Multitalent Silphie: Energiepflanze für Strom, Wärme und Faser

Vielen Biogasanlagen droht mit Ende der 20-jährigen EEG-Laufzeit ein jähes Ende. Ein Verbund von Pionieren bereitet daher den Einstieg in eine duale energetische wie stoffliche Wertschöpfung derzeit vor – mit Hilfe einer ganz besonderen Pflanze.
14.01.2025 – Der Countdown läuft: Viele Biogasanlagen in Deutschland laufen verlässlich seit 20 Jahren – nun könnten sie mit dem Ende der 20-jährigen EEG-Laufzeit einfach abgeschaltet werden. Damit wollen sich einige Betreiber nicht abfinden und arbeiten in einem Pionier-Verbund an einer Alternativ-Lösung: Eine Monovergärung mit der Dauerkultur Durchwachsene Silphie (Donau-Silphie) könnte die Alternative sein: Die Verwertung der Faser nach dem Gärprozess als Torfersatz in Erdprodukten verspricht zusätzliche Erlöse, die neue wirtschaftliche Perspektiven böten.
Achim Schäfer hat sich bereits entschieden, wird es wagen. Der 40-Jährige ist zusammen mit seinem Vater Wilhelm schon seit 2009 mit einer Biogasanlage in Nordhessen im Geschäft. Seit Mai 2024 betreibt er noch eine weitere Anlage im nordwestmecklenburgischen Lübow-Schimm, die er auf Monovergärung mit der Donau-Silphie umstellt. Schon in 2026 will er die ersten Fasern aus dem gepressten Silphie-Gärrest an die Erdenindustrie liefern.
In diesem Jahr hat er Ende August zum ersten Mal auf einem Teil seiner dortigen 400 Hektar Ackerland schon die gelbblühende Silphie geerntet. „Wir müssen uns hinsichtlich der Erlöse für die Zeit nach der EEG-Laufzeit breiter aufstellen. Durch die Faserverwertung aus der Donau-Silphie als begehrten Torfersatz erschließen wir uns neue Wertschöpfungspotenziale und reduzieren zugleich die Betriebskosten, so dass wir als Biogaserzeuger auch weiter als Energieerzeuger an den Energiemärkten operieren können“, ist Schäfer überzeugt.
Pioniergeist notwendig
Was so simpel und überzeugend klingt, ist letztlich aber ein echtes Pionierprojekt – mit entsprechend großen Herausforderungen. Um diese überhaupt zu stemmen, startet Anlagenbetreiber Schäfer seinen Einstieg als Faserproduzent nicht im Alleingang. Ganz im Gegenteil. Er ist ein Akteur in einer Kette von weiteren Unternehmen, die in enger Kooperation untereinander die Monovergärung von der Donau-Silphie in Deutschland und Europa voranbringen möchte.
Dabei hält die Agrarinnovationen Hahnennest GmbH aus der Gemeinde Ostrach im Landkreis Sigmaringen die Fäden aller im Projekt beteiligten Unternehmen zusammen. Nicht zuletzt, weil die Agrarinnovationen Hahnennest GmbH gute Erfahrungen sowohl mit dem Anbau als auch mit der Vergärung der ursprünglich aus dem Nordamerikanischen kommenden Energiepflanze in der Biogasanlage der Unternehmensschwester Energiepark Hahnennest GmbH & Co. KG gesammelt hat.
Energetische Kaskadennutzung
Zugleich findet die in Baden-Württemberg erzeugte Faser seit Längerem einen passgenauen Absatz in der Papierindustrie. „Durch diesen Betrieb kennen wir uns mit der energetischen und stofflichen Kaskadennutzung aus. Deshalb sehen wir in der Aufarbeitung der Faser aus Silphie vor allem für die Erdenwirtschaft schon alsbald große Zukunftschancen“, richtet Siegfried Butz, Geschäftsführer der Agrarinnovationen Hahnennest GmbH, den Blick optimistisch nach vorne. Er verweist auf die Torfreduzierungsstrategie der Bundesrepublik, die besagt, dass alle Erden für den Hobbygartenbereich bis zum Beginn 2026 keine Anteile mehr an Torf haben dürfen.
