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WeltraumforschungSonnenstrom aus dem Weltall

Blick auf die Erde aus dem Weltraum, im Vordergrund großflächige Solarmodule angeordnet
Visualisierung eines Solarkraftwerks im All (Grafik: ESA)

Eine kühne Idee aus dem letzten Jahrhundert wird von der europäischen Raumfahrtbehörde ESA mit neuem Elan verfolgt: Solarstrom im Weltall erzeugen und leitungsfrei auf die Erde übertragen. Eine Studie soll zunächst die Wirtschaftlichkeit untersuchen.

08.01.2022 – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – im Weltall scheint die Sonne immer, die Strahlungsintensität ist höher. Die Idee, im erdnahen Weltraum Sonnenstrom zu erzeugen ist naheliegend. Der bereits seit den Anfängen der Solartechnologie existierende Vorschlag wurde in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder aus der Schublade geholt, verschwand dort aber meist auch wieder.

Auf einer Tagung der europäischen Raumfahrtbehörde ESA Ende letzten Jahres wurde die Idee der Energie aus dem Weltraum erneut diskutiert. Die ESA will das Potenzial und die Machbarkeit von SBSP (Space based solar power) eingehend anhand des aktuellen Stands der Technik untersuchen und herausfinden, ob die Technologie eine realistische neue Quelle sauberer Energie für Europa und die Welt sein könnte. Die ESA sucht nun den Schulterschluss mit der Energiewirtschaft, ein kluger Schachzug, denn die notwendigen enormen Anstrengungen und Finanzmittel können nur von vielen Akteuren gemeinsam gestemmt werden.

Kosten-Nutzen-Verhältnis soll evaluiert werden

Bisher scheiterte die Idee vor allem an zwei Hürden. Zu groß waren und sind die Kosten, das Material für notwendige Kraftwerke in den Weltraum zu befördern. Hier hat die Raumfahrtindustrie in den letzten Jahren Fortschritte erzielt. Ob sie ausreichen, ein solches Projekt in die Nähe der Wirtschaftlichkeit zu bringen, bleibt offen. Mit einer Studie, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis näher untersucht, will die ESA bis Mitte 2022 auf diese Fragen detailliertere Antworten finden.

Wie der erzeugte Strom zur Erde gelangt, ist die zweite technologische Hürde. Weil die leitungsfreie Stromübertragung auch für viele Anwendungen auf der Erde interessant ist, forschen daran Wissenschaftler in der ganzen Welt. Sie haben inzwischen beeindruckende Ergebnisse vorzuweisen. Prinzipiell sind zwei Wege denkbar: die Übertragung per Mikrowelle oder mithilfe eines Laserstrahls.

Energieübertragung per Mikrowelle

Bei der Mikrowellen-Variante werden die Ladungsträger, die Elektronen, in Schwingung versetzt bis sie Mikrowellen bilden. Diese werden gebündelt von einer Antenne im Weltraum an eine Empfängerantenne auf der Erde gesendet und dort in elektrische Energie zurückverwandelt. Besonders Japan forscht an dieser Technologie und will in den nächsten Jahren einen Testsatelliten für diese Mission ins Weltall schicken. Ihr bisheriger Erfolg: zehn Kilowatt Energie über eine Strecke von 500 Metern. Die Anwendung im großen Maßstab würde ein ungleich stärkeres Signal erfordern, das zudem immer punktgenau auf der Erde empfangen werden muss. Andernfalls drohen Schäden für Lebewesen aller Art.

Energieübertragung per Laser

Die Übertragung per Laser funktioniert ähnlich: die erzeugte elektrische Energie wird jedoch in elektromagnetische Wellen (Licht) umgewandelt und per Laserstrahl auf eine Photozelle auf der Erde übertragen und in elektrische Energie zurückgewandelt. Die Übertragung per Laser ist genauer, der Durchmesser des Strahls kleiner. Allerdings könnten Wolken die Übertragung stören, was bei der Mikrowellen-Variante nicht der Fall ist. 2019 demonstrierten Forscher die Übertragung per Laser von 400 Watt über 325 Meter. (Link zu Youtube)

