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Die Wärmewende lässt auf sich warten

Biogasanlage bei Treischfeld
Biogasanlage bei Treischfeld. (Foto: User: Celsius at  wikivoyage shared, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0  via Wikimedia Commons)

Obwohl die Bundesregierung den Einbau von Biomasseheizungen fördert und die entsprechende Heizkesseltechnologie ausgereift ist, stagniert die Nachfrage nach Biowärmeanlagen. Die Investitionskosten sind drei bis vier Mal höher als bei fossilen Anlagen und der Ölpreis verfällt immer weiter.

20.01.2016 – Mit einem Anteil von rund 61 Prozent an der Endenergie aus erneuerbaren Quellen leistet Bioenergie nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) den größten Beitrag aller regenerativen Energien. Dieser Wert beinhaltet die Bereitstellung von Biokraftstoffen sowie von Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung auf Basis von Energieträgern aus Festbrennstoffen wie Holz, Pellets oder Stroh, flüssigen Energieträgern wie Pflanzenöl und gasförmigen Brennstoffen wie Biomethan. Betrachtet man allein den Anteil von Biomasse an der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien, kommt man auf einen Wert von 87 Prozent. Hier ist Biomasse – insbesondere Holz – sogar mit Abstand der wichtigste erneuerbare Energieträger.

Das sind beeindruckende Zahlen. Aber nur auf den ersten Blick, denn die Statistik hat einen Haken: Im Vergleich zu althergebrachten Öl- und Gasheizungen ist der Anteil von Biomasseheizanlagen gering. Pelletheizungen und -öfen, die derzeit populärsten Formen von Biomasseheizungen, kämen deutschlandweit, gemessen an der Zahl der Haushalte, gerade einmal auf einen Anteil von einem Prozent, teilt die FNR auf Nachfrage mit. Schon seit 1993 versucht die Bundesregierung daher mit dem sogenannten Marktanreizprogramm (MAP) den Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmemarkt zu fördern. Im April letzten Jahres wurde das Förderprogramm novelliert und die Fördersätze in der Folge erhöht. Aktuell verfügt das MAP damit über ein Fördervolumen von 300 Millionen Euro, das für den Bau von Solarthermie-, Wärmepumpen, Geothermie- sowie Biomasseheizanlagen zur Verfügung steht. Bei einer Erstinstallation einer dieser Anlagen erhalten private Hauseigentümer mindestens 2000 Euro an Zuschüssen, während Unternehmen für große Einzelanlagen bis zu 50 000 Euro geltend machen können. Die Förderung erfolgt dabei über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), bei dem private Hausbesitzer Investitionszuschüsse beantragen können, und über die Förderbank KfW, die Kredite oder Tilgungszuschüsse an Unternehmen und Kommunen vergibt.

Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil der Erneuerbaren an Heizenergie und Wärmeerzeugung bis 2020 auf 14 Prozent auszubauen. 2014 lag dieser nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) im Jahresbericht „Erneuerbare Energien in Zahlen“ bei 9,9 Prozent (Stand Februar 2015). Durch methodische und statistische Neubewertungen hat das BMWi den Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeerzeugung rückwirkend deutlich nach oben korrigiert. Das BMWi begründet die nachträgliche Anpassung damit, dass erst seit dem vergangenen Jahr Angaben für den Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen (GDH) für die Jahre 2003 bis 2014 verfügbar seien. Der Vergleich mit dem Erneuerbaren-Jahresbericht des BMWi aus dem Jahr 2013 zeigt, dass sich die Erhöhung des Erneuerbaren-Wärmeanteils darüber hinaus sogar bis ins Jahr 1991 erstreckt, wobei das BMWi auf die Umstellung der Methodik in Anlehnung an internationale Berichtspflichten verweist. Durch die Anpassungen ist die gesamte Entwicklungskurve im Erneuerbare-Wärme-Sektor auf ein höheres Niveau gelangt. Für das letzte Auswertungsjahr 2014 ergibt sich daraus ein Anteil von 12,2 Prozent.