Die Zeit drängt – praxistaugliche Alternativen dringend gesucht
Die Zeit drängelt, und die große Branche der Erdenproduzenten ist händeringend auf der Suche nach praxistauglichen Alternativen. Allerdings würden diese noch fehlen, klagen die Verbandsvertreter aus den Reihen der Erdenhersteller fast schon gebetsmühlenartig. Unterdessen gibt es an dieser Stelle einen vehementen Einspruch von Siegfried Butz: „Die Faser aus der Donau-Silphie ist ein idealer, ja, unschlagbarer Torfersatz!“
Butz lobt die hohe Wasserhaltefähigkeit der Faser, deren Leichtigkeit und – nicht unwichtig – deren regionale Verfügbarkeit in großen Mengen. Tatsächlich haben inzwischen auch manche Entscheider in der Erdenwirtschaft die guten Eigenschaften der Faser, abgepresst als Gärrest aus der Biogasanlage, entdeckt. „Es kommt also Bewegung in die Sache hinein“, freut sich Butz über erste konkrete Abnahmeverträge bei niederländischen und weiteren Nachfragen bei belgischen Erdenherstellern. „Es entwickelt sich derzeit zu einem tragfähigen Geschäftsmodell.“
Vermarktungsstrategien
Peter Schreurs von der Agrar Innovatie Nederland B. V. mit Sitz in Lattrop-Breklenkamp, direkt hinter der deutsch-niederländische Grenze westlich von Nordhorn, kümmert sich beim Silphie-Projekt zum einen um den kommenden Absatz. Falls ein Biogasanlagenbetreiber auf die Monovergärung umstellt, gibt Schreurs eine fünfjährige Abnahmegarantie und agiert als Aufkäufer der Faser. Zum anderen berät er Landwirte und Biogasanlagenbetreiber beim Umstieg von der konventionellen Vergärung auf die Monofermentation.
Schreurs steht darüber hinaus aktuell im ständigen Gespräch mit den Erdenherstellern, die ihrerseits aufgrund des schon bald drohenden Verbots an Torfprodukten unter großem Zeitdruck stehen. Statt Torf stehen Kokosfaser, Miscanthus, Torfmoos und andere Inputstoffe zur Diskussion, aber eben auch die Donau-Silphie. Letztere besticht durch „Vorteile auf dem Feld, durch ihre energetisch-stoffliche Zweifachnutzung und durch ihre kalkulierbare Verfügbarkeit“, unterstricht Schreurs.
Argumente, die er gerne hervorholt, wenn er mit potenziellen Abnehmern als auch mit zukünftigen Anbauern über die Dauerkultur Silphie und deren Fasernutzung informiert. „Klar, der Teufel steckt oft im Detail“, weiß Schreurs, aber der Silphie-Anbau und die nachfolgende Monovergärung sei „kein Hexenwerk“. Zumal der Ackerstatus trotz der Dauerkultur, die weit über 20 Jahre hinaus gute Erträge liefern soll, behalten wird.
Herausforderung bei der Aufzucht
Die eigentliche Herausforderung liegt ackerbaulich eindeutig in den ersten beiden Jahren. Zwar sei die von der Metzler & Brodmann Saaten GmbH, einer weiteren Ostracher Schwesterfirma, gelieferte Saat gut keimfähig, „muss aber flach im feinen Beet eingesät werden und braucht im ersten und vielleicht im zweiten Jahr noch eine Pflanzenschutzbehandlung, um sich gegen Konkurrenzkraut durchsetzen zu können.“ Knapp 2.000 Euro kostet die Aussaat pro Hektar. Viel Geld, aber schon im dritten Anbaujahr, so Schreurs, erreicht die drei Meter hochwachsende und gelb blühende und unter Imkern beliebte Pflanze Trockenmassenerträge von mehr als zwölf Tonnen pro Hektar.
Denkbar ist auch eine Umstellung auf Ökolandbau, da die robuste Energiepflanze nach dem Anfangsstadium ackerbaulich leicht handzuhaben sei. Allerdings, daraus macht Schreurs auch kein Hehl, ist der Biogasertrag von Silphie nicht so groß wie der von Mais, er liege um rund 15 Prozent niedriger. Dafür trumpft die Faser umso mehr auf: Für eine Tonne Faser mit 25 Prozent Trockenmasse, abgepresst mit konventioneller Schneckentechnik, sind je nach Logistikosten gute Preise, genauer möchte man derzeit nicht werden, erzielbar.
Bislang eine Rarität – Experimentieren gefragt
Bisher allerdings gibt es in der noch keine monovergärende Silphie-Biogasanlage in Deutschland – außer der in Ostrach. Wie schon erwähnt befindet sich Achim Schäfer gegenwärtig in der Umstellung und zwei weitere Betreiber, einer in Rheinland-Pfalz, einer in Norddeutschland, wollen demnächst mit einsteigen. Zwar schätzen Experten, dass heute schon rund 12.000 Hektar Silphie in Deutschland angebaut werden, die bislang allesamt nur kofermentierend eingesetzt werden.
