Betonkugel mit Turbine: Pumpspeicherkraftwerk am Meeresgrund

Das Fraunhofer IEE hat einen Unterwasser-Energiespeicher entwickelt, der das Prinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. Jetzt wird der Testlauf des Kugelspeichers vor der kalifornischen Küste vorbereitet.
06.11.2024 – Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat einen Unterwasser-Energiespeicher entwickelt, der das Prinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. Nach erfolgreichem Feldtest mit einem kleineren Modell im Bodensee bereiten die Forschenden nun mit Partnern einen Testlauf vor der kalifornischen Küste vor.
In 500 bis 600 Metern Tiefe wird eine 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser verankert. Strömt Wasser hinein, wird Strom erzeugt. Wird die Kugel wieder leergepumpt, wird der Speicher wieder geladen. Die Kugel ist fest am Meeresboden verankert, steigt also nicht auf oder ab.
Im Projekt StEnSea arbeiten die Forschenden mit dem US-amerikanischen Start-Up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Zweiter Partner ist Pleuger Industries. Das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwasser-Motorpumpen, einer Schlüsselkomponente für den Kugelspeicher.
Als Standort wurde ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Bis spätestens Ende 2026 soll der Prototyp mit 0,5 Megawatt Leistung und 0,4 Megawattstunden Kapazität in Betrieb gehen.
Sperra wird die Betonkugel vor Ort in Long Beach im 3D-Druckverfahren, womöglich in Kombination mit dem klassischen Betonbau, herstellen. Sie bekommt oben eine Öffnung, in den eine Unterwasser-Motorpumpe, auch Pumpturbine genannt, in einem Rohr eingelassen wird.
Wird ein Ventil geöffnet, strömt Wasser durch das Rohr in die Kugel hinein. Die integrierte Pumpe läuft dabei rückwärts und arbeitet als Turbine. Das Wasser treibt den Motor an, so dass Strom erzeugt wird.
Ein Unterwasserkabel schafft dabei die Verbindung zum Stromnetz an Land oder zu einer schwimmenden Transformator-Station eines Offshore-Windparks. Soll Energie gespeichert werden, pumpt die Motorpumpe das Wasser gegen den Druck des umgebenden Wassers wieder aus der Kugel. Anschließend kann der Zyklus erneut beginnen.
Wassertiefen von 600 bis 800 Metern sind ideal
Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte sind. Denn dort stehen Parameter wie der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander. Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen. Auch ist es hier nicht nötig, hochfesten Spezialbeton zu verwenden.
Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Vor Norwegen zum Beispiel, Portugal, der US-amerikanischen West- und Ostküste, Brasilien oder Japan könnten die Kugelspeicher in großer Zahl installiert werden. Ebenso eignet sich die Technologie für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.
Riesiges weltweites Potenzial
Das globale Speicherpotenzial dieser Technologie liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forschenden bei insgesamt 817.000 Gigawattstunden. An den zehn besten europäischen Standorten sind es immer noch 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden.
Die Speicherkosten setzen die Forschenden des Fraunhofer IEE mit rund 4,6 Cent pro Kilowattstunde an, die Investitionskosten mit 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung und 158 Euro pro Kilowattstunde Kapazität. Die Lebensdauer der Betonkugel liegt bei 50 bis60 Jahren. Nach jeweils 20 Jahren müssten Pumpturbine und Generator getauscht werden. Die Effizienz liegt bezogen auf einen ganzen Speicherzyklus mit 75 bis 80 Prozent etwas niedriger als bei einem klassischen Pumpspeicher-Kraftwerk. Diese Rechnung basiert auf einem Speicherpark mit sechs Kugeln, einer Gesamtleistung von 30 Megawatt und einer Kapazität von 120 Megawattstunden sowie 520 Speicherzyklen pro Jahr.
Die StEnSea-Kugelspeicher eignen sich vor allem für zwei Geschäftsmodelle: zum einen für Arbitrage-Geschäfts, also den Kauf von Strom bei niedrigen und den Verkauf bei hohen Börsenpreisen – und zum anderen für die Bereitstellung von Regelreserve, mit der Netzbetreiber die Stromnetze stabilisieren.
Testlauf ist großer Schritt zur Skalierung der Technologie
Nach dem erfolgreichen Test im Bodensee wollen die Fachleute nun mit dem neuen Projekt den Einsatz in großer Wassertiefe unter Offshore-Bedingungen testen. Das Ziel es, alle Arbeitsschritte entlang der Herstellung, der Installation, dem Betrieb und der Wartung im Hinblick auf die angestrebte Größe der Kugel – ein Durchmesser von 30 Metern – zu untersuchen und zu bewerten. So wollen sie überprüfen, ob und wie sich die in diesem Projekt gefundenen Lösungen auf eine 30-Meter-Kugel übertragen lassen.
„Mit der globalen Energiewende wird der Speicherbedarf in den nächsten Jahren enorm zunehmen“, sagt Senior Projekt Manager Bernhard Ernst vom Fraunhofer IEE. „Mit dem StEnSea-Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet. Mit dem Testlauf vor der US-Küste machen wir einen großen Schritt zur Skalierung und Kommerzialisierung dieses Speicherkonzeptes.“ pf
Kommentare
Otto Frick am 12.11.2024
angesichts des immensens aufwands, den das projekt benötigt, würde mich interessieren, wie viel jahre so ein ding strom liefern muss, bis die gamzen kosten amortisiert sind.
Heinz Kopka am 22.12.2024
Eine Betonkugel ist kein Neuland und auch alle anderen Komponenten gibts zu kaufen.
Im Vergleich zum Atomkraftwerk , und mancge träumen ja sogar von der Kernfusion , sicher Peanuts.
Für das Projekt in Kalifornien mit einer 9 m Betonkugel als Zwischenschritt sind 7,7 Millionen eingeplant.
Für ein Kunstwerk bei dem eine Banane auf eine Leinwand geklebt wurde zahlte ein Kunstliebhaber 2 Millionen.
Also ca 4 Bananen für die nächste Erprobungsstufe Kugelspeicher.
Einmal fertig gibts durch hohe Stückzahlen bestimmt bessere Preise.
Heinz Kopka am 21.12.2024
Wenn wie ich zu lesen meine die Kapazität der Kugelpumpspeicher die in Europa möglich wären ca das tausendfache der jetzt im Betrieb befindlichen Pumpspeicherwerke beträgt , warum wird dirses Projekt dann so wenig gefördert ?
Für das Projekt in Kalifornien stellt Deutschland gerade einmal 3,5 Millionen Euro bereit.
Für eine auf Leinwand aufgeklebte Banane haben Investoren schon 2 Millionen gezahlt.
Schon jetzt müssen von 3 Windrädern bei Schwachlast eines abgeschaltet werden .Der Bedarf an Speichern ist also bereits jetzt gegeben !
Christian Löffler am 22.01.2025
Ich finde es eine super Idee, der Braunkohletagebau Garzweiler 2 ist 210 m tief.
Ein super Standort die Speicher zu installieren bevor der Tagebau geflutet wird.
Die Stromtrassen und alten Kraftwerke stehen neben an und die Infrastruktur ist bereits vorhanden den Strom einzuspeisen und überschüssigen grünen Strom abzunehmen.