Verlockende Zukunftsmusik versus handfeste verfügbare Alternativen

Die Idee der Energie aus dem All bleibt verlockend, ist jedoch immer noch ferne Zukunftsmusik. Für die aktuellen Herausforderung bei der Bekämpfung des Klimawandels sollte die Menschheit nicht zu viele Hoffnungen in diesen Weg setzen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Technologien, die erst in ferner Zukunft einsatzbereit sind, binden Ressourcen und bergen vielleicht uneinlösbare Versprechen. Die Flächen, die auf der Erde für die Energiegewinnung mit Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen, reichen allemal. Sie zu erschließen ist ein weitaus realistischerer Weg. Allein das Potenzial der weltweit existierenden Dachflächen zur Solarstromerzeugung würde ausreichen, den gegenwärtigen Strombedarf der Welt zu decken.

From Space to Earth

Doch aus der Raumfahrtforschung kamen bereits einige Impulse, die sich in Alltagstechnologien auf der Erde bewährt haben. Nicht zuletzt verdankt die Solarindustrie der Weltraumforschung ihren Durchbruch.

Die ersten Solarzellen amerikanischer Wissenschaftler, die mehr als vier Prozent Wirkungsgrad hatten, galten 1954 als Sensation. Für die Raumfahrt waren diese Zellen ein Meilenstein. Endlich war es möglich, Satelliten auf der Erdumlaufbahn dauerhaft mit Energie zu versorgen. 1958 wurde der kugelförmige Satellit Vanguard I ins Weltall geschickt und umkreiste unseren Planeten. Der nicht mal fußballgroße Winzling schickte sieben Jahre lang Signale an die Erde. Den Strom lieferten 108 Solarzellen. Seitdem hat die Solartechnologie eine atemberaubende Entwicklung erlebt. Vanguard umkreist übrigens immer noch in einer stabilen Umlaufbahn unsere Erde, nur Signale sendet er nicht mehr. pf


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Kommentare

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Achmed Khammas 09.01.2022, 23:04:00

Es ist erfreulich, daß diese Technologie weiterverfolgt wird - auch wenn sie von vielen als 'utopisch' angesehen wird. Immerhin wird schon lange daran gearbeitet: https://www.buch-der-synergie.de/c_neu_html/c_04_19_sonne_pv_weitere_einsatzformen.htm#Satellitenkraftwerke

Reichensperger Anton 15.02.2022, 20:37:50

Uralte Idee aus den 1950er Jahren,

aus nachrichtentechnischer Sicht nicht realisierbar!

Stichworte: Antennengewinn der Sendeantenne, Freiraumdämpfung, Energiedichte am Empangsort, Ausrichgrenauigkeit der Sendeantenne.

Schade ums Geld!

Reinhard Röder 12.12.2022, 14:28:53

Mir ist nicht ganz klar, wie die raumfahtgestützte Solarenergiegewinnung kostengünstiger sein kann, als die gewünschte Energie aus der Sonne terrestrisch zu erzeugen. Ein erdnaher Satellit kann durchschnittlich 1370 Wh/m² Sonnenenergie nutzen. Ein bodengebundenes System kommt auf etwa 850-900 Wh/m. Unter der Annahme einer 24-Stunden-Sonnenerfassung durch den Satelliten, während nur 7 Stunden pro Tag die durchschnittliche Sonnenverfügbarkeit auf der Erde beträgt, ergibt sich ein Vorteilsfaktor für das satellitensystem von 1370W*24h / (850W * 7h) = 5,53.

Meine vereinfachte, aber wohl nicht unschlüssige Rechnung zeigt, dass (ohne Berücksichtigung von Verlusten bei der Energieübertragung) das zur Energiegewinnung nutzbare Satellitensystem dann nur etwa 5,5mal teurer sein dürfte als das erdgebundene System, um bei vergleichbarer Lebensdauer profitabel sein. Ist das wirklich machbar, oder gibt es neben der Kosten-Nutzen-Effizienzrechnung noch andere gute Argumente für das Satellitensystem?

Detlev N. 09.06.2023, 13:03:15

+12 Gut

Auf einer geostationären Umlaufbahn gibt es natürlich auch Tag und Nacht.

Für eine dauerhafte Sichtverbindung zu den 3 möglichen Librationspunkten müsste man nur die Erdrotation abschalten.

AHS Schüler 09.05.2023, 13:07:01

Der Artikel war sehr hilfreich im Physikunterricht.


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