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compactLineNeue Strommasten könnten Netzausbau beschleunigen

Das neue Strommasten-Konzept compactLine von 50Hertz
Weniger hoch und weniger breit als ein herkömmlicher Stahlgittermast: Vollwandmast mit Kastentraversen eines compactLine-Systems (Foto: 50Hertz Transmission GmbH)

CompactLine heißt die Hoffnung auf mehr Akzeptanz beim Netzausbau – und mehr Schnelligkeit. Das neuartige Freileitungskonzept wurde mit Partnern aus Energiewirtschaft und Wissenschaft entwickelt und geht nun in die Pilotphase. Ziel ist eine Reduzierung des Flächenverbrauchs.

01.10.2018 – Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich Mitte August vor Ort ein Bild über den Stand des Netzausbaus im Westen Deutschlands machen können. Danach müsste er jetzt wissen, wo er zur Lösung der deutlich zutage tretenden Probleme unbedingt ansetzen muss, um die Höchstspannungsleitung so schnell wie möglich fertigstellen zu können: nämlich bei den Anliegen betroffener Landwirte, die als Entschädigung für die Nutzung ihres Grund und Bodens bevorzugt eine wiederkehrende Zahlung erwarten, bei den Flächen für Trassen, Masten und Windenergie überhaupt, weil sie knapp werden könnten, bei der immer noch ungeklärten Frage, welche Qualität die genutzten Böden nach dem Verlegen von Hochspannungs-Erdkabeln nach dem Wiederverfüllen überhaupt noch haben werden und nicht zuletzt bei der Höhe der Masten und der Breite der Trassen.

Für das letztgenannte Problem könnte man dem Bundeswirtschaftsminister eine Lösung empfehlen, die jetzt im sächsischen Jessen (Elster) als Pilotprojekt gestartet wurde: eine neue Höchstspannungsleitung namens compactLine, die weniger Raum und Fläche verbraucht und deshalb die Akzeptanz des Netzausbau in der Bevölkerung steigern kann. Im August dieses Jahres, nach elf Monaten Bauzeit, konnte Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz dieses zwei Kilometer lange, neuartige 380-kV-Leitungssystem in Betrieb nehmen.

Ein völlig neues Freileitungsdesign

Der Name verrät es schon: Das neu konzipierte System ist wesentlich kompakter ist als herkömmliche Ausführungen. Zu erkennen ist diese neue Kompaktheit vor allem daran, dass die Leiterseile bedeutend weniger tief durchhängen als bisher. Sie sind jetzt wie Girlanden an straff gespannten Tragseilen aus Stahl befestigt, die sich weniger stark erwärmen und ausdehnen wie die für den Stromtransport verwendeten Kupfer- oder Aluminiumleiter. Der Durchhang wird jetzt also primär durch das tragende nicht vom Strom durchflossene Stahlseil bestimmt.

Das führt im Endergebnis dazu, dass die Masthöhe geringer bemessen werden kann. Der geringere Durchhang des Tragseil-Stromleiter-Systems spielt aber nicht nur für die Masthöhe die entscheidende Rolle, sondern auch für die Breite des Freileitungssystems. Denn ein geringerer Durchhang ermöglicht natürlich auch einen geringeren Abstand der Tragseil-Stromleiter-Systeme zueinander. Der Abstand muss lediglich so ausgelegt werden, dass die Gefahr der Berührung bei starkem Wind ausgeschlossen ist.

Diese Änderungen im Design verändern das Erscheinungsbild einer Freileitung erheblich. Vor allem die Tragmasten sind es, die den Unterschied machen. Sie sind als konische Vollwand-Stahlmasten ausgeführt und wirken mit ihren kastenförmigen Querträgern in der Landschaft etwas weniger sperrig als die bisher verwendeten Stahlgittermasten. Die Entwickler legten Wert darauf, dass sich alle Teile dieses neuen Masttyps als normales Transportgut an der Baustelle anliefern und montieren lassen, massige Schwerlast-Fahrzeuge und große Kräne also nicht erforderlich sind.

Nicht erforderlich sind ferner Hubarbeitsbühnen für Arbeiten an und auf den Querträgern, da diese über einen Steiggang innerhalb des Mastes erreichbar sind. Damit erübrigt sich weitgehend der Bau breiter landschaftsschädigender Zuwegungen. Das dürfte dazu beitragen, die Akzeptanz neuer Freileitungen in der Bevölkerung zu erhöhen.

