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Aufkeimende Hoffnung

Miscanthus giganteus auf einem Feld in Nordrhein-Westfalen. Ist das Elefantengras die neue Mais-Alternative? (Foto: Hamsterdancer, wikimedia.commons, CC BY-SA 3.0)
Miscanthus giganteus auf einem Feld in Nordrhein-Westfalen. Ist das Elefantengras die neue Mais-Alternative? (Foto. Hamsterdancer, CC BY-SA 3.0  via Wikimedia Commons)

Nach dem Image-Desaster wendet sich die Biogasbranche vom Mais ab. So will sie die Chancen auf Förderung für alternative Energiepflanzen wahren. Als mögliche Alternativen könnten sich das sogenannte Elefantengras oder die schon in der DDR genutzte Durchwachsene Silphie durchsetzen. Die Ausbauchancen der Bioenergie sind allerdings begrenzt.

13.07.2014 – Wie pure Verzweiflung aussieht, das konnte man in Horst Seides jüngstem Appell an die Mitglieder des Fachverbands Biogas lesen. Der Präsident versuchte darin, den Kurswechsel der Verbandsführung zu rechtfertigen, bei der aktuellen EEG-Novelle nicht mehr auf eine Vergütung für den Einsatz von Mais in neuen Biogasanlagen zu pochen. Das Thema sei durch, schrieb Seide, im politischen Raum habe der Mais „keine Akzeptanz mehr“.

Bisher hatte der Fachverband händeringend versucht, die Politik doch noch zum Einlenken zu bewegen, denn schließlich ist Mais als ertragreichste Energiepflanze der Brotlieferant für Betreiber von Biogasanlagen. Der Fachverband hatte immer wieder darauf verwiesen, dass die Stimmung gegen das schnellwüchsige Gewächs aus Südamerika medial aufgebauscht worden sei. Doch aus den Diskussionen der vergangenen Monate zog der Verband schließlich die Lehren: Dass der konzentrierte Maisanbau nur ein regionales Problem ist und die Stickstoffauswaschungen nur eine Folge eines verfehlten Nährstoffmanagements sind, dass die Maisanbaufläche 2013 insgesamt gegenüber dem Vorjahr bereits um 2,9 Prozent gesunken sei: Kaum ein Politiker wolle das noch hören, so die Erkenntnis. Der Biogasbranche drohe, dass sie vom Bundeswirtschaftsministerium „plattgemacht“ werde, versuchte Seide die Dramatik der Situation mit drastischen Bildern zu unterstreichen. Nun brauche man dringend Unterstützer in der Politik, auf die der Verband zugehen müsse, auf deren Wünsche und Befindlichkeiten man eingehen müsse, damit überhaupt die Chance auf eine weitere Vergütung für nachwachsende Rohstoffe gewahrt bleibe, dass zumindest alternative Energiepflanzen durch das EEG gefördert werden. „Vor diesem Hintergrund ist es die einzig richtige Entscheidung gewesen, auf die Maisvergütung bei Neuanlagen zu verzichten“, sagt Seide.

Elefantengras statt Mais

Doch wie steht es um die Alternativen? Eine Energiepflanze, die hierzulande bereits in den 90er Jahren in den Fokus der Pflanzenzüchter geriet, ist Miscanthus giganteus. Das Elefantengras, auch Riesen- oder Chinaschilf genannt, stammt aus Japan und ist wie der Mais eine so genannte C4-Pflanze. Für Züchter von Energiepflanzen ist dieses Kürzel mit dem Turbolader für einen Autoingenieur vergleichbar. Ist eine Pflanzengattung mit dieser besonderen Form des Stoffwechsels ausgestattet, dann kann sie mehr Kohlenstoffdioxid bei der Photosynthese binden. Dadurch wachsen diese Pflanzentypen schneller und versprechen höhere Erträge als Pflanzen, die mit dem weiter verbreiteten C3-Zyklus Kohlenhydrate aufbauen. „Von der Trockenmasse können wir jetzt schon ähnlich hohe Erträge erzielen wie mit dem Mais“, sagt Andreas Kiesel von der Universität Hohenheim, der auf zahlreiche Forschungsprojekte zu Miscanthus verweist. Erträge von über 20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar seien realistisch. Bisher wird Miscanthus allerdings nur als Hackschnitzel verwendet, als Substrat für Biogasanlagen konnte er sich noch nicht durchsetzen: „Das liegt daran, dass wir ihn pflanzenbaulich noch nicht ernten können, solange er grün ist.“ Das ist aber eine Voraussetzung, um ihn in Biogasanlagen einsetzen zu können.

