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Serie PV-Recycling Teil2Wachsendes Altmodulaufkommen in Europa

Zwei Monteure in einem Solarpark
Die Modernisierung von Solarparks lohnt sich immer öfter. Alte Module werden durch neue leistungsstärkere ersetzt. Dass ist ein Grund dafür, dass Altmodulmengen schwer zu schätzen sind.  (Foto: BayWa r.e. AG)

Ausgediente Solarmodule werden künftig in großen Mengen anfallen. Belastbare Aussagen zu Altmodulmengen in Europa und damit zum Wachstum des Recycling-Marktes sind allerdings schwer zu treffen. Das bremst den Rollout der Recyclingwirtschaft.

07.02.2023 – Im Gegensatz zur Solarmodulproduktion ist das Recycling der Module sehr wahrscheinlich ein eher regionales Geschäft. Denn defekte Module noch einmal um die halbe Welt zu schicken, um sie in ihre Bestandteile zu zerlegen, erscheint aus heutiger Sicht wenig sinnvoll bzw. kaum wirtschaftlich. Ein Blick auf die europäischen Mengenströme und die angelegten Strukturen zu ihrer Bewältigung ist lohnenswert, obwohl die Altmodulmengen nur grob geschätzt werden können.

In Europa ist die WEEE-Richtline 2012/19 das regulatorische Grundgerüst für das Modulrecycling. Die Abkürzung WEEE steht für Waste of Electrical and Electronic Equipment – Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall. Auch Photovoltaikmodule fallen unter diese Richtlinie. Mittlerweile haben alle Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. In Deutschland finden sich die Vorgaben der Richtlinie zum Inverkehrbringen und die Rücknahme im Elektro- und Elektronikgerätegesetz wieder.

Die Richtlinie verpflichtet alle Hersteller von PV-Modulen beim Inverkehrbringen ihrer Produkte in den europäischen Markt entweder ein eigenes Rücknahme- und Recyclingsystem zu betreiben oder sich einem bestehenden Herstellerverbund anzuschließen. PV Cycle startete 2013 das erste gesamteuropäische Konzept eines Herstellerverbundes, mit derzeit über 300 Mitgliedern. Aber auch Entsorgungsdienstleister wie Take-e-way sind im Markt aktiv. Der Dünnschichtmodulproduzent First Solar ist ein Hersteller, der sein eigenes Rücknahme- und Recyclingverfahren etabliert hat. Betreiber von Kleinanlagen dürfen ihre Altmodule kostenlos an kommunalen Abfallsammelstellen abgeben.

Seit 2016 müssten die Hersteller die Kosten für die Sammellogistik tragen, indem sie beim Inverkehrbringen der PV-Module Zahlungen an die Stiftung EAR leisten. Dem europäischen System und seinen Akteuren ist ein eigener Teil dieser Serie gewidmet, denn so einfach wie hier beschrieben, ist die Wirklichkeit nicht.

Deutschland eines der Länder mit dem größten PV-Abfallaufkommen

Der Report der IEA greift auf Zahlen der IRENA von 2016 zurück und prognostiziert für Deutschland eine kumulierte Menge von 400.000 bis einer Million Tonnen Altmodule in 2030, bis 2050 könnten es 4,3 Millionen Tonnen sein. Damit wäre Deutschland auf Platz 5 der Länder mit dem größten PV-Abfallaufkommen. Davor liegen in aufsteigender Reihenfolge Indien, Japan, Amerika und mit sehr großem Abstand China. Dort wird das Aufkommen auf 13,5 Millionen Tonnen Altmodule geschätzt.

Laut Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur wurden in Deutschland im letzten Jahr 2.179 Solaranlagen mit 12,1 Megawatt Leistung stillgelegt. Legt man für eine Überschlagsrechnung eine Leistung von 250 Watt und ein Gewicht von 20 Kilogramm je Modul zugrunde, ergibt das eine Menge von 968 Tonnen. Geht man von einem höheren Anteil von leichteren und weniger leistungsstarken Dünnschichtmodulen aus und rechnet mit 100 Watt und 15 Kilogramm je Modul, erreicht man schon die doppelte Menge Altmodule von 1.815 Tonnen. Hinzu kommen die Mengen aus Anlagen, die nicht stillgelegt, sondern nur ertüchtigt wurden – eine Rechnung mit vielen Unbekannten.

Schätzungen der zu erwarteten Modulmengen im Recycling können je nach den zugrundeliegenden Annahmen stark variieren, darauf macht auch Daniel Horn vom Fraunhofer IWKS aufmerksam. „Beim Blick auf die kürzere Sicht – beispielsweise Prognosen für 2030 – scheiden sich die Geister“, wie es Horn formuliert. Als eine Ursache für teilweise weit auseinander liegende Prognosen nennt er unter anderem den Faktor Reuse, den verschiedene Akteure unterschiedlich ansetzen.

Damit ist die Menge der Module gemeint, die zwar abmontiert werden, aber in einer anderen Anwendung wiederverwendet und nicht recycelt werden. Die noch vor Jahren verbreitete Annahme, dass Module am Vergütungsende nach rund 20 Jahren abgebaut und recycelt werden, ist inzwischen durch die Realität widerlegt. Vielmehr entscheidet die Wirtschaftlichkeit: lohnt es, auf einer Fläche noch funktionsfähige aber erst zehn Jahre alte Module abzubauen und dafür neue Module mit sehr viel höheren Wirkungsgraden zu installieren, wird das mitunter schon gemacht. Im Kleinanlagensegment ist das umgekehrte Phänomen zu beobachten: die Anlagen laufen nicht selten sehr viel länger als 20 Jahre. Die Entscheidungen der einzelnen Akteure vorherzusagen ist logischerweise mit Unsicherheit verbunden.