An diesem Punkt kommt die Firma Phytobiotics Futterzusatzstoffe GmbH aus Etville ins Spiel, die um die besonderen Bedingungen und mikrobiologischen Herausforderungen einer Monovergärung im Fermenter kümmert. „Es geht vor allem darum, den Gärprozess stabil zu halten“, erklärt Dr. Angelika Konold-Schürlen zur strukturell defizitären Unterversorgung der Bakterien bei einer einseitigen Fütterung. Zu wenig Stickstoff, zu wenig Spurenelemente. Doch hat Phytobiotics mithilfe von vielen Versuchsreihen in Minireaktoren ausreichende Expertise gesammelt, um mit einem speziellen „Nahrungsergänzungsmittel“ – dessen Rezeptur und Inhaltsstoffe Top-Secret sind – die Fermentation in geregelte Bahnen zu leiten.
Wichtig ist dabei die Minimierung des Proteinabbaus durch gezielte Fütterung, bei der auch Alkaloide eingesetzt werden, um die gewünschten biologischen Parameter während des Gärungsprozesses zu fördern. „Ob jetzt für die Qualität der Faser ein früherer oder späterer Erntezeitpunkt der Donau-Silphie optimal ist, müssen wir in unserem Demonstrationsreaktoren noch genauer erproben“, verrät sie. „Gesicherte Erkenntnis ist dagegen, dass die Zugabe von einem bis zwei Kilogramm unseres Präparats respektive Nahrungsergänzungsmittel im Gärprozess einer 500 kW Anlage einen signifikanten Anstieg des Gasertrags bewirkt“, wirbt Konold-Schürlen für ihre mikrobiologische Expertise. „Jede Biogasanlage hat ihre eigene spezifische Gärkultur. Der durchgreifende Wechsel von Inputstoffen führt daher zunächst immer zu einer Anpassung der Biologie in den Behältern. Dies bewirkt zuerst einmal weniger Gasertrag, schlechtere Gasqualität und gegebenenfalls eine erhöhte Bildung von Schwimmschichten“, benennt sie mögliche Schwierigkeiten bei der Umstellung hin zu einer Monovergärung: Deshalb müsse der Betreiber bei so einem Schritt gut vorbereitet sein, um keine bösen Überraschungen erleben zu müssen.
Obgleich die Biologie das Herz der Vergärung ist, ist an dieser Stelle auch die Verfahrenstechnik gefragt. Welche Größe müssen die Fermenter haben? Welche Verweilzeit ist notwendig, welche Rührwerke, welche Dosierungsanlage braucht es? Und wie groß müssen die Rohrleitungen dimensioniert sein? Fragen über Fragen, zu denen die Ökobit GmbH aus Föhren die passenden Antworten gibt.
Die Ökobit und ihr Chef und Vizepräsident des Fachverbandes Biogas, Christoph Spurk, sind Technikpartner und Auftragnehmer für Technikadaptionen in der Pionier-Kooperation zur Silphie-Monovergärung. „Ich begrüße den bioökonomischen Ansatz von Siegfried Butz und seinen Mitstreitern außerordentlich. Ich sehe darin eine echte Chance für eine neue Wertschöpfungskette für viele Altanlagen, einfach auch, weil der potenzielle Kunde schon da ist“, freut sich Spurk, auch Vizepräsident des Fachverbandes Biogas, in angespannten Bioenergie-Zeiten über neue Perspektiven. Übrigens könnte das Thema Monovergärung Silphie als auch das weiter zu fassende Thema Bioökonomie langfristig ein interessantes Exportprodukt Deutschlands werden, vorausgesetzt die Politik würgt es nicht wieder vorzeitig ab.
Anpacken, statt auf die richtige Politik zu warten
Unabhängig von den zaudernden energiepolitischen Weichenstellungen in Berlin und Brüssel in Sachen Bioenergie, stehen für Achim Schäfer für das nächste Jahr erst einmal die Umbaumaßnahmen an, um die Silphie-Monovergärung auf seinem Betrieb auch zu realisieren. „Hier ist dann betriebswirtschaftlich abzuwägen, ob es mit angemessenen Investitionskosten realisierbar ist, aus meiner Sicht die spannendste Phase des Projekts“, meint der Pionier. So richtet sich der Fokus aller Projektmitglieder in den nächsten Monaten vor allem auf das Vorhaben in Lübow-Schimm , aber auch den weiteren Unternehmen, die zukünftig ganz auf Silphie setzen wollen. Dierk Jensen