Stromnetz: Erneuerbare im Netzanschlussstau

In Europa standen im vergangenen Jahr rund 1.700 GW an Erneuerbare-Energien-Anlagen im Anschlussstau. Veraltete Daten behindern den Fortschritt. Der Netzausbau muss auf die Flexibilität der Erneuerbaren ausgerichtet werden.
15.05.2025 – Europas Übertragungsnetzbetreibern haben Erneuerbarer Energien noch nicht ausreichend in Ihre Planung integriert. Das zeigt eine Studie der NGO Beyond Fossil Fuels sowie den ThinkTanks Ember, E3G und dem Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA). Untersucht wurde, wie 32 Übertragungsnetzbetreiber in 28 europäischen Ländern die Energieinfrastruktur an die Anforderungen eines Erneuerbaren Energiesystems anpassen bzw. planen, anzupassen.
Warten auf Anschluss
In vielen Bereichen beruhe die Planung auf veralteten Daten, heißt es im Bericht. Gleichzeitig würden Warteschlangen für den Netzanschluss immer länger, und so Milliarden Euro an sauberem Strom verschwendet. Notwendige Investitionen in die Flexibilisierung der Netze blieben auf der Strecke.
Sauberer Strom bliebe immer öfter ungenutzt, während die Stromerzeuger für den Verlust entschädigt werden müssen. 2024 verursachte das Abriegeln von Strom aus Erneuerbaren Energien Redispatch-Kosten im Wert von 7,2 Milliarden Euro in sieben Ländern.
Gleichzeitig warteten in den Jahren 2024 und 2025 Erneuerbare-Energien-Anlagen mit rund 1.700 GW in 16 Ländern auf einen Netzanschluss. Das sei mehr als dreimal so viel wie der Kapazitätsausbau, der benötigt wird, um die Energie- und Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen.
In Deutschland stehen rund 70 GW an Erneuerbaren- und Speicherprojekten im Anschlusstau. Am längsten ist die Warteschlange in Großbritannien (722 GW), Finnland (400 GW) und Italien (348 GW). Die Autoren der Studie weisen allerdings darauf hin, dass die Zahlen auf nur eingeschränkt vergleichbaren Länderangaben beruhen.
Netzplanung nicht auf dekarbonisiertes Stromsystem ausgerichtet
13 europäische Länder wollen ihren Stromsektor bis 2035 dekarbonisieren. Doch die Netzplanung zieht nicht mit: Nur fünf Übertragungsnetzbetreiber ziehen Netzplanungsszenarien in Betracht, in denen Kohle und fossiles Gas bis 2035 durch Erneuerbare Energien ersetzt wurden.
Energiewende und Elektrifizierung brauchen bedarfsgerechte Netzplanung. Dabei seien viele Praktiken bereits vorhanden, würden jedoch nur vereinzelt angewendet. Mehr Transparenz und politische Führung könnte das ändern, empfehlen die Autoren des Berichts.
Mit Unternehmen verflochten
Kritisch betrachtet wird in dem Bericht auch, dass knapp ein Drittel der Übertragungsnetzbetreibern Teil eines Portfolios von Unternehmen sind. Diese seien an der Erzeugung oder dem Verkauf von Strom beteiligt und nicht unabhängig von kommerziellen Interessen. Sie entsprächen zwar den rechtlichen Mindestanforderungen der Entflechtung, aber eben auch nicht mehr.
Als Vorbild dienen könne das Vereinigte Königreich. Der National Energy System Operator (NESO) ist hier von dem für die Planung zuständigen National Grid grundsätzlich getrennt.
Auch hätten bisher nur fünf Energieregulierungsbehörden die Klimaneutralität in ihren gesetzlichen Aufgabenbereich aufgenommen; 11 ÜNB nähmen gar keinen Bezug auf Klimaziele. jb