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NetzausbauDie Versäumnisse müssen nachgeholt werden

Strommast
(Foto: webyourlife / Pixabay / Free License)

Der schleppende Netzausbau beschäftigt die Energiebranche, Wirtschaftsminister Altmaier gibt zu: Man hätte das Projekt vor zehn Jahren forcieren müssen. Mit seiner Initiative sei der Netzausbau nun „aus dem Dornröschenschlaf“ geholt. Die Netzbetreibern fordern dagegen mehr als nur neue Leitungen.

04.02.2019 – Auf dem Energiegipfel des Handelsblatts debattiert die Energiebranche die deutsche Energiepolitik: Noch immer hinkt Deutschland im Klimaschutz anderen Ländern hinterher. Der Kohleausstieg ist zwar beschlossene Sache, die Realisierung könnte aber schwierig werden, denn der Netzausbau kommt nur schwer voran. Verbraucher bangen um die Versorgungssicherheit und dann das noch: Gleich zu Beginn der Veranstaltung fällt im Saal der Strom aus, alle Teilnehmer sitzen im Dunkeln. Ist das der seit Langem befürchtete große Blackout der deutschen Stromversorgung? 

Netzausbau zehn Jahre zu spät gestartet?

Nachdem das Licht wieder eingeschaltet war – der Stromausfall war simuliert und gehörte zur Tagungsdramaturgie – und sich die entstandene leichte Unruhe gelegt hatte, konnte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als erster prominenter Gast mit seiner Rede beginnen. Er erinnerte zunächst an das von seinem Ministerium bisher Geleistete: an den Aktionsplan Stromnetz, den man gemeinsam mit allen 16 Bundesländern auf den Weg gebracht habe. An die kürzlich im Kabinett beschlossene Novellierung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (Nabeg), das Verfahren vereinfachen und eine vorausschauende Planung des Netzausbaus ermöglichen soll. An die Gespräche mit Bürgerinitiativen und Landwirten vor Ort, mit denen man das Thema Netzausbau aus dem Dornröschenschlaf aufgeweckt habe.

Es fehlte aber auch nicht der Hinweis auf die Versäumnisse seiner Amtsvorgänger und -vorgängerin: „Stellen Sie sich nur vor, wir hätten all diese Aktivitäten schon vor zehn Jahren gestartet, und es hätte schon damals jemand gesagt: Wir müssen Stromnetze bauen, mit Hochdruck. Dann wären die schon alle fertig, dann wüssten wir gar nicht, worüber wir uns jetzt beklagen sollten.“ Stattdessen müsse man jetzt das Versäumte nachholen. Dabei habe man hierzulande eine Sondersituation, denn Deutschland sei das einzige Industrieland der Welt, das aus der Nutzung der Atomenergie aussteige und parallel dazu die Dekarbonisierung der Energieerzeugung vorantreibe, indem man auf Erneuerbare Energien umsteige.

Wie es um Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit steht

Danach ging es zu den Kernpunkten der Rede. Es sei wichtig, so Altmaier, dass die Energiewende für alle bezahlbar sei sowie Umweltnachhaltigkeit und Versorgungssicherheit gewähre. Er begann mit der Bezahlbarkeit: „Dies ist nicht irgendeine Frage, sondern eine entscheidende Frage für den Standort Deutschland.“ Denn wenn die Energiewende in Deutschland dazu führen würde, so der Wirtschaftsminister weiter, dass man die Wettbewerbsfähigkeit einbüße, dann werde man die Energiewende nirgendwohin exportieren können, weil dann alle sagen würden: „Am Beispiel Deutschland sieht man ja, dass es nicht funktioniert.“ 

Die Energiewende werde nur auf lange Sicht gelingen können, „in klaren und verantwortbaren Schritten, die dazu führen, dass keiner der Akteure, weder die Energieversorger, noch die Netzbetreiber, noch die Verbraucher, noch die Wirtschaft überfordert werden.“ Deshalb habe man energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage weitestgehend befreit, damit sie nicht zu stark vom steigenden Strompreis belastet würden, das werde man fortführen.

Enorm viel gelernt

Neben der Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit einer grundlegend umgestalteten Energieversorgung misst Altmaier der Versorgungssicherheit eine herausragende Bedeutung zu. Einen europaweiten Stromausfall habe man seit mehr als zehn Jahren glücklicherweise nicht mehr erleben müssen (am 4. November 2006 waren ausgedehnte Teile des europäischen Stromnetzes wegen Überlastung zusammengebrochen, nachdem wegen der Ausschiffung eines neuen Kreuzfahrtschiffes von der Meyer-Werft in Papenburg über die Ems in die Nordsee wie vorgesehen – aber mangelhaft geplant – zwei Hochspannungsleitungen außer Betrieb genommen worden waren).

„Das ist seither nicht wieder passiert, weil wir in Deutschland und Europa inzwischen unglaubliche Erfahrung haben, was Gewährleistung und Versorgungssicherheit angeht. Was Übertragungsnetzbetreiber, Verteilnetzbetreiber und Energieversorger in den vergangenen 20 Jahren gelernt haben, ist enorm.“ Deshalb besitze Deutschland nach wie vor die höchste Versorgungssicherheit weltweit, und sie habe sich in den letzten Jahren qualitativ sicher nicht verschlechtert.

Netzausbau allein reicht nicht

Mit den bestehenden Netzen könne man mehr Energie transportieren, wenn man die Systemführung automatisiere, hatte der damalige Tennet-Manager Lex Hartmann Anfang November ausgeführt. Er habe das schon vor zwei Jahren angeregt, aber erst vor kurzem habe die Bundesnetzagentur zugesagt, diese Lösung zu fördern. Und auch beim Bau von Speichern brauche man bessere Lösungen. 