Kiesel erforscht verschiedene Sorten, mit denen eine frühere Ernte möglich wäre. Seine Gär- und Feldversuche sind eingebettet in das internationale Forschungsprojekt Optimisc, das wiederum von seinem Institut für Kulturpflanzenwissenschaften koordiniert und von der Europäischen Union mit drei Millionen Euro finanziert wird. „Wir haben beim Miscanthus gegenüber dem Mais den Vorteil, dass wir ihn nur einmal auf der Fläche etablieren müssen und ihn dann über 20 Jahre nutzen können.“ Das verringere in Summe die Etablierungskosten und ermögliche dem Boden Ruhephasen, was zu einer Humusanreicherung führe. Damit entfiele auch eine intensive Bodenbearbeitung, wie sie beim Maisanbau kritisiert wird. „Wir haben beim Miscanthus einen wesentlich geringeren Düngereinsatz als beim Mais, und auch der Pflanzenschutz ist lediglich in der Zeit der Etablierung notwendig“, sagt Kiesel. Selbst wenn Miscanthus vom Ertrag her Mais nicht überbieten kann, so hoffen die Forscher über extensive Anbauvarianten mit geringeren Kosten punkten zu können.

Doch welche Rolle spielt das Elefantengras bei den Energiepflanzen? Während das bis zu drei Meter hohe Gewächs in England bereits auf einigen zigtausend Hektar angebaut wird, um es für die Co-Verbrennung in Großkraftwerken zu nutzen, ist seine Bedeutung in Deutschland derzeit noch marginal. „Es gibt nicht einmal verlässliche Anbauzahlen“, sagt Kiesel. Statistisch wird es zu den Kurzumtriebsplantagen gerechnet. In Deutschland sind das rund 10.000 Hektar. „Davon dürfte Miscanthus knapp die Hälfte ausmachen“, schätzt Kiesel.

Was bedeutet es, wenn die Energiepflanzennutzung nun künftig aus der Förderung rausgestrichen wird? „Das wäre für die Zukunft der Bioenergie und der Bioenergieforschung sehr schlecht, weil neue Biogasanlagen dann natürlich nicht mehr auf Basis von Energiepflanzen geplant werden“, sagt der Agrarwissenschaftler. Eine Befürchtung, die auch der Fachverband Biogas teilt. Dort geht man davon aus, dass mit dem neuen Förderregime nur noch sechs statt der vom Wirtschaftsministerium anvisierten 100 Megawatt an neuen Anlagen gebaut würden.

An der Universität in Hohenheim hofft man darauf, dass sich Biogasanlagen auf dem Regelenergiemarkt etablieren. „Dadurch wird sich der Bedarf am Strompreis orientieren, dann lassen sich vielleicht auch ohne Förderung Preise erzielen, die dem Einsatz von Energiepflanzen entgegen kommen“, sagt Kiesel. Ließen sich die einmaligen Etablierungskosten beim Miscanthus verringern, etwa über ein Saatverfahren statt per Pflanzung, und damit die Etablierungskosten auf 500 statt wie bisher 3.000 Euro pro Hektar senken, dann sei man von der Kostenseite mit Miscanthus soweit, dass man „mit sehr wenig oder gar ohne Förderung auskomme“.

Einmal sähen, zehnmal ernten

Eine andere alternative Energiepflanze ist die Durchwachsene Silphie. Der nordamerikanische Korbblütler wird bereits in Biogasanlagen als so genanntes Koferment eingesetzt. Das Gewächs wurde schon zu DDR-Zeiten in Ostdeutschland als ertragreiche Futterpflanze genutzt, geriet nach der Wende aber in Vergessenheit. Die Durchwachsene Silphie wird wie Miscanthus als
Dauerkultur angelegt und kann anschließend bis zu zehn Jahre lang geerntet werden, „bei nur geringem Arbeitsaufwand“, wie es im Erfahrungsbericht des Julius-Kühn-Instituts aus Sassnitz heißt. Dort wird derzeit im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums an einer großflächigen Kultivierung dieser Pflanze geforscht. Die Durchwachsene Silphie lockt mit einer hohen Biogasausbeute. Die Erträge der bis zu drei Meter hohen Pflanze sollen bei 13 bis über 20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar liegen und auch die Methanausbeute soll vergleichbar hoch wie beim Mais sein. Eine Energiepflanze, die man einmal aussät und dann zehn Jahre lang ernten kann, das klingt einerseits sehr vielversprechend. Andererseits sind auch bei der Durchwachsenen Silphie die Etablierungskosten noch sehr hoch. Der Landwirt ist allein dadurch schon an einen mehrjährigen Anbau gebunden, damit sich seine Investitionskosten amortisieren. Das schreckt viele ab.

In Sassnitz lief im März dieses Jahres ein weiteres Bioenergie-Projekt an, das die Merkmale der Andenlupine als alternative Energiepflanze ermitteln soll, einer Pflanze, die für ihre Fähigkeit als Stickstoffbinder bekannt ist. Auch wenn Projektkoordinator Steffen Roux nun für drei Jahre auf eine gesicherte Forschungsförderung bauen kann, so bedeutet für ihn der geplante Förderstopp von Energiepflanzen über das EEG einen herben Rückschlag: „Für die Energiepflanzenforschung würde dies zu einem Rückgang der Forschungsförderung und damit zu einem Rückgang der Forschungsaktivitäten führen.“ Er glaubt, dass dies in der Konsequenz sogar die derzeitige Dominanz von Mais als Energiepflanze festigen würde. Als Grund nennt er den züchterischen Entwicklungsrückstand der Alternativkulturen. Mais wurde hierzulande bereits Anfang des 20. Jahrhunderts angebaut – wenn auch zunächst als eine Nischenkultur. Doch ab den 60er Jahren startete ein regelrechter Maisboom. Durch Züchtungserfolge konnte Mais auch kältere Regionen erobern. Von 50.000 Hektar vergrößerte sich die Anbaufläche innerhalb von fünf Jahrzehnten um das Fünfzigfache auf 2,5 Millionen Hektar. Landwirte fuhren 2012 eine Maisernte ein, die aus 94 Millionen Tonnen an Silage bestand. Zwei Drittel wurden als Viehfutter verwendet, ein Drittel zur Energieerzeugung. Nach aktuellen Prognosen des Deutschen Maiskomitees sowie des Statistischen Bundesamts soll die Silomaisproduktion dieses Jahr wieder ansteigen auf dann 2,144 Millionen Hektar, wobei rund 860.000 Hektar für den Biogasbereich prognostiziert werden.

