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Smart Home à la Wunsiedel

Stadtwerkechef Marco Krasser im Wohnlabor, mit Smart Eco Box und regelbaren, vernetzten Stromwärmespeichern. (Foto. © SWW Wunsiedel)
Stadtwerkechef Marco Krasser im Wohnlabor, mit Smart Eco Box und regelbaren, vernetzten Stromwärmespeichern. (Foto. © SWW Wunsiedel)

Die Stadtwerke im oberfränkischen Wunsiedel haben schon einiges in punkto regionaler Energiewende bewegt. Neuestes Projekt ist das „WUN-Wohnlabor Energie“. Dort sollen flexible Wärmespeicher die Lastspitzen von Ökostrom abfedern, Energiekosten senken und die Mietwohnungen im Bestand aufwerten.

13.07.2015 – Besonders spektakulär sieht sie nicht aus, die rosa gestrichene Fassade des Mehrfamilienhauses in der Dr. Schmidt-Straße-7, ein paar Straßenzüge vom Rathaus der Kleinstadt im Fichtelgebirge entfernt. Ein typischer Altbau aus den 1950er Jahren, die den örtlichen Stadtwerken (SWW) gehört. Im Erdgeschoss ein Wohnungsschild mit der Aufschrift Gerichtsvollzieher.

Doch im ersten Obergeschoss beginnt im „WUN-Wohnlabor Energie“ die Zukunft. „Uns geht es vor allem darum flexible Wärmespeicher in Wohnungen zur Abfederung von Lastspitzen von Ökostrom zu nutzen, Energiekosten zu senken und ohne riesigen baulichen Aufwand Wohnraum aufzuwerten“, sagt SWW-Chef Marco Krasser, schlank-sportlich mit modischer Hornbrille.

In der eher schlichten 3-Zimmer Wohnung mit viel Licht, pastellfarbenen Vorhängen, Laminat und hellen Möbeln ist vieles anders. Eine kleine Smart-Box, die auf einem schlanken Sockel steht, ist das Gehirn der Wohnung. Hier laufen alle Daten zusammen, die den Energie- und Wärmebedarf selbständig an den jeweiligen Bedarf der Bewohner anpassen.

Alle Leitungen, Sensoren und Chips sind unsichtbar verlegt. Wichtigste Hardware sind die „Intelligent Quantum“ Stromwärmespeicher von Glen Dimplex, Elektro-Speicheröfen der neuen Generation. Sie sind mit separat steuerbaren Heizelementen und Smart Grid-Schnittstellen ausgestattet, die eine flexible Ladung ermöglichen. Auch die Warmwasserspeicher in der Küche und dem Bad und die Infrarot-Flächenheizungen haben entsprechende Schnittstellen.

Energie auf Abruf

Vom Leitstellenrechner des städtischen Versorgers werden über eine gesicherte Cloud Informationen zu der Smart Box in der Wohnung übermittelt und Steuersignale zu den Elektrogeräten gesendet bzw. Daten aus der Wohnung zurückgesendet. „Erstmals haben wir damit intelligente Speichergeräte, die mit dem Netz über Energieverbrauch und -bedarf kommunizieren können“, erzählt Krasser. „Auf diese Weise können wir die Wohnungen als aktiven Bestandteil unseres Netzes nutzen und zu Spitzenzeiten überschüssig produzierten Strom in den Stromspeicherheizungen zwischenlagern, bis er zum Heizen gebraucht wird“.

Ein wichtiger Vorteil für die SWW: die Optimierung des Lastmanagements. „Zudem können wir als neues Produkt lastvariable Tarife anbieten, die für unsere Kunden preislich interessant sind“, freut sich Krasser.

„Mit der installierten Technik lässt sich der Energieverbrauch auf knapp die Hälfte im Vergleich zu einer herkömmlichen Wohnung reduzieren“, sagt Gerhard Kleineidam, Geschäftsführer des E-Home-Centers an der Universität Erlangen, der das WUN-Wohnlabor betreut. Denn es werde ja nur dann Energie angefordert, wenn sie auch wirklich benötigt werde.

