Photovoltaik international: Wachsende Qualifikationslücke auf einem boomenden Solarmarkt
Weltweit schafft Solarenergie Millionen neuer Jobs. Doch qualifizierte Arbeitskräfte sind eine zentrale Herausforderung, nicht nur im globalen Süden. Etliche internationale Qualifizierungsinitiativen versuchen hier gegenzusteuern.
08.01.2024 – In den letzten zehn Jahren hat die Nutzung von Solarenergie in den Schwellen- und Entwicklungsländern, insbesondere im globalen Süden, stark zugenommen. Seit 2023 sind Länder wie Indien, China und Brasilien führend, wobei Indien allein im Jahr 2022 12 Gigawatt (GW) an Solarkapazität hinzufügte. Weltweit würde das jährliche Wachstum bis 2030 eine Trillionen-Marke erreichen.
„Dieser rasante Anstieg übersteigt das derzeitige Angebot an qualifizierten Arbeitskräften weltweit, um das zunehmende Wachstum bei der Nutzung von Solarenergie aufrechtzuerhalten”, sagt Saba Kalam, Programm-Spezialist bei der International Solar Alliance (ISA). Weltweit sei es zunehmend schwierig für die Solarbranche, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden, was zu einer Herausforderung werde. Die vom Interstate Renewable Energy Council (einer unabhängigen gemeinnützigen Organisation mit Sitz in den USA) im Jahr 2022 durchgeführte Solar Job Census ergab, dass 44 Prozent der Arbeitgeber in der Solarindustrie massive Schwierigkeiten haben, qualifizierte Bewerber im Bereich Solarenergie in den USA zu finden.
Solarenergie-Jobs stärken marginalisierte Gemeinschaften
Die Beschäftigung im Bereich der Photovoltaik stieg von 4,9 Millionen im Jahr 2022 auf 7,1 Millionen im Jahr 2023 weltweit an, was einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr darstellt und den größten Anteil an Arbeitsplätzen im Bereich der Erneuerbaren Energien ausmacht. Dieser Trend ist besonders in Schwellenländern wie Indien ausgeprägt, wo allein im Solarbereich im Jahr 2021 über 138.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Weltweit wird erwartet, dass der Sektor der Erneuerbaren Energien bis 2030 weitere 38 Millionen Arbeitsplätze schaffen wird, wobei die Solarenergie einen erheblichen Teil dieses Wachstums ausmachen wird.
Allein in Indien werden laut Prognosen durch Solaranlagen auf Hausdächern bis 2030 rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze entstehen. DRE-Systeme (Decentralized Renewable Energy) sind für die Stärkung marginalisierter Gemeinschaften, insbesondere von Frauen, von entscheidender Bedeutung. Laut einem Bericht der Weltbank konnten Frauen, die in DRE-Unternehmen in ganz Afrika arbeiten, ihr Einkommen um bis zu 30 Prozent steigern. Diese Technologien bieten Jugendlichen und Frauen eine einzigartige Möglichkeit, in die Solarbranche einzusteigen, insbesondere in Regionen, in denen der Zugang zu Netzstrom begrenzt oder unzuverlässig ist.
Lokale Institutionen aufbauen
Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist für die Zukunft des Solarenergiesektors nachteilig. Er führt zu höheren Kosten für die Installation von Solaranlagen, Verzögerungen bei der Fertigstellung von Projekten und der Einhaltung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards. „Trotz wachsender Beschäftigungsmöglichkeiten ist das begrenzte Angebot an ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften in diesem Sektor hauptsächlich auf nicht standardisierte Ausbildungs- und Zertifizierungsprogramme, Herausforderungen bei der bestehenden Bildungsinfrastruktur und eine nur begrenzte branchenweite Zusammenarbeit zur Behebung des Fachkräftemangels zurückzuführen”, sagt Kalam. Die Länder müssten lokale Institutionen und Kapazitäten aufbauen, um die Beschäftigungsmöglichkeiten im boomenden Solarsektor zu nutzen, und gleichzeitig wichtige Interessengruppen wie Regierungsstellen und Finanzinstitute, die in diesem Sektor tätig sind, sensibilisieren. „Stabile lokale Institutionen, die standardisierte Schulungen und Zertifizierungen anbieten, werden die grenzüberschreitende Beschäftigung und das Lernen fördern”, so die Einschätzung von Paul Buttin, der französische Vertreter der ISA.
