Energiewende mit Sektorenkopplung: Speichern mit biologischer Methanisierung

Eine Pilotanlage zur biologischen Methanisierung soll neue Erkenntnisse über ein Verfahren bringen, das von Experten seit geraumer Zeit als „Hidden Chance“ der Biogasbranche gehandelt wird. Doch in Deutschland ist es bislang nicht zum Zug gekommen.
06.10.2025 – Das vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) geförderte Projekt zum Bau einer Pilotanlage zur biologischen Methanisierung und deren wissenschaftlichen Begleitung ist jetzt am Start: Bis zum nächsten Jahr wird der vom Dresdener Ingenieurdienstleister GICON entwickelte Rieselbett-Reaktor in Nordhackstedt unmittelbar neben einer schon bestehenden Biogasanlage errichtet.
Eigentlich ist schon alles da: Es gibt in der Nähe von Nordhackstedt reichlich Strom aus Windenergie und Photovoltaik; außerdem gibt es eine Biogasanlage mit einem lokalen Wärmenetz. Was allerdings im Ort mit 450 Einwohnern und einer beeindruckenden Feldsteinkirche aus dem 12. Jahrhundert noch fehlt, ist ein kluges, effizientes Zusammenspiel und Zusammenwachsen der Sektoren Strom, Wärme, Gas und auch Mobilität. Denn nur, wenn die fluktuierende grüne Energie – je nach Bedarf und Situation – dezentral umgewandelt oder gegebenenfalls gespeichert werden kann, kann am Ende ein ausschließlich auf Erneuerbaren Energien basierendes dezentrales Energiesystem in Zukunft auch funktionieren. Dann wäre die Energiewende im schleswig-holsteinischen Dorf zwischen Nord- und Ostsee in Gänze umgesetzt.
Pilotprojekt mit Monitoring
Und genau an dieser Stelle kommt die kommende biologische Methanisierung in Nordhackstedt ins Spiel: Die Brüder Dirk und Bernd Nissen, Eigentümer der dortigen Biogasanlage sowie Betreiber eineslokalen Wärmenetzes, wollen den Rieselbett-Reaktor im Rahmen eines vom Bund mitfinanzierten Pilotprojektes im Frühjahr nächsten Jahres errichten. Neben der Nissen Biogas GmbH & Co KG und der Firma GICON, die als Ingenieurdienstleistungsunternehmen aus Dresden den Reaktor in den letzten Jahren entwickelt hat, sind an diesem Vorhaben auch die Brandenburgische Technische Universität in Cottbus-Senftenberg als auch die Hochschule Flensburg beteiligt.
Wissenschaftler der beiden Universitäten erhoffen sich durch die intensive wissenschaftliche Begleitung der biologischen Methanisierung (auch „mikrobielle Methanisierung“ oder „Biomethansynthese“ genannt) wichtige Erkenntnisse darüber, ob und inwieweit dieses Verfahren weiter optimiert werden kann und wie es zukünftig energiewirtschaftlich als Speichermedium gute Dienste leisten kann.
Investition in die Zukunft
Die vier am Projekt beteiligten Akteure bzw. Unternehmen nehmen dafür aufgerundet drei Millionen Euro in die Hand. Derweil sind die Erwartungen an die neue Technologie, bei der Wasserstoff in Biogas gegeben wird, um mit Hilfe von Methanbakterien (Archaeen) den Kohlendioxid-Anteil im Biogas zusammen mit dem Wasserstoff in Biomethan umzuwandeln. Harmlose Nebenprodukte sind Wasser und Prozesswärme.
Die Ansprüche an die biochemischen Randbedingungen sind dabei vergleichsweise gering. Die erforderlichen Temperaturen liegen im Bereich von 53 bis 57 Grad Celsius bzw. 65 Grad Celsius. Der Betrieb kann nach Angaben der Projektteilnehmer bei Drücken von 40 mbar bis zu 25 bar erfolgen. Unverzichtbar für den Stoffwechsel der anaeroben Archaeen ist allerdings ein ausgewogenes Nährstoffmilieu im sogenannten Rieselbett-Reaktor, den GICON in Form einer senkrechten Säule konzipiert hat. „Wir impfen unseren Reaktor mit flüssigem Gärrest aus der Biogasanlage. Dafür brauchen wir geringe Mengen, die im Kreislauf dafür sorgen, dass der Biofilm, der die oberflächengroße, vielschichtige Struktur unseres Rieselbettreaktors überzieht, während der metabolischen Arbeit der Bakterien stabil bleibt,“ erklärt Dr. Marko Burkhardt von GICON. Er ist zuversichtlich. „Wir haben jahrelang am Großtechnikum an der Cottbusser Hochschule viel Entwicklungsarbeit in dieses Verfahren hineingesteckt. Wir sind daher froh, dass wir unser Wissen und die Funktionstüchtigkeit unseres Rieselbett-Reaktors, trotz einiger Aufgaben, die uns noch bevorstehen, endlich in einer Demonstrationsanlage zeigen dürfen“, betont der Verfahrenstechniker.
Dirk Nissen hat sich schon lange mit der biologischen Methanisierung beschäftigt. Der studierte Maschinenbauer, der auf dem elterlichen Milchviehbetrieb in Nordhackstedt aufwuchs, hatte schon 2019 einer 100-seitigen Durchführbarkeitsstudie im Auftrag der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) zugearbeitet; in diesem Papier sind geeignete Standorte für eine Anlage für die biologische Methanisierung identifiziert worden.