Obwohl die Lücke zum Ausbauziel nun innerhalb der kommenden fünf Jahre überbrückbar scheint, ist das tatsächliche Erreichen der 14-Prozent-Marke nach Einschätzung der FNR alles andere als sicher. „Aktuell kommen mehrere hemmende Faktoren zusammen. Wir haben Öl- und Gaspreise auf einem sehr niedrigen Niveau; bei den Bürgerinnen und Bürgern herrscht zudem eine starke Investitionszurückhaltung in Bezug auf Biomasseheizkessel“, sagt Hermann Hansen, Referent Bioenergie an der FNR. „Das 14-Prozent-Ziel ohne einen weiteren Ausbau von Wärme aus fester und gasförmiger Biomasse zu erreichen, dürfte kaum zu schaffen sein.“ Zwar sei die Zahl der Förderanträge seit der MAP-Novelle im April wieder gestiegen – im November letzten Jahres meldete das Bafa mit 7400 Anträgen ein neues Jahreshoch – insgesamt sei die Entwicklung im Erneuerbare-Wärme-Bereich in den letzten Jahren jedoch erkennbar rückläufig. Das bestätigen auch Zahlen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Gingen 2010 noch rund 96 000 Förderanträge bei Bafa und KfW ein, lag diese Zahl im Jahr 2014 nur noch bei rund 59 000. Angesichts der schleppenden Entwicklung appelliert auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) an die Bundesregierung, den Wärmemarkt weiter anzukurbeln und die Fördermittel für erneuerbare Wärme zu erhöhen. „Während der Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor 2015 bei circa 33 Prozent liegen wird, stagniert die erneuerbare Wärme bei zehn bis zwölf Prozent“, sagte BEE-Geschäftsführer Hermann Falk. „Zwar habe die Bundesregierung mit der im November verabschiedeten Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG) erstmals versucht, einen konkreten Aufwuchspfad für erneuerbare Wärme zu skizzieren, doch bleibe das Ergebnis ernüchternd. So komme auch die ESG selbst zu dem Schluss, dass mit den bestehenden Instrumenten das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 nicht zu erreichen sein werde. Aufgrund der Politik des billigen Öls würden vermehrt fossile Anlagen installiert. Um dies zu verhindern, müssten die Preise für fossile Energien endlich die tatsächlich verursachten Kosten widerspiegeln. „Energiewende geht anders, auch in deutschen Heizungskellern“, so Falk.

Um das 14-Prozent-Ziel dennoch zu erreichen, kommt dem Bioenergieträger Holz, die mit Abstand am häufigsten energetisch eingesetzte Form der Biomasse, eine besondere Bedeutung zu. Doch obwohl in Deutschland rund 25 Millionen Festmeter Holz in Form von Scheitholz, Hackschnitzeln oder Pellets zum Heizen verwendet werden, fristen entsprechende Verbrennungsanlagen insbesondere am Heizungsmarkt für Ein- und Zweifamilienhäuser nach wie vor ein Nischendasein. „Das große Handicap im Bereich von Holzpellet- oder Holzhackschnitzelheizungen sind die hohen Investitionskosten“, sagt Hansen. Aktuell lägen diese drei bis vier Mal höher als bei der Installation eines Öl- oder Gaskessels. Hinzu komme der Preisverfall bei fossilen Brennstoffen. Derzeit zahlen Besitzer einer Ölheizung unter 50 Euro für 100 Liter Heizöl, 2013 lag dieser Preis im Schnitt noch bei rund 85 Euro.

Wie sich das Preisniveau am Ölmarkt künftig entwickelt, ist völlig offen. So gehen Analysten der Investment Bank Goldman Sachs für das Jahr 2016 von einem Preis von 45 bis 57 US-Dollar aus, doch auch ein Preis von nur 20 US-Dollar sei durchaus vorstellbar. Dagegen warnte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor wenigen Jahren noch vor einem mittelfristig zu erwartenden Preisniveau im Bereich von 200 bis 250 US-Dollar pro Barrel. „Wir können zwar nicht in die Zukunft gucken, aber richtig ist: Aktuell haben wir am Ölmarkt ein hohes Angebot aus praktisch allen großen Ölländern wie Russland, Saudi-Arabien, Irak, den USA und möglicherweise in Zukunft auch aus dem Iran. Das Angebot übersteigt die Nachfrage deutlich und drückt infolgedessen auf die Ölpreise.“ Aus kartellrechtlichen Gründen dürfe der Verband aber keine Prognosen zur Ölpreisentwicklung abgeben und sie folglich auch nicht bewerten. Für den Biowärmesektor sind die Auswirkungen des Ölpreisverfalls offensichtlich. „Biomasseheizkessel in Einfamilienhäusern sind heute unter rein ökonomischen Gesichtspunkten nur noch unter günstigen Bedingungen wettbewerbsfähig“, so Hansen.