Gemeinsame Anstrengungen, die länderübergreifend Veränderungen bewirken
„Die gemeinsamen Anstrengungen von Regierungen und Privatwirtschaft, Fachkräften Qualifizierungsmöglichkeiten für die Planung, Installation und Wartung dieser Systeme zu bieten, sind wichtiger denn je”, sagt auch Berthold Breid, CEO der 2008 gegründeten Renewables Academy (RENAC) in Berlin.
Zwar gebe es schrittweise Fortschritte bei globalen Vorreiterinitiativen zum Kapazitätsaufbau, doch seien diese noch weit von dem erforderlichen Umfang und der erforderlichen Größenordnung entfernt. In Afrika beispielsweise strebt die Africa Renewable Energy Initiative (AREI) an, bis 2025 rund 10.000 Solarfachkräfte auszubilden, um den wachsenden Energiebedarf des Kontinents zu decken. Internationale Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), das UNDP und die Internationale Solarallianz (ISA) haben Initiativen zur Verbesserung der technischen und Managementfähigkeiten in den Ländern, in denen sie tätig sind, ins Leben gerufen.
Die STAR-C-Initiative (Solar Technology Application Resource Centre) der ISA, die gemeinsam mit der französischen Regierung ins Leben gerufen wurde, hat nationale Zentren mit Schulungsausrüstung, Instrumenten und pädagogischen Mitteln entwickelt, um kompetente und fähige Solarfachkräfte auszubilden. Die ISA beabsichtigt, weltweit 50 STAR-Zentren in ihren Mitgliedsländern einzurichten. Bis 2024 hat die ISA bereits 7 STAR-Zentren in Äthiopien, Somalia, Ghana, Bangladesch, Côte d'Ivoire, Kuba und Kiribati in Betrieb genommen, mit dem Ziel, Tausende von Fachkräften im Bereich Solarenergie auszubilden.
Neue Perspektiven für Jugendliche auch in Konfliktregionen
Diese Zentren werden zunehmend zum Dreh- und Angelpunkt für die Entwicklung kompetenter Solar-Arbeitskräfte. Durch praktische Schulungen erwerben die Teilnehmer die technischen Fähigkeiten, um Solaranlagen zu entwerfen, zu installieren und zu warten. Mit neuem Fachwissen und Kenntnissen ausgestattet, entwickeln Regierungsbeamte neue Entwicklungsprogramme und -programme, die Solarenergie integrieren. Unternehmen lernen Geschäftsmöglichkeiten in der solaren Wertschöpfungskette kennen. „Diese Zentren vermitteln sehr effektive und dringend benötigte Fähigkeiten, insbesondere für Jugendliche, die nach besseren Beschäftigungsmöglichkeiten suchen, z. B. in Konfliktländern wie Somalia und anderen am wenigsten entwickelten Ländern”, sagt Buttin.
Laut IRENA könnte der weltweite Übergang zu Erneuerbaren Energien bis 2030 rund 14 Millionen neue Arbeitsplätze im Energiesektor schaffen, wobei Solarenergie einen Löwenanteil ausmachen wird. Verschiedene sektorale Datensätze unterstreichen die entscheidende Rolle der Solarenergie als treibende Kraft für die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wirtschaftswachstum, insbesondere im globalen Süden, und tragen gleichzeitig zur Erreichung der globalen Klimaziele bei. „Der Markt muss Investitionen in Bildungs- und Qualifizierungsinfrastrukturen priorisieren, um das für die Deckung des weltweiten Energiebedarfs erforderliche Wachstum bei der Nutzung von Solarenergie aufrechtzuerhalten”, fordert Kalam. Hans-Christoph Neidlein