Europas EnergiewendeMittel- und Osteuropa zunehmend in der solaren Gigawatt-Klasse

Viele Einzelnstehende Solarpanels auf grüner Wiese
Der Ausbau von Solarenergie nimmt in Europa weiter an Fahrt auf. (Foto: Unsplash+ in Zusammenarbeit mit Getty Images)

In Mittel- und Osteuropa nimmt die Photovoltaik Fahrt auf. An der Spitze steht Polen, doch auch andere Märkte wie Bulgarien, Rumänien und Tschechien entwickeln sich dynamisch. Eine Herausforderung sind die Modernisierung und der Ausbau der Netze.

25.07.2024 – Im letzten Jahr 2023 wurden in Polen neue PV-Anlagen mit einer Leistung von 4,6 Gigawatt (GW) neu errichtet, die installierte Leistung stieg damit auf über 15 GW. Allerdings legte der Markt gegenüber dem Vorjahr mit 100 Megawatt (MW) nur leicht zu (Änderung Förderregime Privathaushalte, fallende Strompreise) und verschob sich zunehmend auf größere Dachanlagen und Solarparks. Insgesamt wird ein weiter stabiles Wachstum der Photovoltaik in Polen erwartet.

Der zweitstärkste Solarmarkt in Mittel- und Osteuropa war im vergangenen Jahr Ungarn. Der PV-Zubau legte um 1,6 GW zu (plus 45%, 2022, 1,1GW), die installierte Leistung kletterte auf 5,6 GW. Herausforderungen für das weitere Wachstum sind die Netzkapazitäten sowie die Ausgestaltung der Anreizprogramme für PV-Speichersysteme für Privathaushalte unter dem neuen „Groß-Metering“ Förderregime.

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In Bulgarien erste Ausschreibungen für PV-Speicher

Um das Dreifache legte der Solarmarkt in Bulgarien in den vergangenen drei Jahren zu. Die installierte PV-Leistung stieg von gut 1 GW Anfang 2021 auf beinahe 3 GW Ende vergangenen Jahres. In 2023 betrug der PV-Zubau rund 1 GW. Im Sommer 2023 lag der Anteil der Photovoltaik am Strommix teilweise über 40 Prozent, wenn auch nur für wenige Stunden. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Sonnenscheindauer zwischen 2.000 und 2.600 Stunden in verschiedenen Regionen bietet das Land ein hohes solares Einstrahlungspotential.

Der bulgarische PV-Markt ist stark durch Großanlagen geprägt. Aufgrund der hohen Energiepreise wurden im vergangenen Jahr die ersten größeren Corporate PPAs (Purchase-Power-Agreements) abgeschlossen. Anfang dieses Jahres wurde die erste kombinierten Ausschreibungsrunde für erneuerbare Erzeugungsanlagen (1,995 GW) mit kombinierten Energiespeichern (350 MW/700 MWh) in Bulgarien gestartet. Denn das weiter erwartete dynamische Wachstum des bulgarischen PV-Marktes hängt neben Fortschritten beim Netzausbau auch stark von verstärkten Investitionen in Energiespeichertechnologien ab.

Wachstum von 300 Prozent in Rumänien

Vom Volumen her ungefähr gleichauf mit Bulgarien ist der Photovoltaikmarkt in Rumänien. Dort waren Ende vergangenen Jahres rund 2,9 GW Solarstromleistung installiert. Der PV-Zubau legte in 2023 ebenfalls um rund 1 GW zu, ein Plus von über 300 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hauptmotor des starken Wachstums sind Privathaushalte und Gewerbebetriebe, doch auch größere Anlagen wachsen stark. So wurde Ende Oktober 2023 der mit 155 MW bisher größte Solarpark des Landes in Ratesi eingeweiht, der prognostizierte Stromertrag liegt bei jährlich rund 220 Gigawattstunden (GWh). Denn auch Rumänien punktet mit 1.900 bis 2.400 jährlichen Sonnenscheinstunden.

Rückendeckung kommt auch von der Politik. So kündigte die rumänische Regierung eine Erhöhung der Zielmarke im Rahmen des Nationalen Energie- und Klimaplans für den Ausbau der Photovoltaik auf 8,3 GW bis zum Jahr 2030 an, davon 2,5 GW für Dachanlagen und 5,8 GW für Solarparks. Dies liegt zwar noch unter den Vorgaben der EU-Vorgaben für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, doch ist ein wichtiger Schritt.

Zudem wurden unter anderem die Genehmigungsverfahren für Solarparks mit einer Fläche von weniger als 50 Hektar und einer Leistung bis 42 MW vereinfacht, die Netzanschlussverfahren für Solaranlagen bis 400 Kilowatt (kW) gestrafft sowie Direktvermarktungsmöglichkeiten von Überschussstrom für diese Anlagen dieser Größe erweitert. Eine wichtige Herausforderung für das weitere Wachstum der Photovoltaik ist auch in Rumänien der Netzausbau und dessen Finanzierung.

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Revival der PV in Tschechien

Fast zurück im GW-Club ist auch Tschechien – nach 13 Jahren. Neue PV-Anlagen mit einer Leistung von 970 MW wurden in 2023 neu errichtet. Die gesamte installierte PV-Leistung klettert auf 3,5 GW. Damit legte der tschechische Solarmarkt gegenüber dem Vorjahr um 236 Prozent zu. Mehr als 170.000 PV-Anlagen speisen inzwischen Strom in das Netz ein, davon mehr als 150.000 auf den Dächern von Einfamilienhäusern. Tschechien erlebte bereits in den Jahren 2009 und 2010 einen Solarboom, mit einem Zubau von mehr als 2 GW in den beiden Jahren.

