SolarPower Europe: Chancen für Nachhaltigkeit in der solaren Wertschöpfungskette

Wie vielschichtig die Dimensionen der Nachhaltigkeit in der solaren Wertschöpfungskette sind, wie die Branche Nachhaltigkeit verstärkt angehen kann und wo noch Herausforderungen liegen – das zeigt SolarPower Europe in einem neuen Bericht.
11.04.2025 – Mit dem Bericht „Sustainable Solar - Environmental, Social and Governance actions along the value chain“ hat der europäische Branchenverband eine nützliche Handlungshilfe vorgelegt. Darin wird deutlich, was der oft unscharf verwendete Begriff der Nachhaltigkeit konkret und umfassend für Solarunternehmen bedeutet und was sie tun können, um ihre eigene Nachhaltigkeit zu sichern.
EU-Solarsektor als Vorreiter positionieren
Bezugspunkte sind die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, die unter dem Begriff ESG (Environmental, Social and Governance) zusammengefasst werden. Zunehmend spielen ESG-Kriterien auch für das finanzielle Risikomanagement, die Kundenerwartungen und die Unternehmensreputation eine Rolle. Zum Teil sind sie auch gesetzlich verankert, etwa in der EU-Taxonomie, der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSDR) oder nationalen Lieferkettengesetzen.
Das 62-köpfige Autorenteam von SolarPower Europe bricht die Nachhaltigkeitsanforderungen auf die solare Wertschöpfungskette herunter, von der Lieferkette über die Nutzungsphase bis hin zur „End-of-Life“-Phase.
Ziel ist es, „das Wissen über die Nachhaltigkeit der Solarenergie zu erweitern und zu verbreiten und dazu beizutragen, den EU-Solarsektor als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu positionieren, um die ESG-Ziele zu erreichen“, so Raffaele Rossi, Head of Market Intelligence bei SolarPower Europe.
Nachhaltigkeit in der Lieferkette
Einhaltung der Menschenrechte – verantwortungsvolle Beschaffung
Soziale Belange, insbesondere die Einhaltung der Menschenrechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, sind ein wichtiger Bestandteil einer verantwortungsvollen Beschaffung von Materialien und Komponenten im Sinne der ESG-Kriterien. In komplexen Lieferketten mit hunderten von Zulieferern wie in der Photovoltaik ist dies jedoch eine anspruchsvolle Aufgabe. Daher empfehlen die Autoren den Unternehmen, sich entsprechenden Initiativen anzuschließen, wie der Solar Stewardship Initiative (SSI), die einen neuen Standard zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette und ein Zertifizierungssystem entwickelt hat. Sie zielt vor allem darauf ab, das Problem der Zwangsarbeit in der Polysilizium-Lieferkette anzugehen.
Solarunternehmen sollten auch in ihren eigenen Betrieben für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen. Dies gilt insbesondere für EPCs, die häufig auf entsandte Arbeitskräfte für Bau- und Installationsarbeiten an den Projektstandorten angewiesen sind. Neben der Einhaltung nationaler und europäischer Gesetze (EU-Entsenderichtlinie) sind hier u.a. transparente Beschäftigungspraktiken und Audits wichtig. Weitere Aspekte sind die Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung der Vielfalt in der Belegschaft.
CO2-Fußabdruck
Zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Produkten gibt es eine Reihe von Verfahren mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen. Zu den wichtigsten Unterschieden gehört die Wahl der funktionalen Einheit - ob der Carbon Footprint pro Modulleistung (kg CO2 pro kWp) oder pro von den Modulen erzeugtem Strom (Gramm CO2 pro kWh) gemessen wird. Weitere Unterschiede beziehen sich auf das bewertete Produkt, z.B. Komponenten, Wechselrichter oder Systeme.
Eine gängige Methode ist der Product Environmental Footprint (PEF) der EU, der auch in der Gesetzgebung verankert ist. Unternehmen, die Solarzellen herstellen, können ihre Treibhausgasemissionen ausweisen, indem sie ihr Produkt mit einer Umweltproduktdeklaration (EPD) zertifizieren. Das Electronic Product Environmental Assessment Tool (EPEAT) des Global Electronics Council wird für PV-Solarmodule und Wechselrichter vergeben, die eine Reihe von Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.
Ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ist die Langlebigkeit der Produkte. Denn diese ermöglicht eine längere Produktlebensdauer, was zu geringeren Emissionen pro Kilowattstunde (kWh) erzeugtem Solarstrom führt.
Kreislaufdesign
Die Ressourceneffizienz kann auf zwei Wegen verbessert werden. Zum einen durch die Reduzierung des Materialeinsatzes in einem Produkt. Dadurch sinken auch die Materialkosten, zum Beispiel durch die Reduzierung des teuren Silberanteils in Solarzellen. Der zweite Ansatz konzentriert sich auf die Auswahl von Materialien, die leicht zu recyceln sind und eine mehrfache Wiederverwendung ermöglichen.
Die Verlängerung der Lebensdauer von PV-Produkten trägt nicht nur zur Materialeinsparung, sondern auch zur Abfallvermeidung bei.
Auch die Reparaturfähigkeit sollte bei der Produktgestaltung berücksichtigt werden, da eine einfache Demontage ein entscheidender Faktor für die Kosteneffizienz von Reparaturen ist. Außerdem müssen Ersatzkomponenten lange genug verfügbar sein.
Recycling kann eine wichtige Rohstoffquelle darstellen, insbesondere in Europa, wo die Gewinnung verschiedener Materialien für PV-Module und Wechselrichter begrenzt ist. Die Verwendung von Recyclingmaterial bei der Herstellung kann auch die Kosten senken. Ein kritischer Punkt bei der Verwendung von Recyclingmaterial ist jedoch die Reinheit des Materials.
