt sagen die Grünen: „Wir hätten uns eine lautstarke Intervention gewünscht. Das ist aber nicht geschehen.“

Ende Juni sprach die Grünen-Fraktion das Thema im Umweltausschuss des Landtages an. Der Abgeordnete Benjamin Raschke findet die Antworten der Regierung „höchst unbefriedigend“, wie er gegenüber energiezukunft mitteilt. Immerhin habe der Ausschuss einen Vor-Ort-Termin angesetzt. Ein Termin dafür stehe aber noch nicht fest. Zu klären ist noch, wie sehr das Ministerium für Wirtschaft und Energie in den Skandal verwickelt ist. Ihm untersteht das LBGR. Ralf Hutter


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Frank Lehmann 10.08.2016, 21:53:41

+544 Gut Antworten

Dieser Filz von SPD und Vattenfall ist einfach unglaublich. Mit der scheinheiligen Begründung von Arbeitsplätzen wird nicht nur die Natur vernichtet sondern unseren Kindern und Enkeln Kosten für Generationen aufgebürdet. Das sind Verbrecher des gleichen Kalibers wie die VW Spitze.

Energiewender 11.08.2016, 10:50:49

+358 Gut Antworten

Werte Herr Lehmann, der Filz im Osten ist garnicht so wild und dicht, das geht noch wesentlich schlimmer. Im Rheinland wurde über Jahrzehnte gestrickt, was das Zeug hält. Das Ergebnis sind Verhältnisse, die mich eher an Mexiko denn Deutschland erinnern:

http://www.energiezukunft.eu/umwelt/leben/waldspaziergang-ohne-folgen-gn103954/

 

Das Kaliber ist doch mindestens ebenbürtig zum VW/Dobrindt-Filz, oder?


Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft