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Mitwirkung an AKW-Plänen wird erschwert

Wenn Bürger dagegen sind: Das Kernkraftwerk Zwentendorf in Österreich wurde nach einer Volksabstimmung nie in Betrieb genommen. (Foto: © Cava / Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:KKW_Zwentendorf.jpg#/media/File:KKW_Z
Wenn Bürger dagegen sind: Das Kernkraftwerk Zwentendorf in Österreich wurde nach einer Volksabstimmung nie in Betrieb genommen. (Foto: © Cava / Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:KKW_Zwentendorf.jpg#/media/File:KKW_Zwentendorf.jpg)

In den EU-Ländern Ungarn, der Slowakei und Polen sollen neue Atomkraftwerke gebaut werden. Die Beteiligung auch der deutschen Bevölkerung in der Planungsphase ist dabei eigentlich vorgeschrieben, muss in der Praxis aber erst noch erkämpft werden. Die Bundesregierung ist da aber kaum eine Hilfe.

15.01.2016 – Eigentlich geht es um etwas brisantes, und eigentlich gibt es Abkommen, die eine Beteiligung der Bevölkerung vorsehen. Aber „die meisten europäischen Regierungen gehen davon aus, dass Umweltgruppen regelmäßig auf ihre Internetseiten schauen“, hat Jan Haverkamp festgestellt. Der studierte Umweltwissenschaftler und Chemiker arbeitet in Prag und Danzig (Polen) als Berater mehrerer Länderorganisationen von Greenpeace. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit AKW-Neubauten. So ist er auch in den Kampf gegen die Planungen für das erste Atomkraftwerk Polens involviert.

An diesem Kampf beteiligen sich auch Menschen, die in Deutschland wohnen. Ein Problem ist dabei, dass den zuständigen polnischen Behörden die Beteiligung der Bevölkerung – ob der eigenen, oder ausländischer – nicht wichtig ist. Ein anderes Problem ist, dass auch die Bundesregierung wenig guten Willen zeigt. Nur die erwähnten zivilgesellschaftlichen Organisationen, die auch mal auf Regierungsinternetseiten schauen, trommeln für die Wahrnehmung des Beteiligungsrechts.

Die Bundesregierung hat bis zum 20. Januar Zeit, Polen mitzuteilen, ob sie sich an der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung beteiligen will. Das teilte sie am 28. Dezember der Grünen-Abgeordneten Sylvia-Kotting-Uhl mit. Sie habe die Anfrage Polens „an die Bundesländer, insbesondere Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen weitergeleitet“.

Für die Informierung der Bevölkerung seien nun nur diese drei Bundesländer zuständig, und zwar weil sie am nächsten zu Polen sind, hält Jan Haverkamp fest. Dabei hat Polen alle Länder im Umkreis von 1.000 Kilometern von Pommern, wo das AKW entstehen soll, angeschrieben – also auch die Niederlande und Belgien. Die Bundesländer zwischen Belgien und Brandenburg bleiben aber außen vor. „Dänemark nimmt an dem Verfahren wegen des Risikos für die Ostsee teil, Schleswig-Holstein aber nicht“ – für Haverkamp ist das unlogisch.

Ein weiteres Problem ist, wie die Bevölkerung überhaupt informiert wird, nämlich im Wesentlichen auf Internetseiten von Ministerien. Das Aarhus-Beschwerde-Komitee habe das schon kritisiert, sagt Jan Haverkamp. Dieses bei der UNO angesiedelte Komitee wacht über die Einhaltung des Aarhus-Abkommens, das der Zivilgesellschaft Information und Beteiligung bei Projekten mit Umweltauswirkungen zusichert. Auf der Grundlage dieses Abkommens kämpfen in mehreren europäischen Ländern Organisationen auch gegen Atomkraftwerke. Im Fall der geplanten Erweiterung des ungarischen Kraftwerks Paks wurde so eine zweitägige Anhörung in München im Oktober erreicht.

Zu Paks gibt es staatlicherseits nach wie vor nur eine Bekanntmachung im Internetauftritt der bayerischen Regierung. Im Internetbereich des Bundesumweltministeriums findet sich das Thema weder im umfangreichen Bürgerforum, noch bei den Pressemitteilungen zum Thema Strahlenschutz, sondern etwas versteckt in einem Unterabschnitt. Auch das slowakische Verfahren für den Bau eines Atomkraftwerks wird dort an Bayern verwiesen. Zum slowakischen Verfahren gab es eine Anhörung in München im November. Jan Haverkamp erwartet nun, dass die Bundesregierung Polen mitteilt, dass Deutschland am weiteren Verfahren beteiligt werden soll. Er fordert, dass die Regierung darüber hinaus Druck ausübt, damit die absehbaren Einwendungen angemessen gewürdigt werden.

Druck scheint nötig, denn eine Klage von Greenpeace Polen gegen das AKW-Programm wurde vor Gericht nicht zugelassen, erzählt Haverkamp. Diese Nicht-Zulassung werde nun beim Aarhus-Komitee beanstandet, was sich aber Jahre hinziehen werde. Wegen des kürzlich erfolgten Regierungswechsels sei es nun erst einmal ruhiger um das Projekt, fügt er hinzu. Die neue Regierungspartei sei sich bei dem Thema nicht ganz einig, zudem erfolgten nun an den Spitzen der Behörden die in Polen üblichen Personalwechsel.

Im ungarischen Fall erwartet Haverkamp, dass alle Einwendungen aus der Bevölkerung abgewiesen werden – „wie bei Temelin“. Allerdings müsse sich die ungarische Regierung noch mit der EU arrangieren, denn zum einen habe sie den Bau des neuen Kraftwerksblocks nicht ausgeschrieben, und zum anderen stelle die Finanzierung durch die russische Behörde Rosatom „wahrscheinlich eine verbotene staatliche Beihilfe“ dar.

Bei der Münchner Anhörung zu Paks war Haverkamp nicht dabei, stattdessen aber bei denen in Wien und in Paks selbst. „Ich habe Faschismus in den Augen gesehen“, berichtet er von seinem Schrecken über die Veranstaltung in Ungarn. Nur ein Zehntel der über 300 Menschen dort habe kritische Fragen gestellt – der Rest sei offensichtlich zur Kritik der Kritik dagewesen, darunter viel Kraftwerkspersonal. Es soll heftig zugegangen sein. Laut Haverkamp antwortete der oberste Abgesandte der Regierung, Professor Attila Aszódi, manchmal an Fragen vorbei. In Wien hingegen sei ihm das nicht möglich gewesen.

In München wohl auch nicht. Dort waren dem eigenen Bericht zufolge rund „35 gut vorbereitete Personen“, um der ungarischen Delegation auf die Füße zu steigen. 18 Stunden habe das insgesamt gedauert. Übrigens an zwei Wochentagen – die lohnarbeitende Bevölkerung muss sich also für ihre Mitwirkung Urlaub nehmen. Über ihre formalen Pflichten hinaus trug die Bundesregierung dazu nichts bei. Ralf Hutter


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