Um aber nichts dem Zufall zu überlassen, ließ das Unternehmen im Laufe des Projekts weitere Faktoren für die Wahrnehmung und die Akzeptanz von Freileitungen durch die Bevölkerung in einer Studie untersuchen. Als Ergebnis zeigte sich eine überwiegende Zustimmung zu einem kompakten Design und vor allem die Aussage, dass die Höhe von Masten maßgeblich für die Wahrnehmung einer Freileitung im Landschaftsbild ist.

compactLine fügt sich unauffälliger in die Landschaft ein

compactLine entstand von 2013 bis 2017 im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes unter Führung von 50Hertz. Ziel war die Entwicklung einer raumsparenden und gleichzeitig leistungsstärkeren 380-kV-Freileitung, die sich in einen bestehenden 220-kV-Korridor einbauen ließe. Nach theoretischen Untersuchungen, Feldberechnungen und Simulationen begannen im September 2017 die Arbeiten an einer zwei Kilometer langen Pilotstrecke am Umspannwerk Jessen/Nord. Die Inbetriebnahme erfolgte im August 2018, eine jetzt im Anschluss daran gestartete einjährige Monitoringphase soll die Praxistauglichkeit von compactLine unter Beweis stellen.

„Das Besondere an der compactLine ist, dass sie sich besser in die Landschaft einfügt – weil sie niedriger und kompakter ist als herkömmliche Freileitungssysteme“, freut sich Frank Golletz, Technischer Geschäftsführer von 50Hertz. „Wir haben mit der compactLine gezeigt, dass es möglich ist, Freileitungen kleiner zu bauen, ohne dabei Abstriche in wichtigen Funktionsbereichen zu machen.“ Grundsätzlich benötige die compactLine mit 55 bis 60 Metern eine schmalere Trasse als herkömmliche Freileitungen.

Außerdem, so schreibt 50Hertz, sei die Bauhöhe mit 30-36 Metern etwa 20 Meter niedriger als bei herkömmlichen Stahlgittermasten. Diese hätten eine Höhe von 50 bis 60 Metern und eine beanspruchten eine Trassenbreite von rund 72 Metern. Die Abstände zwischen den Masten von compactLine lägen in der Regel bei rund 400 Metern, abhängig vom Geländeprofil und dem Trassenverlauf.

Auch Ralf Schlosser von der SPIE SAG GmbH ist stolz auf das Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde. „Weltweit gibt es kein vergleichbares Freileitungssystem“, betont der verantwortliche Leitungsbauer. SPIE war verantwortlich für die technische Koordination sowie die Neuentwicklung von Stromleitungen, Tragseilen, Erdseilen, Bündelabstandshaltern und Bündelkonfigurationen. Wilhelm Wilming


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Kommentare

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Florian 01.10.2018, 21:11:17

+528 Gut Antworten

interessantes System, durch die geringere Bauhöhe wird auch die Wartung der dann natürlich abgeschalteten Leitung etwas erleichtert. Zur Überspannung von Waldgebieten sind die herkömmlichen Masten vermutlich besser geeignet. Den neuen Masten sollte aber eine Chance gegeben werden und ein paar Pilotprojekte realisiert werden. Im Time Magazine hatte ich gelesen das der Energieversorger Pacific Gas & Electric in Kalifornien finanzielle Probleme hätte da er für Waldbrände ausgelöst von zu tief hängenden Seilen von Hochspannungsleitungen haftbar gemacht werden soll. Höhere Masten und Seile können auch hilfreich sein, ebenso wie breitere Schneisen siehe Deutsche Bahn und deren heute massive Probleme mit Windbruch im Vergleich zur Dampflok Zeit als wegen Funkenflugs breite Schneisen entlang der Bahntrassen gerodet wurden.

 

Als Anmerkung zur Erdverkabelung, diese sollte bevorzugt gebündelt entlang von anderen Verkehrswegen und nicht quer über landwirtschaftliche Flächen oder durch Waldgebiete führen. Pipeline Trassen sind auch ein bleibender Einschnitt in der Landschaft der aber durch kluge Planung minimiert werden kann.