„Wir waren damals in Nordhackstedt schon bereit, loszulegen, um eine Pilotanlage zu errichten“, erinnert sich Nissen. Doch dann kamen Corona, Krieg und fast auch die Schuldenbremse, ausgelöst durch den Gang der CDU zum Bundesverfassungsgericht, dazwischen. Viele FNR-Projekte wurden nach dem höchstrichterlichen Urteil zusammengestrichen, nur wenige blieben übrig – darunter das mit der biologischen Methanisierung.
Neue Perspektive für die Biogasanlage
Dabei hatte Nissen den Förderantrag schon fast zwei Jahre vorher, im Oktober 2022, eingereicht. Er erhielt den Zuwendungsbescheid aber erst im Juni 2024 … ohne ausreichende Geduld geht da kaum etwas. Nichtsdestoweniger bietet das lange Warten für den 56-Jährigen und seinen Bruder, der den elterlichen Bauernhof, der in den 70er Jahren aus dem Dorf an den Ortsrand ausgesiedelt wurde, übernahm und dessen Sohn heute eine große Milchviehherde betreut, eine echte Chance: Mit dem Einstieg in dieses Projekt gewährt es eine Perspektive für die Zeit nach der EEG-Laufzeit, die für ihre im Jahr 2006 gebaute Biogasanlage schon Ende 2026 endet.
Dabei ist die Wärmenutzung ihrer Anlage mit insgesamt 1,7 Megawatt (MW) elektrische Leistung und einem Satelliten-BHKW direkt im Ort beispielhaft: Mit dem eigenen Wärmenetz werden 130 Häuser versorgt, was rund 90 Prozent des Dorfes entspricht. Zudem erhält die im Ort ansässige Molkerei-Filiale der DMK je nach Bedarf Biogas-Wärme von der Biogas Nissen GmbH & Co KG. Mit dem kommenden Rieselbett-Reaktor erzeugen die Nissen-Brüder dann auch Biomethan, das entweder direkt in Wärme umgewandelt oder alternativ ins Gasnetz eingespeist werden kann. Eine interessante Option könnte auch der Bau einer CNG- respektive LNG-Anlage sein, um zukünftig Traktoren und auch Lkws zu betanken. Verstromen dürfen die Nissens das Biomethan (bisher) nicht, weil das EEG es (noch) nicht zulässt. Langfristig wäre aber auch dies eine gute Option.
„Wir haben hier in der Region schon jetzt viel Wind- und Solarstrom, der nicht immer vom Netz aufgenommen werden kann und zu gewissen Tageszeiten schon Negativpreise einfährt. Stattdessen können wir mit diesem überschüssigen Strom einen Elektrolyseur antreiben, der preisgünstigen grünen Wasserstoff für unsere biologische Methanisierung bereitstellt“, blickt Nissen gebannt in die weitere Zukunft. Zumal der Strompreis an der Börse durch den massiven Ausbau von PV und Windkraft schon heute an vielen Stunden auf Null gesunken ist. Was ist, wenn dieser Trend weiter anhält und am Ende der Strom sogar über längere Zeiträume „wertlos“ wird?
Unabhängig dieser sich energiewirtschaftlich zuspitzenden Frage erhöht Nissen mit seinem Einstieg in die biologische Methanisierung auf jeden Fall die energetische Effizienz seiner Anlage. „Wenn wir die Abwärme aus dem Prozess mit nutzen, dann kommen wir auf über 80 Prozent Wirkungsgrad“, sagt Nissen. Und bietet für Windstrom-Produzenten via der Wasserstoffproduktion eine Alternative zum Stromnetz an. „Das ist ein ganz wichtiger Aspekt“, unterstreicht auch Dr. Marko Burkhardt von GICON, „deshalb ist unser Projekt in Nordhackstedt eine gute Möglichkeit, der ganzen erneuerbaren Energiebranche, aber auch der Politik zu demonstrieren, dass unsere Idee, unser Ansatz und Verfahren ein guter Weg sind, um grünen Strom zu speichern. Ich hoffe sehr, dass dies von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird.“
Energiewende next level
Ob am Ende alles so kommen wird, wie es die derzeitigen Planungen aller Beteiligten versprechen, ist allerdings noch abzuwarten: Denn noch hat die Energiewende next level in Nordhackstedt durch die Demonstrationsanlage mit einem Arbeitsvolumen von 50 Kubikmeter und einem angepeilten stündlichen Methan-Output von 20 Normkubikmeter gar nicht begonnen.
Aber man darf ja schon mal ein bisschen optimistisch vorausschauen. Zumal das Verbundprojekt mit dem etwas holprigen Namen WeMetBio2 (Wind-Energie durch Integration der Biologischen Methanisierung im Rieselbettverfahren) auch die ökonomischen und ökologischen Parameter im lokalen Kontext genau unter die Lupe nehmen wird. Zu welchen Preisen kann Wasserstoff, Biomethan und Wärme tatsächlich produziert werden? Ergebnisse, die für viele Wärme-, Strom- und Gasnetzbetreiber, aber auch Betreiber von Photovoltaik- und Windkraftanlagen, für Wasserstoff- und Biogaserzeuger und andere CO₂-Emittenten von großem Interesse sind. Ganz abgesehen davon, könnte dies auch für Biogasanlagen, die demnächst aus der Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) fallen, eine interessante Variante sein. Vielleicht. Dierk Jensen





















