„Ohne intensive Forschung und Züchtung sind Alternativen zum Mais nicht zu haben“, sagt Foux. Dabei seien allein schon aufgrund des aktuellen Bestands an Biogasanlagen alternative Energiepflanzen notwendig. Allerdings warnt er auch vor Schwarz-Weiß-Malerei. „Es geht weder darum, den Mais als Energiepflanze komplett zu ersetzen, noch ist es zielführend, die Frage nach Teller oder Tank im ausschließenden Sinne zu stellen.“ Er sieht das Ziel in einer nachhaltigen Balance im Spektrum der Landnutzung.

Doch selbst die Züchter von Bäumen zur Nutzung als Energiehölzer, deren Projekte mit bis zu 20 Jahren Laufzeit weit länger dauern als die Züchtungsprojekte bei krautigen Agrarpflanzen, sind von den neuen Förderbedingungen betroffen. An der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in Hannoversch Münden wird etwa das bundesweite Projekt „Fastwood“ koordiniert, worin Pappeln und Weiden als schnellwachsende Baumarten untersucht werden. „Natürlich haben auch wir bemerkt, dass der neue Bundeswirtschaftsminister die Energiebereitstellung aus Biomasse schon nach kurzer Zeit im Amt als zu kostenintensiv abqualifiziert hat“, sagt der Forstpflanzenzüchter Karl Gebhardt. Von dem einst von der Bundesregierung anvisierten Ziel, dass bis 2020 500.000 Hektar mit schnellwachsenden Energiehölzern bestockt sein sollen, ist derzeit jedenfalls keine Rede mehr. „Der erhoffte Schub an zusätzlichen Kurzumtriebsflächen ist bisher noch nicht zu erkennen“, sagt Gebhardt nüchtern.

Forschung an passendem Saatgut

An einer ökologischen alternativen Energiepflanze forscht auch Karin Förster vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie arbeitet mit einer dem Schilf ähnlichen heimischen Art, dem Rohrglanzgras. Dieses Gras könnte auf Grenzstandorten, die etwa zu nass sind für den Anbau von Ackerpflanzen, ein geeigneter Biomasselieferant sein. „Rohrglanzgras ist ein Energiegras mit hohem Biomasseertrag, guter Überflutungsverträglichkeit und Ausdauerleistung. Es steht aber kaum Saatgut zur Verfügung, da die Saatgutproduktion aufgrund stark schwankender Erträge unwirtschaftlich ist“, sagt die Saatgutexpertin.

Mit dem ebenfalls vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt will sie die Voraussetzungen verbessern. Doch nach den geplanten Beschneidungen der Bioenergie ist auch sie skeptisch, was die künftige Energiepflanzenzüchtung anbetrifft. Eigentlich müsse man mehr Pflanzenarten auf die Fläche bekommen, doch stattdessen werde immer noch auf wenige Pflanzen mit den kurzfristig höchsten Erträgen gesetzt.

Begrenzte Ausbauchancen

Andreas Schütte von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe versucht, die Sorgen der Wissenschaftler zu zerstreuen. Dennoch glaubt auch er, dass „die aktuelle Diskussion um das EEG den weiteren Anstieg des Energiepflanzenanbaus mittelfristig zweifelsohne begrenzen“ werde, so der Leiter der Behörde, die die Energiepflanzenforschung für das Bundeslandwirtschaftsministerium koordiniert. Die Energiekonzepte der Bundesregierung seien aber langfristig auf den Ausbau der Bioenergie ausgerichtet, sagt Schütte. Der Energiepflanzenanbau werde dazu in erster Linie beitragen.

„Pflanzenzüchtung ist einer der wesentlichen Hebel, um in der Landwirtschaft Erträge zu sichern und damit auch den Flächenbedarf zu beschränken. Diese Arbeiten sind langfristig angelegt. Hier durch kurzfristige Entscheidungen Umsteuerungen vorzunehmen, kann langfristig notwendige Entwicklungen behindern und damit wertvolle Ergebnisse vernichten“, mahnt Schütte vor den Konsequenzen, die ein Förderstopp bei der Bioenergieförderung bewirken könnte.
Jürgen Heup / neue energie Nr. 07 / Juli 2014, S. 56-61

www.neueenergie.net 


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