Modernisierung von PV-Anlagen ist in vollem Gange

Tomaso Charlemont zögert ebenfalls, anfallende Mengen von Altmodulen zu prognostizieren. Er verantwortet bei BayWa r.e. – einem weltweit tätigen Entwickler und Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen – das Geschäftsfeld Revamping und Repowering von Solarkraftwerken in Europa. Während Revamping eine älter werdende Solaranlage durch den Austausch leistungsschwacher Komponenten wieder auf ihre ursprüngliche Kapazität zurückführt, geht Repowering noch einen Schritt weiter und erhöht die Leistung der ursprünglichen Anlage. Dank neuerer, leistungsstarker PV-Module kann auf der vorhandenen Fläche mehr Ertrag erwirtschaftet werden.

„Das Thema Modernisierung hat die Branche etwas früher eingeholt als erwartet. Die Effizienz der Module ist in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen. Daneben existieren Solarparks, in denen Module der frühen Generation nach zehn Jahren mitunter Laminatschäden aufweisen. Hier zeigt die Erfahrung, dass dann innerhalb bestimmter Zeiträume bei den meisten solcher Module einer Anlage ähnliche Schäden zu erwarten sind“, erzählt Charlemont Für die Betreiber ist es ab einem gewissen Punkt wirtschaftlicher, alle Module abzubauen, zumal oft der Hersteller aufgrund der Produktgarantien zum Austausch verpflichtet ist.

Oftmals ist aber auch der Tausch der Wechselrichter der ausschlaggebende Impuls für den Modulaustausch. Wenn die Rahmenbedingungen und Genehmigungen für ein Revamping und/oder Repowering vorhanden sind, sehen immer mehr Anlagenbesitzer die Vorteile einer Modernisierung von bestehenden Anlagen.

Recycling oder Gebrauchtmarkt – das große Fragezeichen

Für die Entsorgung ausgebauter Module gibt es zwei mögliche Wege: das Recycling für defekte bzw. beschädigte Module oder der Wiederverkauf noch gebrauchsfähiger Module auf dem Gebrauchtmarkt. Wie viele ausgebaute Module im Recycling oder Gebrauchtmarkt landen, ist je nach Projekt verschieden.

All das sind Gründe, weshalb die einfache Hochrechnung von installierten Mengen nicht unbedingt treffsicher ist, wenn es um Recyclingmengen geht. Allein in diesem Jahr wird BayWa r.e. zweimal mehr Anlagen modernisieren als in den drei Jahren zuvor. Das zeigt, wieviel Dynamik in dem Thema steckt. 

Tomaso Charlemont erklärt die enormen Spreizungen in den erwarteten Altmodulmengen anhand von Schätzungen der Marktanalysenfirma Wood McKenzie: Relativ sichere Zahlen gibt es über die installierten Solaranlagen, bei denen im Jahr 2026 die Wechselrichter ausgetauscht werden müssen (rund 4,4 Gigawatt in Europa), denn die Lebensdauer von Wechselrichtern ist nur in etwa halb so lang wie die der Solarmodule. Ebenfalls einigermaßen gesicherte Zahlen existieren zu den Anlagenvolumen, die ihr voraussichtliches Lebensende nach 20 Jahren erreichen (rund 1,9 Gigawatt im Jahr 2026). Zusammen machen diese Mengen im Jahr 2026 knapp eine halbe Million Tonnen Altmodule (480.000 Tonnen) aus, 2030 bereits 1,8 Millionen Tonnen.

Doch dann kommt die große Unbekannte – die Anlagen, die 2026 älter als zehn Jahre sind (rund 109 Gigawatt in Europa) und deshalb Kandidaten für ein Revamping. So werden rechnerisch aus 480.000 Tonnen potenziell 8,5 Millionen Tonnen Altmodule. Ende des Jahrzehnts könnten es 20 Millionen Tonnen sein. Ob davon 10, 20, 50 oder 100 Prozent tatsächlich abgebaut werden und welcher Anteil davon ins Recycling geht, weiß heute niemand. Ein Ende dieser Unsicherheit ist nicht in Sicht, wie Charlemont betont: „Schon heute weiß man, dass ungefähr in zehn Jahren Module mit über 30 Prozent, eventuell sogar bis 40 Prozent Wirkungsgrad verfügbar sein werden. Deshalb könnte sich für heute verbaute leistungsstarke Module in zehn Jahren ebenfalls ein Austausch lohnen.“

Das Recycling ist für diese Mengen ein möglicher, wichtiger Weg. Viele der Module haben jedoch noch akzeptable Leistungswerte, deshalb sollte für sie eine attraktive Zweitverwendung innerhalb Europas gefunden werden. Ein funktionierender Gebrauchtmarkt mit hohen Qualitätsstandards ist dafür notwendig. Die gute Nachricht: Das IEC in Genf arbeitet an einer Direktive, die den Wiederverkauf strukturiert.

Die schwer quantifizierbaren Mengenströme sind für den Aufbau einer Recyclingwirtschaft hinderlich. Große Investitionen macht nur, wer einigermaßen belastbare Umsatzprognosen hat. Zu warten, bis die Altmodulberge wachsen, scheint ebenfalls keine elegante Lösung. Petra Franke

Die Serie zum PV-Recycling im Überblick

Teil 1: Globale PV-Recycling-Märkte

Teil2: PV-Recycling-Markt in Europa

Teil3: Nachhaltigkeit beginnt in der Herstellung

Teil4: Recycling-Technologien und Forschung

Teil5: Flaxres – Blick auf ein spezielles Verfahren zum Modulrecycling

Teil6: Sammelsystem und rechtliche Rahmenbedingungen in Europa

Teil7: Exkurs zum Gebrauchtmarkt


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