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Stabile StromversorgungSo viel Backup wird bei kalter Dunkelflaute gebraucht

Mehrere Windräder im Morgendunst
Wieviel Kraftwerksreserve braucht das Stromnetz, um bei extremen Wetterlagen nicht zu kollabieren – eine Studie gibt Antworten. (Foto: Pixel2013 auf Pixabay)

Bei extremen Wetterlagen mit hoher Stromnachfrage und wenig Erzeugung werden zukünftig zwischen fünf und zehn Gigawatt flexible Kraftwerkskapazitäten nötig sein. Solche Backup-Lösungen sind nur wenige Stunden pro Jahr im Einsatz und deshalb teuer.

18.03.2021 – Extreme Wetterereignisse sind selten, können aber erhebliche Auswirkungen auf die Energieversorgung haben. Das hat sich Mitte Februar in Texas gezeigt, als ein historischer Wintersturm den Strombedarf in unvorhergesehene Höhen trieb und gleichzeitig die Gasversorgung für Kraftwerke teilweise zusammenbrach. Tagelange Stromausfälle für Millionen Menschen, zeitweise extreme Strompreise und Insolvenzen von Versorgern waren die Folgen.

Um solche Ausfälle zu verhindern, müssen in Extremsituationen flexible Kraftwerke einspringen. Für das Energiesystem der Zukunft mit schwankender Erzeugungsleistung ist deshalb eine wichtige Frage, wie viel Reserven in besonderen Situationen bereitstehen müssen.

Für Deutschland haben die Analysten von Aurora Energy Research eine Prognose gewagt: Fünf bis zehn Gigawatt flexible Kraftwerksleistung sind bis 2050 laut den Ergebnissen der Studie notwendig. Ob weniger oder mehr, hängt entscheidend davon ab, wie die Möglichkeiten der flexiblen Stromnachfrage ausgeschöpft werden.

Reserve kann geringer sein, wenn Stromnachfrage flexibilisiert wird

Rund 20 Prozent der Stromnachfrage könnten nach Meinung der Analysten von Aurora flexibilisiert werden, indem zum Beispiel Ladevorgänge von Elektroautos und der Betrieb von Wärmepumpen oder Wasserstoffelektrolyseuren an die schwankende Erzeugung angepasst werden. Auch die Industrie könnte ihre Stromnachfrage in bestimmten Grenzen flexibilisieren und zum Beispiel für kürzere Zeiträume energieintensive Prozesse pausieren.

Insgesamt steckt erhebliches Potenzial in einer intelligent angepassten Stromnachfrage: „Wenn wir die verbrauchsseitigen Flexibilisierungen voll ausreizen, brauchen wir nur fünf Gigawatt zusätzliche flexible Kraftwerke“, sagt Studienautorin Kornelia Stycz. „Wenn wir uns umgekehrt nur auf die Erzeugungsseite verlassen, werden wir die zehn Gigawatt vorhalten müssen, um die Versorgung bei Extremwetter sicherzustellen.“

Reserveleistung ist teuer,  verlässlicher Rahmen wichtig

Kalte Dunkelflauten sind sehr selten. Nur für wenige Stunden pro Jahr – und auch nicht in jedem Jahr – käme die Backup-Kraftwerke zum Einsatz, wenn der Strombedarf sehr hoch ist und gleichzeitig die Stromerzeugung aus Photovoltaik oder Windkraft sehr niedrig. Nach Meinung von Stycz brauche es deshalb ein entsprechendes Marktdesign und verlässliche Rahmenbedingungen. Nur so könnten wirtschaftliche Anreize für die Betreiber entstehen, solche Kapazitäten vorzuhalten.

