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Strom- und BinnenmarktEuropa vernetzen

Bild: Matthew Henry / Unsplash
Europas Stromnetz überwindet Grenzen - mit Erfolg (Bild: Matthew Henry / Unsplash).

Europas Stromnetz und Binnenmarkt wächst seit Jahren enger zusammen. Mit mehr Netzen und weniger Handelsbarrieren können Erneuerbare Energien effektiv genutzt werden. So wird die Stromversorgung resilienter und günstiger.

28.04.2025 – Europa begann bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, seine Netze über Landesgrenzen hinweg zu verbinden. Richtig Fahrt nahm das europäische Stromnetz jedoch erst Mitte der 1990er Jahre auf, als die Europäischen Staaten begannen, ihre Strommärkte zu liberalisieren, und einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen. In Deutschland wurde die EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt 1998 mit dem novellierten Energiewirtschaftsgesetz umgesetzt. Seitdem können Bürger sich ihren Energieversorger aussuchen und Versorger entsprechend in einem freien Markt konkurrieren.

2009 folgte dann die Kopplung des europäischen Binnenstrommarktes, der einen weitgehend freien Markt für Strom in Europa ermöglicht. Dabei wird mit dem sogenannten Preiszonenmodell gearbeitet, das nur ein Jahr später eingeführt wurde. Die Preiszonen definieren den aktuellen Strompreis für eine geographische Region. Dabei wird angenommen, dass der Strom innerhalb dieser Region frei fließen kann. Es müssten also ausreichend Übertragungsnetzkapazitäten auch für große Strommengen – zum Beispiel zu Spitzenzeiten für Wind oder Solarstrom – zur Verfügung stehen.

Strom frei handeln

Die EU-Mitgliedstaaten wurden im Laufe der Jahre schrittweise mit dem europäischen Stromnetz und dem europäischen Binnenmarkt verbunden. Erst Anfang dieses Jahres wurden mit den Baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland die letzten EU-Mitglieder integriert. Neben den EU-Staaten sind die Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums, Norwegen, Lichtenstein und Island in den EU-Binnenmarkt integriert, auch im Bereich des Stromhandels.

Nach fast 20 Jahren Verhandlung hat sich die EU auch mit der Schweiz auf ein Abkommen geeinigt, um den Rahmen des Stromhandels zu regeln. Die Stromnetze sind physisch bereits eng verbunden, doch der fehlende Rechtsrahmen behinderte bisher den Stromhandel. Die Eidgenossenschaft nimmt derzeit lediglich über bilaterale Abkommen am europäischen Strommarkt teil. Gleichzeitig ist die Schweiz ein zentrales Transitland für den europäischen Stromhandel. Derzeit sichern Abkommen den Nachbarländern zu, dass der in Europa gehandelte Strom durch die Schweiz fließen darf.

Einige weitere Länder sind über grenzüberschreitende Leitungen, sogenannte Interkonnektoren, mit dem kontinentaleuropäischen Stromnetz verbunden, jedoch nicht Teil des europäischen Strombinnenmarkts. Der Strom wird in diesen Fällen über separate Abkommen gehandelt. Die Länder sind jedoch nicht an EU-Regulierungen gebunden oder in Marktmechanismen wie die grenzüberschreitenden Regelenergie- und Kapazitätsmärkte integriert, und profitieren nicht vom automatischen Netzausgleich, der die Stromflüsse zwischen europäischen Ländern ständig optimiert. Zu diesen Ländern gehören Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und seit 2022 die Ukraine.

Wie Strom gehandelt wird

Innerhalb des EU-Strombinnenmarktes wird der größte Anteil der Lieferungen über sogenannte Terminkontrakte weit im Voraus vereinbart. Zusätzlich wird über den Day-Ahead-Markt der Strom am Tag vor der Lieferung, und am Intraday-Markt am Tag der Lieferung gehandelt. Für kurzfristige Schwankungen gibt es zudem den Regelenergiemarkt, der dafür sorgt, dass das Netz kurzfristig in Balance gehalten wird.