Seit 2021 erholte sich der tschechische Solarmarkt: es wurden administrative Hemmnisse abgebaut, Förderprogramme neu aufgelegt – dazu erhöhte die russische Invasion der Ukraine ausgelöste Energiekrise die PV-Nachfrage vor allem im Gebäudebereich. Auch in 2023 wurden die meisten PV-Anlagen auf Hausdächern installiert. Es wird erwartet, dass dieser Trend weiter anhält, doch dass auch zunehmend größere gewerbliche Solardächer sowie Solarparks gebaut werden. Prognostiziert wird ein weiterer PV-Zubau bis 2030 von über 10 GW.

Auch in der Slowakei zieht der PV-Markt an

Mit einer installierten Gesamtkapazität von etwas mehr als 0,7 GW PV liegt die Slowakei zwar unter dem EU-Durchschnitt. Doch zieht auch dort der Solarmarkt an. Der PV-Zubau lag in 2023 bei 220 MW, vor allem private und gewerbliche Dachanlagen. Zum Tragen kam hier auch ein neu aufgelegtes Förderprogramm für den Kauf und die Installation von PV-Anlagen. Für 2024 wird damit gerechnet, dass 300 MW neue Solarstromanlagen errichtet werden.

Bremser für den Bau von Solarparks in der Slowakei sind u.a. die hohen Netzanschlusskosten, welche die Betreiber tragen müssen. SolarPower Europe rechnet in einem mittleren Szenario damit, dass die installierte PV-Leistung in der Slowakei bis 20230 auf 2,6 GW klettert. Der Nationale Klima- und Energieplan (NECP) sieht allerdings nur eine Solarstromleistung von insgesamt 1,4 GW im Jahr 2030 vor.

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Transparenter Netzzugang in Estland

Auch im Baltikum entwickelt sich der Solarmarkt dynamisch, stark getrieben von dem Bestreben nach mehr Energieunabhängigkeit. In 2023 übersprang Estland mit 1,1 GW die Marke von 1 GW gesamt installierter PV-Erzeugungsleistung. Die installierte Solarstromleistung pro Kopf kletterte in Lettland von 601 Watt (W/c) auf 803 W/c. Damit belegte Lettland Platz 5 im europäischen Ranking, knapp hinter Belgien (810 W/c) und noch vor Spanien (748 W/c). Seit 2022 gibt es Auktionen für Erneuerbare Energien und im vergangenen Jahr wurden einige neue Solarparks im zweistelligen MW-Bereich in Betrieb genommen.

Als vorbildlich gilt eine transparente Gestaltung des Netzzugangs in Estland. Die verfügbaren Kapazitäten werden auf der Webseite des Netzbetreibers in Echtzeit angezeigt. Zudem wurden in 2023 die ersten Ausschreibungen für große Batteriespeicher zur Stabilisierung des Stromnetzes gestartet. Bis 2030 soll die installierte PV-Leistung laut dem NECP auf 1,2 GW anwachsen. SolarPower Europe veranschlagt allerdings in einem mittleren Szenario ein weit stärkeres Wachstum auf 4,8 GW bis 2030.

Litauen setzt stark auf Prosumer

Auch in Litauen waren bis Ende 2023 PV-Anlagen mit einer kumulierten Leistung von 1,1 GW installiert. Das Land befindet sich ebenfalls in einem Transformationsprozess seiner Energieversorgung. Bis 2030 möchte das Land 100 Prozent seines Strombedarfs erneuerbar decken und seine installierte PV-Leistung auf 5,1 GW erhöhen. Stark im Fokus der Politik steht die Förderung von Prosumern, auch im gewerblichen Bereich. Von 2015 bis 2023 wurden rund 80.000 Prosumer ans Netz angeschlossen, mit einer kombinierten PV-Kapazität von 825 MW. Künftig sollen auch Energiegemeinschaften verstärkt ermöglicht werden.

Diskutiert wird in Litauen derzeit auch die Umstellung des Abrechnungssystems von Net-Metering auf Net-Billing. Verstärkt sollen auch Energiespeicher von Haushalten gefördert und ausgebaut werden, sowie auch hybride Großanlagen (PV oder Windkraft mit Energiespeichern). Die Genehmigung von Solarparks wurde verschlankt und das Verfahren des Netzzugangs neu organisiert. Eine Herausforderung ist jedoch u.a. die momentan unklare Anwendung der Einspeisedrosselung von Solar- und Windparks zur Netzstabilisierung.

Hohe Energiepreise treiben die PV in Lettland

In Lettland ist Photovoltaik noch ein zartes Pflänzchen, doch das könnte sich bald ändern. Gerade einmal 300 MW PV-Leistung waren Ende 2023 am Netz – doch immerhin dreimal so viel wie im Jahr zuvor. Aufgrund der hohen Energiepreise rückt die kostengünstige Photovoltaik auch in Lettland immer mehr ins Investoreninteresse. So wurde im Jahr 2023 die Realisierung erster größerer Solarparks mit 400 MW und 155 MW angekündigt. Auch wurde die erste schwimmende PV-Anlage mit einer Leistung von 2 MW in einer Kläranlage fertiggestellt. Experten gehen jedenfalls davon aus, dass Photovoltaik eine zunehmend wichtige Rolle dabei spielen wird, das von der Regierung gesetzte Ziel, bis 2030 rund 50 Prozent des Energiebedarfs erneuerbar zu decken. Hans-Christoph Neidlein

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