Ebenfalls in diese Richtung zielten die Aussagen der niederländischen Tennet-Chefin Manon van Beek vor den Vertretern der deutschen Energiewirtschaft. Die Probleme des Netzausbaus ließen sich nicht allein mit einem ständigen Zubau neuer Leitungen bewältigen, betonte Beek. Hinzukommen müssten Innovation und Digitalisierung. 

Fokus auf Innovationen

Ferner müsse man über intelligente Speicherkonzepte nachdenken, nur mit ihnen könne man 65 Prozent und mehr Erneuerbare Energie integrieren. „Dafür brauchen wir eine Regulierung, die Anreize für Investitionen setzt“, forderte van Beek in Richtung Politik. Man werde sich mit aller Kraft für einen ausreichenden Netzausbau einsetzen, doch alleine sei das wohl nicht zu schaffen, dafür sei die Aufgabe mit den damit zusammenhängenden Problemen, wie beispielsweise dem Widerstand von Teilen der Bevölkerung, einfach zu groß. Übertragungsnetzbetreiber Tennet ist im größten Teil Deutschlands für eine gesicherte Stromversorgung verantwortlich. 

Der Präsidenten der Bundesnetzagentur Jochen Homann kennt diese Probleme. Auch er sieht in der mangelnden Akzeptanz des Netzausbaus in der Bevölkerung ein nicht zu unterschätzendes Problem. Nicht nur deshalb habe er es begrüßt, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Netzausbau zur Chefsache gemacht habe und mit seiner Autorität forciere. Und genau wie Tennet fordere er, verstärkt auf Innovationen zu setzen. Eine Vorgabe, möglichst viele Leitungen zu verlegen, gebe es jedoch nicht. Homann stellte aber auch klar: „Neue Technologien ändern kein Jota am jetzt nötigen Netzausbau.“ Wilhelm Wilming


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Kommentare

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Kühnel 04.02.2019, 14:05:22

+481 Gut Antworten

Wenn eine Sache auf so einer gewaltigen Lüge und Verleugnung aufbaut, dann kann sie nur misslingen. Es geht um die Erweiterung des europäischen Binnenmarktes, wo Deutschland die Drehscheibe beim Energiehandel sein soll. Sobald der Netzausbau vollendet ist, werden die Deutschen merken, dass nun der Atomstrom aus den Nachbarländern zur eigenen Versorgung wieder in das Land fließt, das ist nämlich nicht verboten, lt. Gesetz verboten ist nur die Produktion von Atomstrom im eigenen Land, aber nicht der Verbrauch von Atomstrom der vom Nachbarn kommt. Ein Beispiel: Da haben wir nun schon mal den Giganten Ostbayernring eine Wechselstromleitung der die Leistung von 3 Atomkraftwerken fördern kann, er hängt ganz eng zusammen mit den geplanten 2 Atomkraftwerken in Tschechien, eins ohne das andere macht keinen Sinn. Tschechien lehnt die Versorgung durch Erneuerbare Energien ab und setzt in Zukunft auf Atomenergie.

Die Versorgung des ostbayrischen Raums mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien würde funktionieren wenn vor Ort z.B. in Arzberg und Schwandorf 2 Gaskraftwerke als Regelkraftwerke gebaut würden. Die in der Energieversorgung eingebundenen wissen es alle, dass nur Gaskraftwerke in Kombination mit den fluktuierenden Strom aus Wind- und PV-Anlagen eine sichere und stabile Versorgung garantieren, es können dann ohne jeglichen Druck Speicher dazu gebaut werden, das ganze müsste in der Hand eines Besitzers sein, denn dann wirkt sich das Sparen an Gas positiv auf den Preis des Kombistroms aus. Nur so würden sich dann die hohen Überschüsse vermeiden lassen, denn nur diese destabilisieren unser gutes deutsches Stromnetz, denn an der Physik, dass sich Einspeisung und Entnahme die Waage halten müssen wird sich nun mal nichts ändern lassen. Mit diesen Überschüssen verbilligt Deutschland im Moment den Strompreis in Nachbarländern die in der Lage sind zu regeln und verteuert ihn aber im eigenen Land, an der europäischen Kostenverteilung wird sich mit den Monstertrassen nichts ändern, denn diese müssen von denen die den Strom daraus entnehmen bezahlt werden.

Markus K 04.02.2019, 15:54:44

+433 Gut Antworten

Es ist schon tragisch, wie hier immer um den heißen Brei herum geredet wird. Die aktuelle Regierung hat kein Interesse an der Energiewende, Punkt. Herr Altmaier ist schon lange in der Politik und hat noch nie als Verfechter der Energiewende geglänzt. Man kann ihm mehr Kompetenz zollen als Herrn Scheuer, aber das war es dann auch schon. Dass man Speicher braucht ist seit über 10 Jahre bekannt. Dass man die Stromautobahnen umgehen kann, in dem man konsequent dezentral produziert und das Netz ausbaut, ist mindestens so lange bekannt. Jetzt will man viel zu spät aus der Kohle aussteigen und bremst gleichzeitig die Erneuerbaren. Wer erkennt hier eine Strategie, wenn nicht die, die Energiewende gegen die Wand fahren zu wollen, um anschließend wieder multinationalen Konzernen das Spielfeld überlassen zu können. Ein Schelm wer Böses dabei denkt - die Atomlobby steht schon in den Startlöchern (siehe KIT Karlsruhe, Bill Gates usw.). Die 100 Mrd Euro die zwischen 2000 und 2010 in die Energiewende investiert wurden, kamen weder vom Staat noch von den Energiekonzernen. Soviel zum politischen Willen. Deutschland braucht die Energiewende nicht mehr zu exportieren, das machen andere schon lange besser.


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