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Leonhard Probst Wissenschaftler in der Gruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (Foto: Florian Forsbach)

Der Stromhandel am Day-Ahead und Intraday-Markt verläuft weitgehend automatisiert. 2014 wurde der Euphemia-Algorithmus eingeführt, der Strombörsenpreise nahezu in Echtzeit berechnet. Dabei werden nicht nur Angebot und Nachfrage berücksichtigt, sondern auch Übertragungskapazitäten und Netzengpässe. Falls große Mengen Wind- oder Solarstrom von einem zum anderen Ende Europas transportiert werden soll, wird also geprüft, ob unterwegs durchgehend ausreichend Netzkapazitäten zur Verfügung stehen. Die EU-Staaten müssen bis Ende 2025 mindestens 70 Prozent ihrer Grenzübertragungskapazitäten für die automatische Strommarktkopplung zur Verfügung stellen.

Die nachhaltige Transformation braucht Erneuerbare Energie – und Netze

In den kommenden Jahren werden immer mehr Prozesse in allen Sektoren vom Verkehr bis zur Industrie elektrifiziert, um Emissionen weiter zu reduzieren. Um den steigenden Strombedarf sowie die zunehmende Einspeisung volatiler Erneuerbarer Energien in das Stromsystem zu stemmen, müssen die europäischen Stromnetze weiter ausgebaut werden.

Die EU plant, in den kommenden Jahren Milliarden in ihre Energieinfrastruktur zu investieren. Ein Großteil davon entfällt auf die Stromnetze, allen voran die nationalen Verteilnetze. Doch auch die Übertragungsnetze müssen noch erheblich ausgebaut werden. Dabei orientieren sich Politik und Wirtschaft am Ten-Year Network Development Plan von ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity), in dem zentrale Projekte für Europas Energiesicherheit identifiziert werden.

Zu den Projekten gehören große Übertragungsleitungen zwischen den Ländern wie der 2021 fertiggestellte NordLink, der Strom zwischen Norwegen und Deutschland transportiert. Die Übertragungsleitung mit einer Kapazität von 1.400 Megawatt wurde vor allem gebaut, um den Austausch von Windenergie aus Deutschland mit Wasserkraft aus Norwegen zu ermöglichen. Noch im Bau befinden sich der Celtic und der Biscay Gulf Interconnector. Der 575 Kilometern lange Celtic Interconnector zwischen Frankreich und Irland hat eine Kapazität von 700 Megawatt und soll 2026 fertiggestellt werden. Ebenso wie der Biscay Gulf Interconnector, der bald Frankreich und Spanien verbindet. Mit 2.000 Megawatt wird die Übertragungsnetzkapazität zwischen den Ländern fast verdoppelt.

Für die Übertragungsinfrastruktur rechnet die EU bis 2050 mit einem Investitionsbedarf von 472 Milliarden Euro. Investiert wird in grenzüberschreitende Projekte, den Ausbau von Verbindungsleitungen und Offshore-Anbindungen. Insgesamt veranschlagt die EU-Kommission für die Stromnetzinvestitionen mindestens 2 Billionen Euro. 

Strom zu handeln, macht das Netz resilienter und die Energie günstiger

Ziel der Strommarktkopplung ist, die europäische Versorgungssicherheit zu stärken und Energie so kostengünstig wie möglich zur Verfügung zu stellen. So muss zum einen nicht jedes Land Reservekapazitäten für alle erdenklichen Szenarien vorhalten, sondern kann bei ungeplanten Vorfällen Strom aus den Nachbarländern importieren. Zum anderen können so im Idealfall immer die gerade günstigsten Kraftwerke den meisten Strom produzieren, was den Strompreis langfristig senkt.

Es ist also kein Nebenprodukt, sondern vielmehr Ziel der Energiemarktkopplung, dass viel Strom zwischen Ländern gehandelt wird. Strom wird nicht erst gehandelt, wenn der Bedarf eines Landes nicht gedeckt, sondern sobald der benötigte Strom in einem anderen europäischen Land günstiger produziert werden kann. So könnte der Sonnenschein im Süden oder die Windkraft aus dem Norden große Teile Europas günstig versorgen, anstatt mit Verlust eingespeichert zu werden oder ganz verloren zu gehen. Die Energieversorgung aller europäischen Bürger wird durch den innereuropäischen Stromhandel stabiler, effizienter und günstiger. Julia Broich

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