Auch auf Herstellerseite spielen Biomasseheizanlagen nur eine untergeordnete Rolle, was einerseits der größeren Komplexität solcher Anlagen im Vergleich zu Öl- und Gaskesseln geschuldet ist, andererseits aber schlicht die geringere Nachfrage auf Kundenseite reflektiert. „Viele Bürger haben mittlerweile vielleicht schon von einer Pelletheizung im Bekanntenkreis gehört. Auf den gesamten Markt bezogen – und wir sprechen hier von 40 Millionen Haushalten – sind 400 000 Pelletheizungen eine geringe Zahl. Und das sind alle Pelletzentralheizungen und Pelletöfen zusammengenommen, die bis heute in Deutschland installiert wurden“, sagt Hansen.

Auch der Zentralverband Sanität Heizung Klima (ZVSHK) spricht beim Thema Biomasseheizanlagen von einem Problem, das auf Nachfrageseite beginnt. „Die Sensibilisierung für erneuerbare Heizalternativen muss aus unserer Sicht der erste Schritt sein“, sagt Verbandssprecher Frank Ebisch. In der Vergangenheit hätten es die Erneuerbaren leichter am Markt gehabt. Doch habe der niedrige Ölpreis ganz klar zu einem Anstieg der Ölheizungsneubauten geführt. Hinzu komme insbesondere bei Hausbesitzern eine gewisse Zögerlichkeit, wenn es um die Erneuerung der Heizungsanlage gehe.

Das bestätigt auch eine Emnid-Umfrage, die der ZVSHK Ende November veröffentlich hat. Demnach gaben rund zwei Drittel der Immobilienbesitzer in Deutschland an, ihre Heizung in den nächsten fünf Jahren nicht modernisieren zu wollen, obwohl diese mindestens 15 Jahre oder älter sei. Fast 90 Prozent dieser „Nichtmodernisierer“ begründeten ihre Entscheidung damit, dass ihre Heizungsanlage „noch funktionstüchtig, effizient genug und auf dem Stand der Technik“ sei. Nach Ansicht von ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Elmar Esser „eine Fehleinschätzung, die die Umwelt belastet und durch einen zu hohen Energieverbrauch bares Geld kostet“. Laut der Befragung sagen jedoch immerhin 29 Prozent „ja“ zur Heizungsmodernisierung. Von dieser Gruppe gaben wiederum 73 Prozent an, dass sie damit die Umwelt schonen wollen. Mehr als die Hälfte begründete den Modernisierungswunsch mit dem zu hohen Energieverbrauch ihrer Altanlage. „An die Heizungsanlagen wagen sich die Leute in der Regel erst, wenn die alte Heizung kaputt ist“, fasst ZVSHK-Sprecher Ebisch die Gesamtlage zusammen.

FNR-Experte Hermann Hansen teilt diese Einschätzung: „Eine Heizung wird nicht ausgetauscht, wenn es wirtschaftlich sinnvoll wäre, sondern entweder wenn der Schornsteinfeger feststellt, dass die Anlage dreißig Jahre alt ist und laut Energieeinsparverordnung ausgetauscht werden muss, oder wenn sie kaputt geht.“ Die FNR hat aber auch andere Faktoren identifiziert, die den Umstieg auf erneuerbare Wärme verhindern. Auf Herstellerseite sorgten die geringen Stückzahlen in der Produktion dafür, dass sich kostensenkende Skaleneffekte wie bei der Herstellung von Öl- und Gaskesseln nicht realisieren ließen. Zudem rieten auch Heizungsbauer beim Austausch einer Anlage dazu, bei der ursprünglich verwendeten Heiztechnologie zu bleiben. Das bedeute in der Regel wieder den Einbau einer Öl- oder Gasheizung. Betrachtet man die Marktsituation der einzelnen Hersteller, muss man die niedrigen Stückzahlen von Biomasseheizkesseln im Vergleich zu Öl und Gaskesseln bedenken. „Das ist das eigentliche Drama für das Erreichen der Klimaziele in Deutschland“, ist sich Hansen sicher. „Mit jeder Ölheizung, die heute installiert wird, sind Entscheidungen für die nächsten 20 bis 30 Jahre getroffen.“

Isaac Bah / neue energie Nr. 01 / Januar 2016 / S. 46 - 48

www.neueenergie.net


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