Solaranlagen auf MehrfamilienhäusernBeachtliche Zuwächse, aber noch immer in der Nischenrolle

Dach eines Hauses mit Menschen und Solaranlagen
Mieterstrom in der Berliner Haasestraße (Bild: naturstromAG)

In einem boomenden Photovoltaikmarkt ist auch der Zubau von Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern deutlich gestiegen. Doch weiterhin ist das riesige Potenzial nicht im Ansatz erfasst. Konkrete Verbesserungen nach der Bundestagswahl werden angemahnt.

14.01.2025 – Mehr als eine Millionen Solaranlagen wurden jeweils 2023 und 2024 neu in Deutschland verbaut. Die Entwicklung auf dem Photovoltaikmarkt sorgte dafür, dass zum Jahreswechsel 2025 der Meilenstein von 100 Gigawatt installierter Solarstromleistung erreicht wurde. Das vom Bund ausgerufene Ziel von 215 GW installierter Photovoltaik-Leistung bis 2030 erscheint realistisch – insbesondere bei Betrachtung des weiteren Potenzials.

Freiflächen Solaranlagen hätten allein an Seitenrandstreifen, über Parkplätzen, sowie auf Industrie- und Gewerbeflächen – und damit ohne Flächennutzungskonkurrenz – ein Potenzial von zusätzlich 287 Gigawatt installierter Leistung, wie das Ökoinstitut im letzten Jahr errechnet hat. Knapp 5.000 GW würden darüber hinaus zur Verfügung stehen, wenn technische Potenziale ausgeschöpft würden, die Synergien herstellen mit Moorflächen, Gewässern und landwirtschaftlichen Flächen.

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Das gigantische Potenzial von Freiflächen-PV

Schon ohne landwirtschaftliche Flächen übersteigt das Potenzial an Solaranlagen auf Freiflächen die Ziele der Bundesregierung, zeigt eine neue Studie. Einschließlich Ackerflächen sind die Möglichkeiten noch gewaltiger.

Ohne Flächennutzungskonkurrenz agieren auch bereits bestehende Gebäude. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat im Sommer vergangenen Jahres errechnet, dass von den insgesamt 19 Millionen Mieterhaushalten in Mehrfamilienhäusern in Deutschland, bis zu 14,3 Millionen in 1,9 Millionen Gebäuden vom sogenannten Mieterstrom profitieren könnten. Das IW prognostiziert das Potenzial auf 43 Terawattstunden (TWh). Zum Vergleich: die gesamte PV-Stromerzeugung im Jahr 2023 betrug 61 TWh.

Bei Mieterstrom handelt es sich um Strom, der in unmittelbarer Umgebung (zumeist per Solaranlage auf Hausdächern) von Mieter:innen produziert wird und diesen direkt per vergünstigter Energieversorgung zugute kommt. Seit vielen Jahren im Einsatz für Mieterstrom ist der Ökoenergieversorger naturstrom. Der hat Bilanz zum Zubau von Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern insgesamt gezogen (Mieterstrom und weitere Modelle). Und sieht, auf Grundlage des Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, ein deutliches Wachstum in dem Segment in den vergangenen beiden Jahren.

Demnach wurden im Jahr 2024 rund 1.970 Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern installiert. Zusammen kommen diese Anlagen auf eine Leistung von 133 Megawatt (MW). Im Jahr zuvor waren es ca. 1.700 Anlagen mit 108 MW. In den ebenfalls untersuchten Jahren 2020 bis 2022 lag der jährliche Zubau im Rahmen von ca. 700 bis 830 Anlagen jährlich und fiel somit deutlich geringer aus. Auch die installierte Leistung lag mit knapp 39 bis 46 MW pro Jahr entsprechend niedriger. Der deutliche Zuwachs ist unter anderem auf den Wegfall der EEG-Vergütung 2023, sowie die Befreiung von der Umsatzsteuer auf Montage und Material der Solarpaneele und keine Einkommensteuer auf die Erträge aus der Einspeisevergütung zurückzuführen. 2024 kam mit dem sogenannten Solarpaket 1 der Wegfall weiterer bürokratischer Hürden.

„Die Solarstromnutzung in Mehrfamilienhäusern hat, wie der gesamte Photovoltaikmarkt, durch die EEG-Novelle 2023 und weitere Verbesserungen einen massiven Aufschwung erlebt“, konstatiert Dr. Kirsten Nölke, Vorständin der naturstrom AG. Trotz der beachtlichen Zuwächse sei das enorme Potenzial aber noch nicht im Ansatz erschlossen, so Nölke. „Damit der PV-Zubau in diesem Segment weiteren Schwung aufnimmt, so dass auch Menschen im Geschosswohnungsbau vermehrt von der Energiewende profitieren, sind weitere Verbesserungen nötig.“ Die von der Solarbranche und Unterstützer:innen gestellten Aufgaben für eine neue Bundesregierung sind groß. Der WWF etwa fordert eine bundesweite Solarpflicht und hat dazu einen Gesetzesvorschlag vorgelegt.

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Forderung nach bundesweiter Solarpflicht

Was in einigen Bundesländern schon gilt, fordert der WWF nun bundesweit, nur noch besser ausgestaltet: einen Solarstandard zum systematischen Ausbau von Solaranlagen auf Gebäuden. Dabei müssen ohnehin EU-Vorgaben umgesetzt werden.

Um speziell Belieferungsmodelle in Mehrfamilienhäusern weiter zu stärken, fordert naturstrom konkret die Standardisierung von Messkonzepten. „Angesichts von knapp 900 Verteilnetzbetreibern in Deutschland kämpfen wir mit viel zu vielen Einzelfallklärungen. Politik und Bundesnetzagentur müssen die Vereinheitlichung der Messkonzepte forcieren“, sagt Sarah Debor, Leiterin des Geschäftsfelds Urbanes Wohnen bei der naturstrom AG.

Zudem mahnt Debor eine rechtssichere Ausgestaltung des Begriffs der Kundenanlage an – also des „Hausnetzes“, in dessen Grenzen Bewohner:innen mit Solarstrom direkt vom Dach versorgt werden können. Nach einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) von Ende November wird der Gesetzgeber die bisherige Regelung voraussichtlich nachschärfen muss.

Das EuGH monierte die fehlenden Netzentgelte, die den Strom für die Kundenanlagen nicht zugeschlagen werden, da diese nicht die Verteilnetze passieren. Diese Ausnahme sei nicht mit EU-Recht vereinbar. So müssten Kundenanlagen künftig nicht nur Netzentgelte zahlen, sondern auch alle bürokratischen Hürden und Pflichten durchlaufen. Für Mieterstromprojekte und andere gemeinschaftliche Versorgungsmodelle ist das nicht zu stemmen. Eine klarere rechtliche Abgrenzung seitens einer neuen Bundesregierung scheint nötig. mg

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