Für ihre Studie haben die Aurora-Experten den Bedarf an flexibler Kraftwerksleistung in Jahren mit durchschnittlichem Wetter und solchen mit Extremwetterereignissen verglichen. Dabei zeigt sich, dass die zehn Gigawatt an zusätzlicher Backupkapazität in den meisten Jahren überhaupt nicht zum Einsatz kommen. Im Mittel sind es pro Jahr weniger als zehn Stunden. „Um in diesen kurzen Einsatzzeiten die Kosten zu erwirtschaften, braucht es Börsenstrompreise von 10.000 Euro und mehr pro Megawattstunde“, sagt Lukas Bunsen, Leiter der Forschungsabteilung Zentraleuropa bei Aurora. Die Ereignisse in Texas hätten gezeigt, dass solche Preise in solch seltenen Fällen durchaus erzielbar sind. Allerdings ist ihre Eintrittswahrscheinlichkeit kaum berechenbar, zumal schon kleine Änderungen in den Rahmenbedingungen oder im Marktdesign deutlichen Einfluss auf die Preissetzung haben können. Daraus entsteht laut Bunsen ein erhebliches Investitionsrisiko für Anlagenbetreiber. Die Studienautoren fordern deshalb politische Vorgaben, die langfristig einen verlässlichen Rahmen bieten.

Eine bereits seit längerem aus den Reihen der Erneuerbaren Energien kommende Lösung könnte die gezielte Förderung von Kombikraftwerken sein, bei denen die Ökostromerzeugung mit Energiespeicherung verbunden wird. Die Energy Watch Group hatte im letzten Jahr einen konkreten Gesetzentwurf dazu vorgeschlagen. pf


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Kommentare

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Andres 22.03.2021, 23:29:24

Hm, Nachfrage stabilisieren durch smarte Regelung der Nachfrage klingt interessant.

 

Ich habe vor kurzem ein - im Effekt ähnlich stabilisierend - Konzept gelesen, und mich würde dazu die Meinung der Teilnehmern und Experten hier sehr interessieren.

 

Mal angenommen, es stünde ein unglaublich großes Budget zur Verfügung, um bei den Erneuerbaren eine Überkapazität an Anlagen zu schaffen. Also mehr Anlagen bauen, als es Abnehmer für den produzierten Strom gibt. Klar das wäre ziemlich unwirtschaftlich. Es würde aber das angesprochene Problem der Unterversorgung in Extremsituationen gut lösen, da Anlagen die nur 10% normaler Leistung bringen, hier durch die Menge an Anlagen kompensiert wird.

Die Idee ist, den Strom vor Ort direkt zu verbrauchen, ähnlich wie das bei Umwandlungskonzepten ála Power-to-Gas oder Power-to-heat passiert, nur ökonomisch. Bei Wind und Sonne wird der Umwelt dabei nicht geschadet, da keine Resource umsonst verbrannt wird, wie das bei Öl und Gas der Fall wäre. P2Gas oder P2Heat sind aktuell noch nicht wirtschaftlich genug um den Aufbau der genannten Überkapazitäten wirksam zu finanzieren.

 

Hier kommt die Idee ins Spiel, wie sich die Stromüberkapazität vor Ort in ökonomischen Wert umwandeln liesse, so dass sie am Ende den Aufbau der Überkapazität wirksam finanzieren könnte:

Beim sogenannten Mining von Kryptowährungen wird Strom verbraucht, und in ökonomische Werte verwandelt. Ein entsprechender vor Ort platzierter Miningcontainer kann, wenn der ganze Strom für Industrie/Haushalt gebraucht wird, entsprechend gedrosselt, oder abgeschaltet werden, und produziert dabei wenig laufende Kosten. Dem Mining entstünde durch die Drosselung kein Schaden, irgendwo auf der Welt ist immer gerade viel Wind/Sonne. Im Gegensatz zum Strom kann das Mining quasi zu Nullkosten überallhin transferiert werden. Beide profitieren.

 

Seitdem ich davon gelesen habe hat mich die Idee nicht mehr losgelassen. Ein Backup wäre dabei nicht nötig, die Anlagen könnten durchlaufen.


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