Kühnel 04.10.2018, 23:10:10

+409 Gut Antworten

https://www.youtube.com/watch?v=T8w7sWgndes

Vortrag von Christian von Hirschhausen TU Berlin und Energiexperte 20.2.2015 in der Diepoldhalle in Schweinspoint, Gemeinde Marxheim, über die Sinnlosigkeit von HGÜ - Stromtrassen nach Bayern.

Das Video-ab Minute 29:30 das sollte Herr Altmaier einmal ansehen…: Hier sagt Prof. von Hirschhausen: Es, es ist ein Mythos, dass der Norden ganz viel Wind hat und der Süden den braucht, dieser Mythos kommt aus dem falschen Marktdesign…..

-Engpässe zwischen Norden und Süden existieren eigentlich nicht

-Wir haben kein Netzproblem

-Woher kommt es nun das welche sagen, dass wir doch ein Netzproblem haben, die kennen sich entweder nicht aus oder sie vertreten eine Meinung die bestimmten Interessen folgt, das ist auch legitim aber genauso legitim ist es das offen zu legen……..

Frage: Wo stuft sich der Bundeswirtschaftsminister ein, beim 1. oder 2.

Worüber er anscheinend bisher nicht nachdachte ist, was mit dieser Politik dem Volk angetan wird. Denkt er, dass er von den entlang dieser Trassen wohnenden Bevölkerung dann auch noch gewählt wird?

Das erste Kind, dass an einer der Trassen wohnt und an Leukämie erkrankt sollte einen Aufschrei in der ganzen Nation bewirken, denn die Kleinsten und Schwächsten werden als Versuchskaninchen benutzt.

Aber auch die Natur wird nicht berücksichtigt, das teure EU-Projekt Natura 2000 mit seinen FFH- und Vogelschutzgebieten soll überspannt bzw. untergraben werden, obwohl lt. Gesetz von Natura 2000 dies nicht gestattet ist. Diese Trassenbreite längs durch das Land und die Breite der für die dazu gehörenden Zufahrtswege muss abgeholzt werden, dort darf dann solange diese Trasse steht kein Baum mehr wachsen, das heißt gleichzeitig es wird ein riesiger CO2 Speicher vernichtet.

Diese Leitungen sind nur für die Erweiterung des europäischen Binnenmarktes. Das alte Verteiler- System Verteilung von der obersten Spannungsebene, also der Hoch- und Höchstspannungsleitung nach unten soll, koste es was es wolle, beibehalten werden, obwohl das System nicht kompatibel mit den Erneuerbaren ist, denn diese speisen auf der Niederspannungsebene oder Mittelspannungsebenen ein, d.h. beim Verteilnetz den untersten Spannungsebenen, es ist also umgekehrt wie es bisher der Fall ist. Warum soll der Strom, der schon beim Verbraucher ist, nun hochtransformiert werden, um dann wieder runter transformiert zu werden? Es ist ein neues System das hier gefordert wird, dem auch noch die Digitalisierung zur Hilfe kommt. Vielleicht ist es die neue Datenbanktechnologie Blockchain die alles richten wird und zwar, dass dann der fluktuierende Strom von Wind- und PV- Anlagen keine Reservekraftwerke mehr benötigten. Hiermit ist dann auch möglich das Strom unter den Bürgern gehandelt werden kann.

Adrion Werner 20.01.2019, 12:41:15

+367 Gut Antworten

Bei uns im tiefen Süden werden über unsere Köpfe weg, von der Linie Karlsruhe und Stuttgart bis zu 5 GW Richtung Schweiz transferiert. Über die Trassen Rheingraben, Herbertingen - Tiengen, Trossingen - Gurtweil - Kühmoos sind 5 Systeme 380 kV, sowie einige 220 kV Systeme und weitere Reserven zur Systemauflage vorhanden. Wenn Italien nicht ständig bis zu 3 GW aus der Schweiz wegziehen würde müsste dieser Wahnsinns - Transfer von Nord nach Süd nicht sein. Der Leistungsbezug Italiens belastet natürlich auch das Höchstspannungsnetz Deutschlands. Die Selbstversorgung Italiens wäre der erste Schritt zur Systementlastung in Deutschland.


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