Ein i-Tüpfelchen ist dabei auch die Flächen-Infrarotheizung, die im Fußboden und den Decken eingebaut ist. Denn sie liefert dank eingebauten Sensoren nur dann Wärme, wenn jemand in der Nähe ist. Die Raumtemperatur kann damit auf 17 Grad gehalten werden, ohne dass es als kühl empfunden wird. Via Smart-Box können die vernetzten Geräte mit den Wetterdiensten kommunizieren und den künftigen Energiebedarf berechnen. „Sind für morgen 5 Grad gemeldet, ordert das System selbständig von der SWW die benötige Energie“, erläutert Krasser.

Monitoring läuft

Ob sich die Technik im Alltag bewährt wollen nun die Mitarbeiter des E-Home-Centers in den kommenden fünf Jahren in der Dr. Schmidt-Straße testen. Entwickelt werden sollen auch Algorithmen zur Steuerung der Software. Versteckt in der Besenkammer stapeln sich jetzt schon Messgeräte, Laptops und reichlich Elektronik. Das Projekt ist Teil des vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekts Smart Eco. Neben Glen Dimplex Deutschland (Kulmbach) sind weitere bayerische Unternehmen wie Diehl, EMZ und Frenzelit an dem Wohnlabor beteiligt.

Krasser zeigt sich zuversichtlich, dass der Praxistext funktioniert „Wir sehen ein großes Vermarktungspotential für dieses Wohn- und Energiekonzept bei der Wohnungssanierung“, unterstreicht der SWW-Geschäftsführer. „In innerstädtischen Altbaubeständen hat die intelligente Technik, wie wir sie einsetzen, das Potenzial zur gängigen preiswerten Art der Sanierung zu werden“, sagt er denn das es keine Zentralheizung gibt und keine Leitungsrohre durch Decken hindurch verlegt werden müssen, ließen sich die Wohnungen separat sanieren.

„Allein im Versorgungsnetz der SWW gibt es 570 Haushalte mit Stromheizungen, seien es Nachtspeicher, Direktplattenheizungen oder Wärmepumpen“, rechnet Krasser vor. Dies entspreche ca. 5 MW installierter Leistung und somit in etwa der in Spitzenzeiten überschüssigen Leistung von Ökostrom von 3-5 MW im SWW-Netz. Ein bisher nicht genutztes Potential für ein optimiertes Lastmanagement, das der Stadtwerkemanager künftig erschließen will.

Speichern notwendig

Insgesamt sind im SWW-Netzgebiet bereits mehr als 20 MW Leistung regenerativer Energieerzeugung installiert. „Erzeugung alleine reicht jedoch nicht“, so Krasser. Der nächste logische Schritt sei der Aufbau von Speichern wie Power to Gas, Schwungmassenspeicher oder Batteriespeichern und die intelligente Vernetzung zu einem Ganzen. Dazu gehöre auch die Konvergenz zwischen Wärme und Strom herzustellen.

Als „zentrales Nervensystem“ hierfür sieht er den Ausbau des Glasfasernetzes als Kommunikationstechnologie, womit die SWW im Ortsteil Schönbrunn bereits begonnen hätten. Krassers Vision: 100 Prozent Ökostrom und Ökowärme für die Region Wunsiedel bis 2030, in der richtigen Form, am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt.

Derzeit liegt der Ökostromanteil im Netzgebiet der SWW immerhin schon bei über 60 Prozent und es wurden über 60 Mio. Euro in Erneuerbare Energien investiert. „Künftig werden wir als Dienstleistung auch Regelenergie zur Stabilisierung des externen Stromnetzes bereitstellen können“, sagt der SWW-Geschäftsführer mit entschlossenem Tonfall. Hans-Christoph Neidlein


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