Nachhaltigkeit in der Nutzungsphase: Gemeinschaftliches Engagement
Die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in einer frühen Phase der Projektplanung ist vorteilhaft, da sie Transparenz und Vertrauen schafft und lokale Erfahrungen nutzt. Auch in späteren Planungsphasen können lokale Bürger einbezogen werden.
Eine gute Möglichkeit, Bürger in Solarprojekte einzubinden, ist die direkte und indirekte finanzielle Beteiligung. So kann den Anwohnern der Solarstrom aus der Anlage zu einem vergünstigten Tarif angeboten werden. Über Crowdfunding können sich Bürger und Gemeinden finanziell beteiligen. Eine weitere Möglichkeit bieten Energiegemeinschaften und Energy-Sharing.
Landnutzung
Photovoltaik kann zur Regenerierung von künstlichen Flächen eingesetzt werden, die ihre ursprüngliche Nutzung verloren haben oder degradiert sind, wie z.B. ehemalige Bergwerke oder Mülldeponien. Häufig unterstützen Regierungen die Nutzung dieser Flächen für PV-Projekte, um die höheren Investitionskosten (z.B. für die Dekontaminierung) auszugleichen.
In ariden Gebieten können Solarparks neben der sauberen Energieerzeugung mit weiteren Umweltvorteilen punkten. So wird die Verdunstung durch die Beschattung unterhalb der Modulflächen verringert und die Artenvielfalt kann erhöht werden.
Kombiniert mit landwirtschaftlicher Nutzung auf der gleichen Fläche können Agri-PV-Anlagen die Bodenfruchtbarkeit um bis zu 70 Prozent steigern und Nutzpflanzen und Vieh vor übermäßiger Sonneneinstrahlung oder Hagel schützen.
Schwimmende PV-Anlagen auf Gewässern bieten eine weitere Möglichkeit für die nachhaltige Nutzung knapper Landflächen. Da sie die Wasserverdunstung um bis zu 47 Prozent reduzieren und das Algenwachstum minimieren können, tragen sie auch zum Gewässerschutz bei.
Biodiversität
Naturnahe Solarparks können dazu beitragen, die Biodiversität zu fördern und geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass naturverträglich gestaltete Solarkraftwerke die Artenvielfalt um bis zu 281 Prozent erhöhen können.
Wichtige Maßnahmen sind dabei die Schaffung von Schutzkorridoren für Wildtiere, die Wiederbepflanzung des Geländes mit einheimischen Arten, eine extensive Bewirtschaftung, die Schulung der Betreiber sowie ein Monitoring.
End-of-Life-Phase – Erneuerung und Repowering
Hier besteht ein Konflikt zwischen möglichst langer Nutzung und Leistungssteigerung. Vor allem bei größeren Anlagen werden häufig ältere PV-Module und Wechselrichter vor Ablauf ihrer technischen Lebensdauer durch neuere, effizientere ersetzt.
Eine Möglichkeit, hier einen Kompromiss zu finden, ist, nur einen Teil der PV-Anlage zu ersetzen. Aus Nachhaltigkeitsgründen sollte beim Repowering nach Möglichkeit auch das vorhandene Montagesystem weiterverwendet werden bzw. geprüft werden, ob dies mit den neuen Modulen möglich ist. Gegebenenfalls können die Unterkonstruktionen auch proaktiv angepasst werden, z.B. durch Neupositionierung oder Hinzufügen von Pfetten. Auch beim Repowering von Wechselrichtern sollte geprüft werden, ob ein Teilaustausch möglich ist.
Wiederverwendung und Reparatur
Die Wiederverwendung bzw. Reparatur funktionsfähiger PV-Module oder Wechselrichter vermeidet nicht nur Abfall und Umweltbelastungen, sondern kann zumindest mittelfristig auch wirtschaftliche Vorteile erschließen. Wichtig sind dabei u.a. Funktionstests für PV-Module, die technisch machbar, kosteneffizient und auf den Gebrauchtmarkt abgestimmt sind.
Eine weitere Herausforderung für die Reparatur von PV-Modulen besteht laut Bericht darin, dass es derzeit noch keine standardisierten Protokolle für die Rezertifizierung gibt, was Garantieansprüche unsicher macht. Hinzu kämen logistische Herausforderungen - dies gelte insbesondere für die Vor-Ort-Reparatur von Wechselrichtern. Insgesamt fehle es derzeit noch an kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodellen für Solarmodule und Wechselrichter sowie für Montagesysteme, konstatiert SolarPower Europe.
Abfallwirtschaft und Recycling
Erst ab den 2040er Jahren werden in Europa PV-Abfallströme in größerem Umfang anfallen, wenn viele der heute in Betrieb befindlichen PV-Anlagen das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Insbesondere im Hinblick auf die Rückgewinnung wertvoller Materialien und die Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen sieht der Bericht ein großes Potenzial für die Entwicklung ökonomisch und ökologisch tragfähiger Geschäftsmodelle mit neuen Recyclingtechnologien.
Als vielversprechende Ansätze werden zum einen die Rückgewinnung von hochreinem Floatglas aus ausgedienten Solarmodulen mittels fortschrittlicher thermomechanischer Verfahren genannt. Zum anderen neue Delaminierungs- und Trenntechnologien, um das mehrlagige Sandwich von Modulen zu trennen und die Solarzellen von Glas und organischen Materialien zu isolieren, um Rohstoffe wie metallisches Silizium, Silber, Kupfer und Gallium aus Solarmodulen zurückzugewinnen. Hans-Christoph Neidlein
Zum Weiterlesen, Download Report:
https://www.solarpowereurope.org/insights/thematic-reports/sustainable-solar-environmental-social-and-governance-actions-along-the-value-chain