Flexibilität des Energiesystems: Reform der Bioenergie-Förderung in Aussicht

Biogas-Anlagen, die flexibel nach Bedarf produzieren, sollen laut Bundesregierung in Zukunft stärker gefördert werden. Ein überfälliger Schritt, so die Branche. Die Backup-Struktur passt zu den fluktuierenden Erneuerbaren und wäre kostengünstig.
21.08.2024 – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat ein umfassendes Biomasse-Paket angekündigt. Dabei sollen Biogas-Anlagen, die flexibel nach Bedarf produzieren, stärker gefördert werden. „Die Bewertung des BMWK zum Stellenwert der Biomasse in einem zukünftigen, vollständig erneuerbaren Energiesystem ist richtig und wichtig“, kommentierte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter. „Biomasse ist eine unverzichtbare Flexibilitätsoption, um Schwankungen bei Wind- und Solarenergie auszugleichen und zusammen mit den anderen erneuerbaren Flexibilitätsoptionen, Speichern und Sektorenkopplung die benötigte gesicherte Leistung in Deutschland herzustellen.“
Darauf hatte der BEE bereits vor drei Jahren in seiner Studie zum klimaneutralen Strommarktdesign hingewiesen und jüngst im Rahmen der Kraftwerksstrategie dargelegt, dass bis 2030 rund 38 Gigawatt (GW) zusätzliche Erneuerbare Flexibilitätspotenziale erschließbar wären, darunter weitere 6 GW durch flexibilisierte Biogasanlagen mit zusätzlichen Gas- und Wärmespeichern. Diese dezentrale Backup-Struktur passt am besten zu den fluktuierenden Erneuerbaren, ist klimafreundlich und auch kostengünstiger”, so Peter. „Die vom BMWK angekündigte stärkere Förderung für flexibel produzierende Bioenergieanlagen wäre somit ein wirksames Instrument, um den Ausbau des flexiblen Bioenergie-Backups auszureizen. Die Ankündigung begrüßen wir daher ausdrücklich. Nun wird es auf die Ausgestaltung der Details ankommen", kommentiert Peter.
Biogas-Verbände stimmen zu und fordern schnelle Umsetzung
Die geplante Reform auf eine stärkere Flexibilisierung des Anlagenbetriebs bei Biogasanlagen auszurichten, hält auch der Biogas-Verband für den richtigen Weg. „Hierzu liegt seit Langem unser Vorschlag auf dem Tisch, den so genannten Flexibilitätszuschlag auf 120 Euro pro Kilowatt zu erhöhen, um Biogasanlagen in die Lage zu versetzen, durch zusätzliche Gasspeicher und Blockheizkraftwerke ihre Produktion zu speichern und genau dann einzuspeisen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“, kommentierte die Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie Sandra Rostek die Ankündigungen der Bundesregierung.
Steigerung der verfügbaren Ausschreibungsmenge gefordert – für Flexibilität im Stromsystem und Wärmeversorgung
Im ersten Halbjahr 2024 stammten 9,6 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus Biomasse. Die Technologie bleibe damit hinter ihren Möglichkeiten, kritisieren Branchen-Experten. Einer der Gründe sei das geringe verfügbare Volumen bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur. Die erste Ausschreibung für Biomasse-Anlagen im laufenden Jahr war, wie bereits im Vorjahr, stark überzeichnet, berichtet der BEE. In der Folge erhielten im Schnitt rund zwei von drei Anlagen keinen Zuschlag. „Eine Steigerung der verfügbaren Ausschreibungsmenge tut Not - nicht nur um Flexibilitätsoptionen im Stromsystem zu erhalten, sondern auch um den wichtigen Beitrag der Biomasse bei der Wärmeversorgung nicht zu verlieren”, mahnt die BEE-Präsidentin.
Auch Rostek mahnt zur Eile. Denn für viele Biomasseanlagen endet nach 20 Jahren die Förderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und im EEG werde viel zu wenig Volumen für einen Weiterbetrieb der Anlagen ausgeschrieben. „Damit die Anlagen ihrer angestammten Rolle nachkommen und die auch von Minister Habeck erkannte Funktion des Ausgleichs der schwankenden Stromerzeugung aus Wind und Sonne nachkommen können, muss das Ausschreibungsvolumen im EEG jetzt schleunigst massiv angehoben werden“, sagt auch Rostek. Andernfalls gingen tausende Anlagen in den kommenden Jahren vom Netz. Damit entfiele auch ihr Beitrag für die Strom- und Wärmewende in Deutschland.
Die Bioenergie braucht dringend eine konkrete Perspektive
Und auch als Moleküllieferant stehe Biomasse zur Verfügung. „Die Zeit drängt“, sagt Peter. „Ein nennenswerter Teil des dringend benötigten Bioenergie-Anlagenparks hat im aktuellen gesetzlichen Rahmen keine Zukunft mehr.“ Es brauche jetzt kurzfristig konkrete gesetzliche Änderungen, um das perspektivische Aus hunderter Anlagen zum Jahresende noch aufzuhalten. „Wenn es der Regierung ernst damit ist, der Realität eines erneuerbaren Energiemixes Rechnung zu tragen, müssen konkrete Maßnahmen unverzüglich mit dem Ende der parlamentarischen Sommerpause auf den Tisch.“
Bioenergie als Baustein der Wärmeversorgung
Etwaige Anpassungen in der Förderung sollten aber berücksichtigen, dass Bioenergieanlagen nicht nur Nahwärme- und Gebäudenetze versorgen, sondern auch größere Industriekunden, Schwimmbäder oder andere kommunale Einrichtungen, erinnert die Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie Rostek in diesem Zusammenhang. „Die Vielfalt der Wärmeversorgung durch Bioenergieanlagen muss vollumfänglich abgebildet werden.“ Zudem wäre es entscheidend, dass das geplante Biomassepaket zu einer nachhaltigen sowie ideologie- und vorurteilsfreien Mobilisierung aller Biomassepotenziale führe. na